Neuanfang mit Möbeln vom Flohmarkt Pantheon zieht Bilanz: "Unsere Erwartungen wurden übertroffen"

Beuel · Vor einem Jahr zog das Pantheon-Theater aus dem mittlerweile abgerissenen Bonncenter und die Räume der Halle Beuel. Zeit also, eine erste Bilanz zu ziehen: Geschäftsführer Rainer Pause fühlt sich wohl im Kiez.

Das jahrzehntelange Lästern über die Entwicklungsbedürftigkeit der Rechtsrheinischen haben die Beueler dem Kabarettisten Rainer Pause offenbar nicht übel genommen. „Das war ja auch nicht ich, das war der Litzmann“, sagt Pause. „In Wirklichkeit habe er immer mit der sonnigeren schäl Sick „sympathisiert“. Als junger Vater habe er den Kinderwagen am liebsten auf der Promenade rechts des Rheins geschoben, weil Bonn schon im Schatten lag. Doch nie hätte er sich träumen lassen, in Beuel zu landen – bis vor genau einem Jahr sein Pantheon in der Halle Beuel den Spielbetrieb aufnahm.

„Wir wurden hier sehr herzlich aufgenommen“, blickt Pause zurück. Der benachbarte Süßwarenhersteller habe ein Marzipanschwein als Willkommensgruß geschickt. Neugierige Beueler standen an den Türen und wollten genau wissen, wer da einzieht und was wird.

Allein 300 Umzugskartons mit Kleinkram von fast 30 Jahren aus dem alten Pantheon im Bonn-Center standen in der Beueler Halle. „Mit dem Umzug waren sogar zwei Umzugsunternehmen völlig ausgelastet“, erinnert sich Martina Steimer, die künstlerische Leiterin. „Was sich in dreißig Jahren an Fundus ansammelt, unglaublich. Rainer kann nichts wegwerfen“, sagt sie. „Du auch nicht“, entgegnet Pause. Beide: „Sammelleidenschaft!“

Für Renovierung blieb kaum Zeit

Jetzt, in der Rückschau, können sie die teils chaotischen Monate der langwierigen Suche nach einem geeigneten Spielort und den Umzug mit Gelassenheit betrachten. Doch damals war ihnen nicht zum Spaßen zumute. „Durch den Abriss des Bonn-Centers Mitte 2016 waren wir nach fast 30 Jahren heimatlos. Wir standen mit dem Rücken zur Wand, weil die Zeit knapp wurde. Toll fanden wir die schmucklose Schauspielhalle anfangs nicht, eine heruntergekommene Hütte. Aber klar war uns auch, dass Beuel mehr Freiräume hat als Bonn – und dass in diesem Quartier großes Potenzial liegt“, sagt Steimer.

Für eine umfassende Renovierung blieb keine Zeit. Der Spielbetrieb sollte nach der Sommerpause 2016 wieder aufgenommen werden. Also Kosmetik mit Bordmitteln. Steimel legte selbst Hand an, schrubbte, wienerte und pinselte. Die anvisierte Einweihung am 26. Oktober mit dem Kabarettisten Gerd Dudenhöffer wurde abgesagt. Die Vorhänge an der Bühne waren noch nicht fertig. Aber tags darauf wurde das neue Pantheon mit Dave Davis feierlich eröffnet.

Staunend schlenderte das Publikum durch die einst karge Fabrikhalle. Das tut es immer noch, denn Martina Steimer hat ein Händchen dafür, den Räumen Charakter im Stil der 50er/60er Jahre und – das Wort ist durchaus zutreffend – plüschige Gemütlichkeit zu verleihen. „So schön kann man es machen. Es herrscht ein anderer Geist“, stellt sie fest.

Lounge ist mit ausrangierten Möbeln eingerichtet

Dabei kommt ihr die Sammelleidenschaft zu Hilfe. Annähernd alle Einrichtungsgegenstände hat sie auf Flohmärkten erstanden oder im Internet ersteigert. Stehlampen mit Fransenschirm, Kronleuchter, schwere Teppiche, Sofas, Polstersessel, Couchtische und alte Ölschinken. Oft sei es ihr passiert, dass Leute ihr Mobiliar verschenkt haben, als sie hörten, es soll im Pantheon stehen.

Die neue Lounge mit kleiner Bühne und Klavier ist mit ausrangiertem Mobiliar eingerichtet. „Was nur in einem Jahr so alles zusammenkommt. Es ist auch ein bisschen wie ein Heimatmuseum“, findet Steimer. Mit der Jahresbilanz am neuen Spielort sind sie und Pause zufrieden. Trotz weniger Veranstaltungen und fast doppelt so vielen Plätzen wie vorher kamen etwa 90 000 Besucher.

„Wir waren nicht sicher, wie das Haus angenommen wird. Unsere Erwartungen wurden übertroffen“, sagt Pause. „Es hat uns keiner geglaubt, dass wir in so kurzer Zeit ein funktionierendes Theater auf die Beine stellen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, fügt Steimer hinzu. Wer nicht? „Wir sind hier mitten im Kiez, nicht auf einer Verkehrsinsel wie am Bundeskanzlerplatz. Jetzt sollte auch endlich der Startschuss für eine Quartiersentwicklung fallen.“

Steimer hat eine Liste von Ideen: Streetfood-Märkte, Meet-Märkte und Musik auf den Innenhöfen, noch mehr Kultur, Kneipen, Geschäfte und gute Gastronomie rundherum. Wenn das so kommen würde, wäre es auch für Rainer Pause das i-Tüpfelchen auf seinem Lebenswerk, dem Pantheon. „Es ist Rainers Theater“, sagt Steimer. Seit 30 Jahren ist er persönlich haftender Geschäftsführer. „Dazu muss man schon ein bisschen verrückt sein und sehr viel Durchhaltevermögen haben“, sagt der 70-Jährige. „Die Pflege des Umfelds ist auch unsere Existenzgrundlage.“

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