Theater Marabu Improvisationen zum Wilden Westen

BEUEL · Der provisorischen Laube, ein mit Stoffbahnen verkleidetes loses Konstrukt, ist von außen anzusehen, dass in ihr zu viele Schauspieler auf den Einsatz warten.

 Am imaginären Lagerfeuer: Sechs Senioren aus Bonn und Bielefeld proben für ein Theaterstück, das im Februar aufgeführt wird.

Am imaginären Lagerfeuer: Sechs Senioren aus Bonn und Bielefeld proben für ein Theaterstück, das im Februar aufgeführt wird.

Foto: Tina Jücker

Immer wieder wölben sich die Leinen, und ein paar Schlitze offenbaren, dass Anna, Arnold, Elke, Helmut, Jochen und Norbert auf sehr engem Raum versuchen, eine möglichst komfortable Position einzunehmen, bis die Musik einsetzt.

Nach anfänglichem Knistern tönt aus den Lautsprechern die Instrumentalversion von "Sag, warum willst du von mir gehen" aus dem Western-Klassiker "12 Uhr mittags", und sie treten einer nach dem anderen, nein, nicht durch die Schwingtür hinein in einen verrauchten Saloon, sondern raus auf den Rollrasen und rein in die Schrebergartenidylle.

In der Werkstatt des Theaters Marabu in der Kreuzstraße sind die Proben zum Projekt "Alt macht Jung" gestartet, eine Kooperation zwischen dem Beueler Kinder- und Jugendensemble und dem Theater Bielefeld.

Parallel und unabhängig voneinander erarbeiten eine Gruppe Senioren, bestehend aus drei Bonner und drei Bielefelder Schauspielern, und das Kinderensemble Marabu im Laufe der nächsten Monate ihre Interpretation des Themas. Die Ergebnisse kommen im Februar in beiden Städten auf die Bühne.

Ausprobieren, was passt

Die zwei Frauen und vier Männer zwischen 61 und 75 reiten in gemächlichem Trab auf imaginären Pferden an den Rollrasenrand, führen zum Schutz vor der brennenden Mittagssonne die Hand an die Stirn und schauen bedächtig in weite Ferne, so als seien die leeren Stuhlreihen staubiges Land irgendwo westlich des Mississippis.

Elke, ganz mutig, zieht eine Knarre aus dem Halfter, schießt beherzt ins Nichts und pustet den Rauch über ihrem Finger weg. Dann verteilen sich die sechs in der Kulisse, raufen miteinander, versuchen sich spielerisch mit dem Lasso einzufangen oder entspannen auf den Liegestühlen.

"Wir probieren gerade mal aus, was passt", erklärt Tina Jücker vom Theater Marabu. "Unsere Idee ist, Bücher und Filme, die die Senioren durch ihre Kindheit begleitet haben, in ein vertrautes Setting zu übertragen." Bei den Western seien sich alle einig gewesen, und auch zu Schrebergärten hätten die meisten eine Beziehung - sei es aus Kindheitstagen oder heute im Alter.

Tina Jücker gefällt die Improvisation der Darsteller. Immer wieder bricht sie in schallendes Gelächter aus, lobt und macht Anmerkungen. Ihr Kollege Claus Overkamp demonstriert hüftekreisend, wie er sich das mit dem Reiten vorstellt. "Ihr seid nicht das Pferd, sondern sitzt oben drauf - vergesst das nicht."

Anekdoten aus der Kindheit spielen im Stück eine Rolle

"Bei den ersten Treffen wurden Anekdoten und Prägendes aus der Kindheit zusammengetragen, die wir in das Stück einweben wollen", so Jücker. Die Geschichte von Yogalehrer Helmut Hillens beginnt mit einer Partie Blinde Kuh. Jauchzend versucht erst Arnold seine Mitstreiter zu fassen, greift sich Anna und übergibt ihr die Augenbinde, die wiederum fängt Helmut.

Auch er sucht seine Mitspieler - doch die haben sich dieses Mal gemeinschaftlich hinter der Wäscheleine versteckt und geben keinen Mucks von sich. Während Helmut verloren auf dem Rasen steht, erzählt der 66-Jährige aus dem Off, wie er als Kind mit verbundenen Augen in einen Graben fiel, weil sein Freund ihn im Stich ließ.

Danach kommen die fünf anderen aus ihrem Versteck hervor und nehmen den sichtlich Erleichterten lachend in den Arm. "Ich spiele als Oma sonst ja auch mit meinen Enkeln mal Blinde Kuh", sagt Anna Simons aus dem Ensemble. "Warum nicht auch mit Gleichaltrigen?"

"Ich bin vielbeschäftigt, aber der Probenplan passte mir haargenau", so die ehemalige Kunsttherapeutin. "Deswegen bin ich kurzerhand zum Casting gegangen und es macht großen Spaß." Es sei toll, dass nicht stumpf auswendig gelernt, sondern Persönliches frei erzählt werde. "Ich spüre große Nähe zu meiner Kindheit und genieße das in vollen Zügen."

Preis für das Theater Marabu

Das Theater Marabu ist auf der Herbsttagung der Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen (Inthega) in Bielefeld mit dem Kinder- und Jugendtheaterpreis 2015 des Vorstandes ausgezeichnet worden.

Das Bonner Kinder- und Jugendtheater, das in der Beueler Brotfabrik beheimatet ist, aber auch ganzjährig in Deutschland und dem angrenzenden Ausland auf Tournee ist, gehe seit über zwanzig Jahren mit großem Engagement seinen künstlerischen vielfältigen Weg sehr zielstrebig in viele Richtungen, hieß es in der Laudatio. "Faszinierend ist neben der immer ernsthaft betriebenen künstlerischen Arbeit in viele ganz unterschiedliche Richtungen die Kreativität, die allem zugrunde liegt."

Über 750 Tagungs- und Messebesucher trafen sich in der Stadthalle Bielefeld bei der Herbsttagung und dem Theatermarkt der Inthega. Neben dem interessanten Tagungsprogramm präsentierten dort 167 Theater- und Gastspieldirektionen ihre Angebote für die Spielzeit 2016/17.

Die Inthega ist ein anerkannter Berufsverband mit knapp 400 Mitgliedsstädten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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