Gespräch am Wochenende Margret Fühles über Glauben und Leben im Kloster

Pützchen · Als 20-Jährige – vor fast 60 Jahren – ist Margret Fühles in den Orden Sacré Coeur in Pützchen eingetreten. 34 Jahre bis zu ihrem Ruhestand lehrte sie am St. Adelheid-Gymnasium. Über Glauben, Zweifel und das Leben im Kloster sprach Jutta Specht mit der 79-Jährigen.

 Wohngemeinschaft: Gerne verbringen Margret Fühles (l.) und ihre 100-jährige Mitbewohnerin Schwester Barbara Canisius Zeit im Garten des Mehrgenerationenprojekts.

Wohngemeinschaft: Gerne verbringen Margret Fühles (l.) und ihre 100-jährige Mitbewohnerin Schwester Barbara Canisius Zeit im Garten des Mehrgenerationenprojekts.

Foto: Holger Willcke

Markiert ein bestimmtes Ereignis Ihren Lebensweg?

Margret Fühles: Mit 16, auf dem Nachhauseweg vom Gymnasium, hat mich schlagartig eine lebensentscheidende Erfahrung getroffen, im Nachhinein würde ich sagen, eine Seinserfahrung. Plötzlich stand mir der Satz vor Augen: Wenn es Gott gibt, muss mein Leben etwas mit ihm zu tun haben. Mir wurde bewusst, dass der im katholischen Elternhaus, in der Kirche und in der Schule angelernte, dogmatische Glaube nicht alles war und mein Leben nicht tragen konnte. Ich erlebte eine Art inneres Moratorium, bis mir klar wurde, dass es im Glauben um eine persönliche Beziehung zu Gott geht.

Als junger, intelligenter Frau stand Ihnen die Welt offen. Warum haben Sie das Kloster gewählt?

Fühles: Die Auflistung des Für und Wider war in der Tat sehr ungleich verteilt. Gegen den Orden sprach, dass ich einen Ehemann und Kinder haben wollte und vieles andere mehr. Auf der anderen Seite stand nur ein Wort: Gott. Da war die Entscheidung gefallen. Die vernunftmäßigen und auch emotionalen Gründe hatten weniger Gewicht als die Stärke der inneren Bezogenheit auf das, was wir Gott nennen. Ich habe die Entscheidung nicht bereut. Das Ordensleben entspricht meiner Begabung, von innen her zu leben, nicht so von außen gesteuert zu werden.

Wie haben Ihre Eltern auf die Entscheidung reagiert?

Fühles: Ich habe meinen Vater zum ersten Mal weinen sehen. Aber sie konnten nicht dagegen sein, weil sie gut katholisch waren. Für sie war es hart, aber sie haben nicht direkt dagegen gesprochen.

Wann wurde die Entscheidung, dem Herz-Jesu-Orden beizutreten, konkret?

Fühles: Ich begann zu studieren. Deutsch, Latein und Religion fürs Lehramt. Eingetreten bin ich mit 20. Ich dachte, entweder jetzt oder nie. Doch ein strenges, nach außen abgeschottetes Ordensleben wie bei den Karmeliterinnen, war nicht mein Ding. Ich wollte Menschen begegnen. Da erinnerte ich mich an den Orden Sacré Coeur, der mein Hamburger Gymnasium führte. Ich mochte die starke Affinität zu kontemplativem Leben mit Stunden der stillen Betrachtung, Rosenkranz und gemeinsamen Gottesdiensten.

Welche Gelübde haben sie abgelegt?

Fühles: Es sind drei. Eines ist Armut. Aber ehrlicherweise lebe ich relativ einfach, nicht im wörtlichen Sinn arm. Keuschheit ist das zweite. Gemeint ist Ehelosigkeit, ohne das Ausüben von Sexualität. Das dritte ist Gehorsam. Der Orden ist hierarchisch gegliedert. Die Oberin hat das letzte Wort, aber im Alltag ist Gehorsam eine Frage des hörenden Gewissens und der Unterscheidung der Motivationen. Die Gelübde sind Wege zu einem spirituellen Leben.

Woran glauben Sie?

Fühles: Luther hat Glauben mit Vertrauen übersetzt. Lebensvertrauen. Vertrauen, dass es eine Hand gibt, die uns hält, um im Bild zu sprechen. Verloren habe ich die Gottesvorstellung, dass Gott oben oder ein Mann ist. In einem Gebet heißt es, dass ich tief in meinen Grund gehen kann, da wo mein Grund an den Grund Gottes rührt. Ein Bezugspunkt ist der Atem. In ihm ist Gott innen und außen. Ein Gott, von dem ich glauben kann, dass es ihn jetzt gibt, in der Welt, in der ich jetzt lebe. Ein Gott mit vielen Gesichtern. Wunder sind für mich nicht wichtig und auch kein Gottesbeweis.

Wo ist Ihr Dollpunkt für mögliche Zweifel?

Fühles: Es ist selten ein intellektueller Zweifel. Eher die Frage, ob ich fähig bin, mich zu öffnen, dass Gott Raum hat.

Sie tragen keine Ordenstracht?

Fühles: Tracht war nicht meins. Von 1960 bis 1970 musste ich sie tragen. Für mich ist das ein Problem der Identität. In der Uni zum Beispiel rief die Garderobenfrau über alle Köpfe hinweg: Ach Schwester, geben Sie mir Ihren Mantel. Diese Bevorzugung mochte ich nicht. Wenn ich am Seminartisch saß, hat sich keiner neben mich gesetzt. Das alles irritierte mich.

Sich individuell zu kleiden, kam Ihnen also entgegen?

Fühles: Ja, mit 40 Jahren begann ich auszuprobieren, was mir steht. Warum soll ich nicht in einen Hutladen gehen, und probieren, welcher Hut mir steht. Ich kaufe nicht, aber Sachen anprobieren, das tue ich auch jetzt manchmal. Und typisch! Am besten steht mir das Teuerste.

Wie ist überhaupt Ihre finanzielle Situation?

Fühles: Gehalt und Gelder verwaltet der Orden zentral. Wir geben alles ab und bekommen ein Jahresbudget für die Haushaltsführung. An Taschengeld für Kleidung oder Café oder Kino habe ich 200 Euro für ein Vierteljahr. Aber so viel brauche ich gar nicht. Es ist eine Art Askese. Ich könnte mir zum Beispiel die Tasse Kaffee leisten, aber ich kann auch verzichten.

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