"Fritzale" in Küdinghoven Fritz Wülfings erklärt, wieso das erste Bier ungenießbar war

KÜDINGHOVEN · Die Sache mit dem Ehrgeiz begann, nachdem das erste Bier nichts wurde. "Ich hab' ihm damals Malzextrakt geschenkt", erinnert sich Heike Wülfing, "das Ergebnis schmeckte gar nicht." Mit eisernem Willen, das besser hinzukriegen, deckte sich Ehemann Fritz ein mit allerlei Zubehör, selbst gebaut oder der heimischen Küche entliehen, zweckentfremdete den ans Haus angrenzenden Schuppen und verzichtete in seiner eigenen kleinen Heimbrauerei von nun an auf unprofessionelle "Bier-Backmischungen".

 Das sieht gut aus: Fritz Wülfing bei einer ersten Probe seines frisch gebrauten Biers.

Das sieht gut aus: Fritz Wülfing bei einer ersten Probe seines frisch gebrauten Biers.

Foto: Max Malsch

Ambitioniert machte er sich ans Maischen, Schroten und Abläutern, bis der Schuppen nicht mehr ausreichte. Als "Kuckucksbrauer" nistete sich Wülfing daraufhin in der Vormann Brauerei in Hagen-Dahl ein, seitdem geht er dort wochenends seiner Leidenschaft nach und arbeitet werktags bei der Telekom. Seit mehreren Jahren fährt er nun zweigleisig.

1988 absolvierte der damals 25-Jährige im Rahmen seines Studiums der Verfahrenstechnik ein Praktikum in der Schultheiß-Brauerei in Berlin. Nachhaltig beeinflussen sollte das mit etwas Verzögerung nicht nur seinen Lebensweg, Wülfing begann, auch "bierbewusst zu trinken". Der Urlaub in New York City wurde zum weiteren Schlüsselerlebnis. In den USA, bekanntermaßen einem Land ohne traditionelle Bierkultur, gibt es nicht zuletzt aus diesem Grund eine enorme Sortenvielfalt.

Im Gegensatz zu den Deutschen sind die Amerikaner nicht festgefahren auf Althergebrachtes, gebraut wird oftmals in kleinen, unabhängigen "craft breweries", die immer wieder mit neuen Zutaten experimentieren und an Brautechniken feilen - ein dynamisches Geschäft. "Begeistert hat mich der allgemeine Enthusiasmus und das Miteinander dieser kleinen Brauereien", so Wülfing. Man ginge dort beispielsweise offen mit Rezepten um, Geheimniskrämerei gebe es nicht.

Der 50-Jährige braut India Pale Ale (IPA), ein sehr stark alkohol- und hopfenlastiges Bier, das dem Mythos zufolge im 19. Jahrhundert in England und Schottland für die Kolonialtruppen in Indien gebraut wurde. Da es die lange Schiffsreise überstehen musste, mit besonderer Haltbarkeit. Sein "Fritzale" verkauft sich in ganz Deutschland und findet besondere Anerkennung im Ausland. Mit einem Kollegen braut er alte deutsche Bierrezepte nach, darunter preußisches Weißbier mit Rübenkraut, Koreander und Ingwer.

Anfang 2010 ließ sich Wülfing in München zum Biersommelier ausbilden und beeindruckte mit seinen Braukünsten. "Mein Bier ist ganz gut angekommen", erinnert sich der Küdinghovener. Ehefrau Heike lacht: "Sie haben dich als IPA-Papst vorgestellt." Fritz Wülfing spricht bescheiden über seine Erfolge, die Augen jedoch blitzen dabei. Heike Wülfing fällt es einfacher, sein Talent in Worte zu fassen. Sie unterstützt seine zeitaufwendige Nebentätigkeit und hält ihm den Rücken frei. "Ohne sie wäre das alles definitiv nicht möglich", ist sich der Familienvater bewusst.

Gemeinsam steuern sie das bisher größte Ziel, eine eigene Brauerei, an. Wülfing sucht derzeit nach Standorten und ist im Gespräch mit der Stadt. Irgendwo in der Umgebung soll sie stehen. Traum sei es, Brauerei und Gastronomie zu verbinden, Bier-Verkostungen zu veranstalten und den Ort für die bierbegeisterte Bevölkerung zu einem Anlaufpunkt zu machen.

Im Laufe der vergangenen Jahre habe sich auch in der deutschen Craft-Brewery-Szene etwas getan, so Wülfing. Stand er als Kuckucksbrauer am Anfang noch so gut wie alleine da, seien es mittlerweile mehr geworden. Heike und er zählen nach. "Johannes, Peter...", es sind Vornamen. Man ist befreundet, man tauscht sich aus, man gibt sich Tipps. "So ist das, wenn passionierte Menschen aufeinandertreffen", sagt Wülfing. Ein bisschen wie in Amerika...

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort