Brotfabrik Sufi-Poesie aus dem syrischen Aleppo

BEUEL · Ensemble Ramel spielt in der Beueler Brotfabrik authentische Musik aus der Kulturhauptstadt

 Fawaz Baker (Kontrabass), Tarek al Sayed (Oud), Khaled al Hafez (Trommel und Gesang) Tamam Ramadan ( Ney-Flöte).

Fawaz Baker (Kontrabass), Tarek al Sayed (Oud), Khaled al Hafez (Trommel und Gesang) Tamam Ramadan ( Ney-Flöte).

Foto: Leif Kubik

"Man kann eine Stadt zerstören, aber mit Musik kann man eine neue aufbauen" - mit diesen Worten verdeutlichen die vier Musiker des Ensembles Ramel das Verhältnis, das sie zu ihrer Kunst haben. Viele Besucher nutzten in der fast ausverkauften Brotfabrik die Gelegenheit, authentische syrische Musik zu hören: Khaled al Hafez an der Duff genannten Trommel und mit Gesang, Tarek al Sayed an der Oud, der orientalischen Laute, Tamam Ramadan an der Ney-Flöte und der Gründer des Ensembles, Fawaz Baker am Kontrabass - die vier Musiker aus dem im aktuellen Krieg stark zerstörten Aleppo begeisterten das Publikum mit ihren hierzulande eher selten zu hörenden Klängen.

Das Repertoire umfasste eine Fülle von mystischen Kompositionen aus der Levante, vor allem des Helaliya Sufi-Ordens an dem die vier auch ihre Ausbildung absolviert haben. Die Tradition des Ordens hat im Verlauf der Jahrhunderte aramäische, byzantinische und islamisch-osmanische Einflüsse in sich aufgenommen, die auch in den Werken von Musikern des 20. Jahrhunderts fortleben. Bei den von Ramel gespielten Kompositionen wird die traditionelle Form des Dhikr, der zeremoniellen Andacht, aufrechterhalten: Sie besteht aus drei parallelen musikalischen Linien. Normalerweise wird das Dhikr a capppella gespielt, Ramel ergänzt aber den Gesangspart mit Instrumenten. Der Begriff Ramel geht übrigens zugleich auf die Bezeichnung einer Metrik der klassischen, arabischen Poesie und die höchsten Notenschlüssel bei der Oud zurück. Als Folge des Krieges mussten die vier Musiker ihre Heimatstadt verlassen und haben 2013 in Frankreich Asyl gefunden, drei von ihnen leben heute in Belgien, Ensemble-Gründer Baker in Paris. Während ihrer Flucht über Land Richtung Türkei wurden die Musiker von einer islamistischen Rebellengruppe angehalten und ihre Instrumente zerstört, darunter auch eine wertvolle Laute aus dem Jahr 1870: Das Musizieren sei "haram", also unerlaubt, so die Begründung.

Aleppo, die zweitgrößte Stadt Syriens, blickt auf eine 4000-jährige Geschichte zurück und gehörte bis zum Beginn des Krieges zu den wichtigsten kulturellen Zentren der arabischen Welt. Seit dem 11. Jahrhundert gründeten sich in der Stadt zahlreiche Sufi-Bruderschaften mit religionsphilosophischen Schulen, die über Jahrhunderte hinweg den internationalen Austausch mit Musikern, Schriftstellern, Architekten und anderen Gelehrten pflegten. Als Folge des Krieges haben viele Menschen Aleppo verlassen müssen, dennoch wollen die Musiker ihre Auftritte keinesfalls als politische Konzerte missverstanden wissen: "Es geht uns um die Musik", so Baker.

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