Artenvielfalt in Bonn Wie sich der Artenschutz in der Natur verändert hat

Früher war der Artenschutz kein großes Thema, da eine Vielzahl von Landwirten samt kleinen Felder sich automatisch darum gekümmert haben. Diese Zeiten sind längst vorbei. Welche Maßnahmen dringend erforderlich sind, erklärt Dr. Michael Petrakvom LANUV in Pützchen.

Bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts waren Arten- sowie Habitatschutz Dank einer Vielzahl von Landwirten und kleiner Felder quasi gratis. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute muss aktiv eingegriffen werden, um natürliche Lebensräume zu erhalten oder zurückzugewinnen. Welche Maßnahmen dringend erforderlich sind, erklärt Dr. Michael Petrak, Leiter der Forschungsstelle Jagdkunde und Wildschadenverhütung im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in Pützchen.

Petrak: Sehr schlecht. Der Borkenkäfer hat großen Schaden angerichtet. Durch die anhaltende Hitze hat sich die Population der Schädlinge enorm vergrößert. Und die Fichten haben wegen der Trockenheit keine Chancen sich zu wehren.

Welche Auswirkungen hat es für uns, wenn sich Ennert, Siebengebirge und Kottenforst infolge des Klimawandels verändern?

Petrak: Außer den Fichten sind auch Laubbäume wie Eiche, Buche und Birke betroffen. Der Klimawandel wirkt sich auch im Offenland aus. Der Verlust der Artenvielfalt hat natürlich Auswirkungen auf den Menschen. Je größer die Pflanzen- und Tiergemeinschaften sind, umso besser ist das für den Menschen. Aber bereits jetzt gibt es Veränderungen, die sich kaum noch umkehren lassen. So hat sich der Bestand an Rebhühnern seit 1980 um 94 Prozent reduziert. Gleichzeitig hat sich der Waschbär in unseren Breiten angesiedelt. In ganz NRW betrug die Strecke etwa 17000 Tiere. Und sie haben Einfluss auf den Lebensraum, der vorher anderen Tieren vorbehalten war. Rebhühner und Hasen haben es sehr schwer. Im Gegensatz zu Mardern und Füchsen, die sich als Allesfresser besser anpassen können.

Findet der Hase denn nicht genug zum Fressen?

Petrak: Nein. Die sogenannte „Hasenapotheke“ ist leer. Damit bezeichnet man die Vielzahl der verschiedenen Pflanzen, die auf Feldern und an Wegesrändern wachsen. Früher gab es rund 40 verschiedene Arten in solch einer Pflanzengemeinschaft. Heute sind es deutlich weniger. Auch die Monokultur auf riesigen Feldern führt dazu, dass der Hase kaum noch Nahrung findet. Wichtig ist zudem, dass wir alles dafür tun, um Wasser besser im Boden zu halten. Dazu gehört die Erhaltung von Kleingewässern. Eine hohe Artenvielfalt ist gut für das Wild, den Wald und den Menschen.

Wodurch wird der Bestand unserer heimischen Wildtiere noch gefährdet?

Petrak: Durch eingeschleppte Krankheiten. Noch bis vor ein paar Jahren kannten wir die Blauzungenkrankheit bei Wiederkäuern nicht. Oder die Afrikanische Schweinepest (ASP). Auch wenn sie in Deutschland bisher noch nicht nachgewiesen wurde, so gibt es in Belgien bereits zahlreiche Fälle. Die ASP lauert also vor unserer Haustür.

Wie können sich solche Krankheiten so schnell verbreiten.

Petrak: Durch den Menschen. Durch uns und unser Freizeitverhalten im Wald – Stichwort wandern oder Mountainbike fahren – können Infektionskrankheiten rasant verbreitet werden. Wichtig ist Hygiene. Vor allem dürfen Lebensmittel draußen nicht weggeworfen werden.

Was fordern Sie für den Arten- und Habitatschutz.

Petrak: Da gebe es viele Maßnahmen. Eine ist beispielsweise der Bau von mehr Grünbrücken. Es gibt zwar schon einige über Landes- oder Bundesstraßen sowie über Autobahnen, auch hier in der Region. Aber wir brauchen noch mehr. Wir dürfen den Lebensraum der Wildtiere nicht einfach zerschneiden. Unser Motto ist: Wege, die Menschen verbinden, dürfen den Lebensraum der Wildtiere nicht teilen. Grünbrücken sind wichtig, damit die Tiere wandern können. Dort, wo sie fehlen, stellen wir heute schon Inzucht fest.

Wurden wir von den aktuellen Umweltproblemen überrollt?

Petrak: Überhaupt nicht. Schon seit Jahrzehnten hat die Wissenschaft darauf hingewiesen. Allerdings wurden entsprechende Hinweise ignoriert und Forderungen nie konsequent umgesetzt. Niemand wollte die Probleme, die ganz offensichtlich auf uns zukamen, wahrhaben – die Folgen beobachten wir jetzt.

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