Bürgschaftsstreit beim World Conference Center Städtische Rückstellung reicht nicht aus

BONN · Der Vergleichsvorschlag des Bonner Landgerichts in Sachen WCCB kostet die Stadt weitere Millionen. Die bisherige städtische Rückstellung von 50 Millionen Euro reicht bei weitem nicht.

 Bärbel Dieckmann, ehemalige Bonner Oberbürgermeisterin, spricht am 14.10.2009 in Berlin während einer Pressekonferenz.

Bärbel Dieckmann, ehemalige Bonner Oberbürgermeisterin, spricht am 14.10.2009 in Berlin während einer Pressekonferenz.

Foto: picture alliance / dpa

Die Zuversicht, aus dem WCCB-Millionen-Desaster mit einem blauen Auge zu entkommen, ist im Rathaus endgültig verflogen. Schon im Mai war die Stimmung rapide gesunken, als die EU-Kommission die Anfrage der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn beantwortet hatte.

Da hatte der Spanier Luis Romero Requena, seit 2010 Generaldirektor des Juristischen Dienstes der EU-Kommission, auf vier Seiten mitgeteilt, dass die bürgschaftsähnliche Nebenabrede der Stadt gegenüber der Klägerin (Sparkasse Köln-Bonn) nicht gegen das EU-Beihilferecht verstoße. Daraufhin hatte die Stadt eine – rein bilanzielle – Rückstellung von 50 Millionen Euro gebildet.

Das wird nach dem am Dienstag bekannt gewordenen Vergleichsvorschlag des Gerichts von 85:15 zugunsten der Sparkasse nicht reichen. Die städtische Restschuld aus der Bürgschaft liegt nach GA-Informationen inklusive angehäufter Zinsen bei mindestens 85 Millionen Euro. 85 Prozent davon sind rund 72,5 Millionen.

Jährliche Sonderbelastung mindestens 2,2 Millionen Euro

Streckt die Stadt die Tilgung über 40 Jahre und nutzt den günstigen Kommunalzins, liegt die jährliche Sonderbelastung für den Stadthaushalt bei mindestens 2,2 Millionen Euro. Die letzte WCCB-Rate wäre 2056 fällig. So wird die WCCB-Schlussrechnung über 300 Millionen Euro liegen, zumal die Zinsen eines Tages wieder steigen werden.

Der Bürgschaftsstreit geht zurück auf eine Bonitätsprüfung des Südkoreaners Man-Ki Kim und seiner Firma Hyundai Corporation (USA). Die Sparkasse wollte dem WCCB-Investor 2005 keinen Kredit geben.

Deshalb bürgte die Stadt unter der damaligen Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) für den Kredit in Höhe von 74,3 Millionen Euro und bald auch sogar für das fehlende Eigenkapital im Rahmen eines sogenannten Multifunktionskredits von zunächst 30 Millionen. Der Rat wusste, so die Beweisaufnahme vor Gericht im Kim-Prozess, weder etwas von einer negativen Bonitätsprüfung noch von einer Bürgschaft, die schon für die Bauphase galt.

Und so beschloss der Rat im Mai 2009, als der Großbaustelle das Geld ausging, eine Erhöhung der Bürgschaft um 30 Millionen, um einen Baustopp zu verhindern. Die Volksvertreter ahnten nicht, dass tatsächlich nur 15,7 Millionen zur Baustelle flossen und der Rest in das fehlende und von der Sparkasse vorfinanzierte Eigenkapital des Investors.

Jahrelanger Baustopp

Das Rechnungsprüfungsamt (2010) „wagt zu bezweifeln“, dass der Rat „diese Vorfinanzierung des fehlenden Eigenkapitals abdecken wollte“. Und so kam es im Spätsommer 2009 zwangsläufig zu einem Baustopp, der sich über mehrere Winter hinzog.

Dieckmanns Nachfolger Jürgen Nimptsch (SPD) wollte von Anfang an die Bürgschaft nach dem EU-Beihilferecht für rechtswidrig erklären lassen. Zunächst regte er ein EU-Notifizierungsverfahren an. Doch das hätte der Bund in Brüssel beantragen müssen, und die Bundesregierung hatte mit der griechischen Schuldenkrise ganz andere Sorgen.

Also war der Plan schnell abgehakt. Dem WCCB-Laien erschien es so: Erst treibt die Stadt ihre Hausbank mit einer Bürgschaft zur Kreditzusage an einen mittellosen Investor und, kaum ist der Bürgschaftsfall eingetreten, versucht sie, sich mit juristischen Spitzfindigkeiten aus dem Staub zu machen.

Die Sparkasse, die Köln zu 70 Prozent und Bonn zu 30 Prozent gehört, vertrat den gegenteiligen Standpunkt. Weil die Fronten sich verhärteten, verklagte die Sparkasse 2014 Bonn. Bereits am ersten Verhandlungstag ließ der Richter durchblicken, dass er zu einem Vergleich tendiere. Später wird er 60:40 zugunsten der Sparkasse vorschlagen. Beide Parteien lehnen ab, woraufhin ein Gutachten der EU-Kommission beauftragt wird. Dessen Ergebnis führte zum aktuellen Vergleichsvorschlag.

Wird das Rätsel noch gelöst?

In den folgenden zahlreichen WCCB-Straf- und Zivilprozessen, die bis heute andauern, ist die Frage, welche Rolle einzelne Personen aus der städtischen Verwaltungsspitze bei der Bürgschaft spielten, bis heute nicht aufgeklärt worden. So wird es auch diesmal sein.

Folgen die Parteien dem jetzt gewiesenen Weg durch das Landgericht zu einem Vergleich, entfällt die Beweisaufnahme – und damit die Auflösung des Rätsels, welcher städtische Amtsinhaber die Sparkasse drängte, das Projekt durch eine städtische Bürgschaft „zu retten“. Nach der Investorprüfung durch das Kreditinstitut war es eigentlich beendet.

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