Mädelsflohmarkt Bares Geld für Staubfänger

BEUEL · Beim Mädelsflohmarkt im Beueler Brückenforum steht modische Kleidung zu Minipreisen ganz hoch im Kurs. Ein Selbstversuch:

 Volles Haus herrscht im Beueler Brückenforum stets beim Mädelsflohmarkt.

Volles Haus herrscht im Beueler Brückenforum stets beim Mädelsflohmarkt.

Foto: Max Malsch (Archiv)

Die Nachbarinnen gucken mich nicht gerade erfreut an, als ich gegen 14 Uhr mit Rollkoffer und großer Kiste im Beueler Brückenforum ankomme. Ich stelle meine Sachen vor dem Tisch mit dem "Reserviert für den General-Anzeiger"-Schild ab und werde Augenblicke später gewahr, warum die Damen angesäuert sind.

"Das ist ja echt fies und gemein, dass hier doch reserviert wird", begrüßen sie mich mit ernster Miene. Na, das kann ja heiter werden...

Kurz drauf kann ich nachvollziehen, warum sie stinkig sind. Patricia (42) zum Beispiel: Sie hat am Samstag etliche Stunden am Bügelbrett gestanden und ihr großes Angebot ordentlich geplättet. Warum, verrät sie mir später. Am Sonntag schließlich ist sie um 10 Uhr zu Hause in Linz gestartet, um möglichst früh und ganz nah am Haupteingang des Brückenforums zu sein. Denn "wer zuerst kommt, mahlt zuerst", sagt ja schon das alte Sprichwort, und derjenige kann sich in diesem Fall den vermeintlich besten Verkaufsplatz im Saal sichern.

Der Stand, auf den sie es abgesehen hat - ein Ecktisch nahe des Saal-Eingangs - hat eine andere Frühaufsteherin bereits belegt, und ihr zweiter Favorit ist reserviert - für mich.

Aber keine Sorge, Patricia, ihre Freundin Carolina (41), die andere Standnachbarin Melanie und ich sind während der folgenden Stunden beim Mädelsflohmarkt am Sonntagnachmittag bestens miteinander ausgekommen, und ich hab eine Menge von ihnen gelernt. Der nächste Flohmarkt kann kommen! Ich bin dabei - privat und ohne Reservierung. Versprochen!

Als ich mein Angebot aufgebaut habe, zu dem Schuhe und Schals, Seidentücher und Silberschmuck, Kerzenständer und viel Kokolores sowie Reithosen und Sattelunterlagen (Schabracken) gehören, lässt Carolina ihren Blick über meinen Tisch schweifen und macht mir nur wenig Hoffnung: "Na, viel Geld wirst du damit nicht einnehmen."

"Haushaltskram wird man beim Markt in der Rheinaue besser los", ist ihre Erfahrung, aber für den Markt muss frau ja extrem früh aufstehen. Da ist ein Flohmarkt, der um 15 Uhr für die Kaufwilligen öffnet, schon bedeutend terminfreundlicher.

Carolina ist mit einem Koffer und einem Kleiderständer angereist - Standmiete vier Euro. "Am liebsten würde ich nichts mehr mit nach Hause nehmen müssen", lautet ihr Wunsch. Früher sei sie shoppingsüchtig gewesen, erzählt sie, "aber das ist vorbei", im Fokus stehe jetzt ihre Eigentumswohnung. Der Verdienst ist für sie nicht das wichtigste. "Ich muss entschlacken, denn ich habe von allem zu viel!"

"Stimmt genau", ruft Freundin Patricia von hinten. Als sich nach dem gemütlichen Aufbau um Punkt 15 Uhr die Türen für die Schnäppchenjägerinnen öffnen, gucken meine erfahrenen Nachbarinnen enttäuscht. Bei anderen Märkten im Brückenforum hätten sich Menschentrauben kurz nach 15 Uhr in den Saal gedrängt, und stundenlang sei es in den Gängen nur langsam und schiebend vorangegangen.

Davon kann an diesem sonnigen Sonntag keine Rede sein. Egal. Soeben kauft eine Frau meine weißen Sneaker (für 10 Euro) - ohne sie anzuprobieren. Das hätte ich allerdings nie gemacht.

Magnus Müller, 26 Jahre junger Wirtschaftsgeografiestudent, ist einer der ganz wenigen männlichen Menschen, die beim Mädelsflohmarkt durch die Gänge gehen. Kein Wunder und verlaufen hat er sich auch nicht. Er ist seit eineinhalb Jahren Marktleiter im Beueler Brückenforum und kennt auch andere Märkte desselben Veranstalters (0049 events). "Hier in Bonn sind vor allem sehr, sehr viele junge Frauen, wohl Abiturientinnen und Erstsemester, auf der Jagd nach flippigen Klamotten zum kleinen Preis", erzählt er mir zwischendurch. In Köln etwa sei das Klientel deutlich älter. Ein Ladenhüter ist der Mädelsmarkt hier in Beuel ganz und gar nicht. "Alle Stände waren im Vorverkauf in kürzester Zeit ausgebucht", gibt er Auskunft. Mit den Extra-Tischen, die im Foyer unten und vor dem Saal noch nachträglich für Nachrücker aufgebaut wurden, bieten schließlich 185 Frauen an 185 Tischen ihre Schätze an.

An "normalen" Flohmarkttagen (am besten ist laut Patricia und Carolina bewölktes Wetter, das nicht zum Spazierengehen, Picknicken oder Eisessen einlädt) tummeln sich rund 800 Besucher von 15 bis 19 Uhr im Brückenforum. An diesem Sonntag ist es wohl rund die Hälfte.

Die Verkaufskanone Patricia zeigt, wie es geht, als eine Frau ein T-Shirt auf 1,50 Euro herunterhandeln will: "Eigentlich möchte ich ja sechs Euro dafür haben, ich hab es nur einmal getragen, aber ich bin ja schon auf vier Euro runter." Nachdem die beiden sich einig geworden sind, verrät mir Patricia, warum sie alles gewaschen und gebügelt hat: "Jetzt kann keiner mehr den Preis drücken mit der Bemerkung, die Klamotten seien ja angeschmutzt und knubbelig." Wohl wahr. Sie gibt potenziellen Kundinnen auch gleich Styling-Tipps ("Nimm mal dieses Tuch zu der Bluse!") und sagt ehrlich, dass das schlammfarbene Shirt der blassen Blondine nicht steht.

Währenddessen verkaufe ich für zehn Euro eine große Stofftasche - vor Jahren war das ein totaler Fehlkauf. Die neue Eigentümerin, eine ältere Dame, scheint glücklich damit zu sein. Und ich auch. Schön. So kann's weitergehen.

Eine Zwölfjährige, die mir ihren Vornamen nicht verraten will, hat es auf ein beigefarbenes Shirt mit Schleifchen in Größe 36 von Patricia abgesehen und feilscht wie ein Profi. Die junge Dame möchte schließlich so viele Teile wie möglich für 10 Euro von Mutti bekommen. "Nee, ein Euro ist echt zu wenig", entgegnet Patricia, "wir wollen doch beide unseren Spaß!"

Die 42-Jährige möchte mit dem Flohmarkt-Erlös eine ganz besondere Sommer-Daunenjacke kaufen, verrät sie, und will deshalb selbst nichts kaufen - eigentlich. Noch vor 15 Uhr bricht sie ihren Vorsatz und ersteht ein große schlichte Ledertasche in Hellbraun, die der Hingucker am Stand gegenüber ist. 10 Euro will die Anbieterin dafür haben. Patricia gibt ihr 15 und ist happy. Ich auch. Denn ich hab viel mehr eingenommen als jemals gedacht - für Dinge, die zu Hause Staub fingen.

Nur für Mädels und Damen

Der nächste Mädelsflohmarkt in Beuel ist am 15. Juni. Verkaufen dürfen nur Mädels und Damen. Standplätze können gegen Vorkasse ab 4. Juni, 16 Uhr, über ein Ticketportal gebucht werden (freie Platzwahl am Markttag). Ein Tisch kostet 10 Euro (1,2 x 0,6 Meter), ein Kleiderständer 4 Euro. Weitere Infos unter www.nachtkonsum.com

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