Vilicher Bildhauerhalle Von der Perfektion zur Zerstörung

VILICH · Die Blicke von Karin Rahn-Hotze wandern zwischen zwei Nackten hin und her. Die eine sitzt in in Form von Ton vor ihr, die andere als Fotografie in ihrem Laptop. "Das Schlimme ist, dass das Auge ständig neue Fehler zwischen Original und Abbild sieht", sagt die Aschaffenburgerin. Eigentlich arbeitet sie als Chemielaborantin, entschloss sich aber vor einigen Jahren, nebenbei ein Basisstudium Bildhauerei zu absolvieren. So kam sie auf die Bildhauerhalle in Vilich, in der sie gerade an ihrer "Badenden" werkelt.

 Augenmaß und Fingerfertigkeit braucht Karin Rahn-Hotze bei ihrer Nackten aus Ton.

Augenmaß und Fingerfertigkeit braucht Karin Rahn-Hotze bei ihrer Nackten aus Ton.

Foto: Max Malsch

Nach drei Jahren sattelte sie eine Aufbauklasse drauf und zeigt ihre Arbeiten, gemeinsam mit anderen Teilnehmern, vom 27. bis 29. September an der Gartenstraße. Während der Ausstellung will sie live modellieren. "Deshalb ist es gar nicht so schlimm, dass ich noch nicht fertig bin", meint Rahn-Hotze schmunzelnd.

2005 haben Bildhauer Paul Advena und Architektin Heidrun Valentin die Akademie auf rund 800 Quadratmetern eröffnet. "Vorher waren in dem Gebäude aus den 50ern unter anderem eine Näherei für Matratzen und ein Küchenstudio untergebracht", erzählt Valentin. Die Teilnehmer des Basisstudiums lernen zunächst einmal das Handwerk und die Techniken kennen, beschäftigen sich mit Akt- und Porträtkunst. "Daneben werden sie in Zeichnen und Kunstgeschichte unterrichtet", so die Architektin.

Den Absolventen, die aus ganz Deutschland kommen, stehen für ihre kreativen Phasen unterschiedliche Räume zur Verfügung. "Die Steinbildhauer brauchen andere Bedingungen als diejenigen, die mit Kettensägen große Holzklötze modellieren", erklärt die Leiterin. Hochdruckleitungen geben den Druckluftpistolen Energie für die Steinbearbeitung. "Und das hier hinten sind unsere unterschiedlich großen Brennöfen für die Tonarbeiten."

Ganz preiswert ist die Ausbildung, für die es keine Fördergelder gibt, nicht: 230 Euro zahlen die Einsteiger für drei bis fünf Tage im Monat unter Anleitung, 195 Euro die Fortgeschrittenen. Wer also gönnt sich die Seminare? "Die meisten machen es für sich selber, viele haben vorher schon Wochenendkurse absolviert. Manche gründen Künstlergruppen oder bringen ihr Wissen in ihrem heilpädagogischen oder therapeutischen Beruf ein", sagt Valentin.

So wie Sonderschullehrerin Gabriele Ripka aus Köln. Schon immer hat sie sich für Kunsthandwerk interessiert und das auch in ihren Unterricht eingebracht. In Vilich beschritt sie neue Wege. "Als ich mit einer Skulptur nicht mehr weiterkam, hat mich Herr Advena ermutigt, sie zu zerstören und in anderer Form aufzubauen", erinnert sie sich. Sie ist dabei geblieben, ihren eigenen Perfektionismus bei jedem neuen Werk überwinden zu wollen. "Irgendwann bin ich bei der Porzellankunst gelandet, dafür bestelle ich mir Geschirr aus dem Internet und lasse es fallen oder haue mit dem Hammer 'drauf", so Ripka.

Dann sitzt sie, wie jetzt, vor geschätzt 500 Teilen, die sie mit UV-Kleber in neuer Ordnung zusammensetzt. "Alles entsteht zufällig und spielerisch", sagt sie über die fragil wirkenden, aber toll aussehenden Schalen oder Fantasie-Körper. Ihren Schülern hat sie diese Sisyphus-Arbeit vorerst erspart. Sie beließ es bei kleineren Mosaiken.

Weitere Infos zur Bildhauerhalle unter Tel. 02 28/4 22 48 89 oder unter www.bildhauerhalle.de

Rundgang

Die Teilnehmer des Basisstudiums Bildhauerei stellen gemeinsam mit der Aufbauklasse ihre Arbeiten den Bürgern vor. Los geht es am Freitag, 27. September, um 18 Uhr. Um 19.30 Uhr gibt es eine Führung. Am Samstag läuft die Veranstaltung von 13 bis 20 Uhr, die Führung ist um 18 Uhr. Am Sonntag, 29. September, dauert das Programm von 11 bis 17 Uhr, Führung: 14 Uhr. Die Bildhauerhalle liegt in der Gartenstraße 38 in Beuel-Vilich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort