Interview mit Ulrike Binder "Manchmal geht es nur um Entschuldigung"

BEUEL · Sie ist keine Gärtnerin und weiß dennoch bestens über Heckenarten und deren Pflegeschnitte Bescheid. Das bringt Ulrike Binders Ehrenamt als Schiedsfrau mit sich. Wie sie 2012 zu ihrem Limpericher Bezirk kam, über Verhandlungsmarathons am Esstisch und warum sie das Amt zum 1. März aufgibt, darüber sprach Binder mit Silke Elbern.

 „Achtung und Wertschätzung zwischen den Beteiligten hat bei meinen Verfahren einen sehr hohen Stellenwert“, so Ulrike Binder.

„Achtung und Wertschätzung zwischen den Beteiligten hat bei meinen Verfahren einen sehr hohen Stellenwert“, so Ulrike Binder.

Foto: Barbara Frommann

Wie kamen Sie zu dem Ehrenamt?
Ulrike Binder: Ich habe in der Zeitung gelesen, dass für den Schiedsamtsbezirk 15 in Limperich ein Schiedsmann oder eine Schiedsfrau gesucht wird. Eine Bedingung war, dass ich in diesem Amtsbezirk wohne. Daraufhin habe ich mich bei der Stadt beworben und wurde zu einem Auswahlgespräch eingeladen.

Warum dachten Sie, dass das etwas für Sie sein könnte?
Binder: Als meine Kinder klein waren, war ich Schöffin an einer Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bonn. Das fand ich sehr spannend. Im Herbst 2012 hatte ich erneut Zeit für ein Ehrenamt. Es passte, da ich beruflich auch als Mediatorin arbeite. Das heißt, mein Job ist es, eine Win-win-Situation herzustellen und Ergebnisse zu erzielen, mit denen beide Seiten auf Dauer gut leben können.

Was waren die Auswahlkriterien der Stadt Bonn?
Binder: Am Telefon sagte man mir vorab, vor allem Bauchgefühl und Menschenkenntnis seien gefragt.

Wer saß beim Bewerbungsgespräch?
Binder: Vertreter der Stadt und des Bundes Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen. In meinem Fall gab es mehrere Bewerber für diesen Bezirk. Zwei Tage später erhielt ich den Anruf, dass ich ausgewählt worden sei.

Wie ging's weiter?
Binder: Vom Amtsgericht Bonn wurde ein Termin zur Vereidigung geschickt. Schiedsverfahren haben eine dem Gericht vorgeschaltete Funktion. Kommt es doch zu einer Verhandlung, werden unsere Protokolle im Prozess herangezogen.

Um welche Angelegenheiten mussten Sie sich dann kümmern? Und wie oft?
Binder: Meist waren es bürgerliche Streitigkeiten. Während meiner Amtszeit habe ich etwa 30 Fälle verhandelt. Es ging um Beleidigungen, Lärm durch Kinder, Hunde oder Musikinstrumente und natürlich um viele Themen, die mit dem Haus oder Garten zusammenhängen. Also Grenzen und Grenzabstände, Höhe der Bäume und Hecken, Laub, Verschattung, Ärger mit Ablaufrinnen, die nicht richtig gepflegt sind.

Eine Partei ruft bei Ihnen an?
Binder: Genau. Diese stellt dann einen Antrag, sagt, wie sie die Situation sieht und was sie erreichen möchte. Dann lade ich beide Parteien zu einem Termin ein, zu dem diese auch wirklich kommen müssen.

Wie laufen die Treffen ab?
Binder: In Bonn ist das Vorgehen so geregelt, dass man sich in der Privatwohnung der Schiedsperson zusammensetzt. Als Schiedsperson bin ich unabhängig und unparteiisch und leite die Schiedssitzung. Erst darf die eine Partei sprechen, dann kommt die andere zu Wort. Schließlich wird über jeden Punkt der Streitigkeit verhandelt und versucht, eine langfristige Einigung mit beiden Parteien zu erzielen.

Baumsatzung und bürgerliches Gesetzbuch sind das eine, wie informieren Sie sich bei kniffligen Fällen?
Binder: Es gibt vom Bund Deutscher Schiedsmänner und -frauen Einführungskurse, Vorträge und Seminare sowie Weiterbildungskurse im Straf- oder bürgerlichen Recht sowie in Sachen Administration. Denn wir haben Vorgaben, wie alles dokumentiert werden muss. Wir führen zum Beispiel Protokollbücher.

Gab es besondere Erfolgserlebnisse?
Binder: Wir haben auch schon mal über fünf Stunden verhandelt und dann einen guten Vergleich hinbekommen. Dazu müssen beide Seiten sich entgegenkommen. Danach waren alle Beteiligten sehr gestresst, aber auch zufrieden. Manchmal haben sich beide Parteien vorher nicht eines Blickes gewürdigt oder begrüßt und nach der Einigung kam sogar das Angebot, den anderen im Auto mitzunehmen.

Können Sie die Befindlichkeiten immer nachvollziehen?
Binder: Wenn ich die Probleme der Welt sehe, dann nehme ich mich für das Verfahren zurück und akzeptiere es, dass meine beiden Parteien eben ein ungelöstes und für sie großes Problem miteinander haben. Auch wenn es nicht weltbewegend ist. Manchmal geht es auch „nur“ um eine Entschuldigung dem anderen gegenüber. Das bekommen Sie nicht mit Gesetzen hin. Das Thema Achtung und Wertschätzung zwischen den Beteiligten hat bei meinen Verfahren und in meinem Alltag einen sehr hohen Stellenwert.

Sie wirken sehr engagiert, warum hören Sie zum 1. März auf?
Binder: Aus persönlichen Gründen. Das Schiedsamt gebe ich trotzdem mit einem weinenden Auge ab, denn ich habe es sehr gerne ausgeübt.

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