Schweigemarsch durch Beuel 100 Teilnehmer erinnerten an Novemberpogrome

BEUEL-MITTE · Die Klarinettenklänge vermittelten eine melancholische Stimmung am Mahnmal auf dem Beueler Synagogenplatz. Mit an originale jüdische Kompositionen angelehnten Improvisationen empfing und verabschiedete Musiker Matthias Höhn die Teilnehmer des Schweigemarschs wider das Vergessen, der am Samstagabend durch Beuel zog, um an den Beginn der Novemberpogrome vor 75 Jahren zu erinnern.

 Die Teilnehmer des Schweigemarschs auf ihrem Weg vom Synagogenplatz zum Jungen Theater.

Die Teilnehmer des Schweigemarschs auf ihrem Weg vom Synagogenplatz zum Jungen Theater.

Foto: Max Malsch

Die hätten dort einen besonders bitteren Beigeschmack gehabt, sagte Etta Fennekohl, Vorsitzende der Beueler Initiative gegen Fremdenhass: Es seien nicht ortsfremde NSDAP-Mitglieder gewesen, sondern Beueler Bürger, die am 11. November 1938 die Synagoge in Brand gesteckt hätten.

"Erinnere Dich und halte das Gedenken lebendig": Dieser Mahnung von Elie Wiesel müsse man auch weiter folgen, so Fennekohl. Erinnern und Gedenken sei nicht zweierlei: Was damals geschehen sei, müsse "sowohl das Herz als auch das Gehirn berühren", um ähnliches in Zukunft früh zu erkennen und etwas dagegen zu unternehmen.

Sie führte auch eine Umfrage auf, nach der jeder vierte in Deutschland lebende Jude sich noch bedroht fühlt. "Wir müssen für die Zukunft nicht nur die Vergangenheit aufarbeiten, sondern in der Gegenwart Sorge tragen, dass jüdische Menschen sich nicht mehr bedroht fühlen."

Weit mehr als 100 Menschen hatten sich wieder zum Gedenken eingefunden, einige trugen ein langes schwarzes Spruchband, auf dem Namen und Lebensdaten von Opfern des Nationalsozialismus aufgelistet waren. Der Schweigemarsch endete wie gewohnt im Jungen Theater Bonn, wo Schüler der Marie-Kahle-Gesamtschule Briefe von Beueler Kindern vorlasen, die den Nazis zum Opfer gefallen sind.

Deren Schulleiterin Sabine Kreutzer erinnerte zuvor aber auf dem Synagogenplatz an die Namensgeberin der Schule: Marie Kahle war eine Beueler Bürgerin, die zu Beginn der Pogrome Juden half, deren Geschäfte verwüstet worden waren. Weil sie dabei von einem Polizisten beobachtet wurde, wurde sie öffentlich angeprangert und verfolgt. Ihre Familie musste aus Deutschland fliehen.

Kahle habe ihre Kinder ermutigt zu helfen, sagte Kreutzer. Das müsse man auch heute tun: Kinder könnten Recht und Unrecht unterscheiden und würden das auch offen aussprechen. Sie hätten damit meistens recht. Das sollten sich auch die Erwachsenen zu Herzen nehmen.

Aufstehen, um Unrecht zu benennen: "Es ist wichtig, das wir das tun", so die Schulleiterin. "Wir sind es den vielen Opfern und den wenigen Helfern schuldig, im Alltag zu zeigen, dass wir es verstanden haben."

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