190 Jahre Beueler Weiberfastnacht Fröhliche Weiber bezirzen Männer

Beuel · Fernsehübertragungen haben sie weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt gemacht: Die Beueler Weiberfastnacht.

 Küssen, bis der Arzt kommt: An Weiberfastnacht verdreht so manches Weib die Männerköpfe. Das war auch schon 1964 so.

Küssen, bis der Arzt kommt: An Weiberfastnacht verdreht so manches Weib die Männerköpfe. Das war auch schon 1964 so.

Foto: Repro: GA

Das Besondere an diesem rheinischen Brauchtum ist die Leitfigur der Wieve - die Wäscherprinzessin, die in jeder Session von einer anderen jungen Frau verkörpert wird. Prinzenpaare, Dreigestirne und andere Karnevalsregenten gibt es überall in Deutschland und im benachbarten Ausland.

Das Oberhaupt der Beueler Wäscherinnen ist weltweit einzigartig. Die erste Repräsentantin der Weiberfastnacht war 1958 Barbara I. Tiep-holt, geborene Beu. Die Ausnahmestellung der Tollität sprach sich schnell herum und so verwundert es nicht, dass sich alljährlich die Bundeskanzler der Republik gerne an der Seite der Wäscherprinzessin zeigten. Bis zum heutigen Tag hat sich an der Beliebtheit des Brauchtums nichts geändert. In der Session 2014 verkörpert Ann-Kathrin I. (Buhl) als 55. Wäscherprinzessin die Symbolfigur der Weiberfastnacht.

Das Aufbegehren der Beueler Waschfrauen gegen den von Männern dominierten Karneval ist allerdings viel älter. Vor 190 Jahren nahm die Geschichte auf der Schäl Sick ihren Lauf: Im einstigen Wäscher- und Fischerdorf Beuel fassten beherzte Wäscherinnen den folgenschweren Entschluss, die Männerherrschaft im Karneval aufzubrechen. Am Donnerstag vor den tollen Tagen, als ein Großteil des Beueler Männervolkes zu Schiff nach Köln unterwegs war, um die von den Frauen gewaschene und geplättete Wäsche auszuliefern, schlossen sie sich zu einem Damenkomitee zusammen und schlugen die erste Schlacht gegen Griesgram und Muckertum.

Dass die Beuelerinnen es an den tollen Tagen ziemlich heftig getrieben haben, belegt das Pendant zum "Bröckemännche": eine keifende Waschfrau. Früher war sie am Brückenpfeiler der ersten Rheinbrücke befestigt, heute hängt eine Nachbildung an der Hochwasserschutzmauer am Rheinufer.

Diesen bösen Ruf hatte den Beueler Wäscherinnen aber nur ihr Treiben bei der Weiberfastnacht eingetragen. Das Jahr über waren sie fleißig und kümmerten sich um Haus und Hof. Nur am Donnerstag vor Fastnacht trumpften sie auf. Damit sind die ersten emanzipatorischen Gedanken im Rheinland von den Beueler Wäscherinnen in die Lande getragen worden.

Tradition verpflichtet bekanntlich. Die Idee der Beueler Wieve trat schon bald ihren Siegeszug durch die rheinischen Lande an, was dann mit der Zeit sogar heimatbewusste Beueler Männerherzen höher schlagen ließ. Die Herren der Schöpfung spielten mit, und so wurde aus der Beueler Weiberfastnacht mit dem Sturm auf das Rathaus ein großes Fest.

Daran beteiligen sich seit 1957 nicht nur das Alte Beueler Damenkomitee von 1824, sondern sämtliche Komitees - zurzeit sind es 17 - aus allen Ortsteilen. Der Ausgang dieser stürmischen Eroberung ist immer derselbe, aber mit welchen Mitteln die Frauen zum Durchbruch kommen, bleibt jedes Jahr ein "gut gehütetes Geheimnis".

Zum Erfolg der Weiberfastnacht trug natürlich auch die seit 1958 alljährlich proklamierte Wäscherprinzessin bei, die zusammen mit der Obermöhn als "Zweigestirn am Beueler Karnevalshimmel". Der Schutzbrief, der nach dem Rathaussturm der Wäscherprinzessin überreicht wird, ist äußeres Zeichen der Übernahme der Rathausgewalt. Der Begriff "Obermöhn" mag für nichtrheinische Ohren fast beleidigend klingen, im Rheinland ist er aber keinesfalls negativ besetzt. Im Gegenteil: Sie verkörpert im Beueler Karneval die frauliche, gemütsvolle und bodenständige Rolle. Sie steht mitten im Leben und ist wortgewandte Speerspitze des Beueler Damenkomitees.

Beuels Obermöhnen: Die wahrscheinlich erste Präsidentin oder Obermöhn war Agnes Lohr, geborene Fritzen. Nachfolgerin wurde ihre Tochter Anna Uckerath. Ihr folgten Käthe Thiebes, geborene Stein, und Agnes Thiebes, geborene Mühlens. Tinni Winterscheid, geborene Michalski, übernahm danach das Amt der Präsidentin. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Anna Krause die Ära der großen Präsidentinnen des Alten Beueler Damenkomitees 1824 fortgesetzt. Von 1957 bis 1973 prägte Maria Balzer als Präsidentin des Alten Beueler Damenkomitees die Funktion der Obermöhn.

Ihr folgte Erna Neubauer, die dieses Amt über Beuel hinaus bekannt gemacht hat. Als Rheinische Frohnatur hat sie ohne Eitelkeit mit menschlicher Größe diese Aufgabe, die ihr auf den Leib geschnitten war, wahrgenommen. Ihr ist es als Gallionsfigur zu verdanken, dass sich dieses bodenständige, traditionelle Brauchtum ganz nach oben entwickelt hat. Nach 25 Jahren gab sie ihr Amt an Eva-Maria Zwiebler ab. Seit 2012 amtiert Ina Harder. Die Ur-Beuelerin, war 1989 Wäscherprinzessin und 2006 Bonna.

Karneval in Beuel

Es gibt 17 Damenkomitees in Beuel. Hinzu kommen mehr als 30 Karnevalsvereine und -gesellschaften. Jede Wäscherprinzessin wird von ihrem Damenkomitee durch die Session begleitet. Ann-Kathrin I. (Buhl) hat die "Fidelen Reisetanten" aus Pützchen im Rücken.

Von ihrer Seite weichen auch nicht die zwei Wäscherinnen - in diesem Jahr sind das Luisa Braun und Susanne Eyhoff. Obermöhn kann in Beuel nur die Frau werden, die auch gleichzeitig Präsidentin des Alten Beueler Damenkomitees von 1824 ist - aktuell ist es Ina Harder. Seit 28 Jahren ist Joachim Mertens Zugleiter der Weiberfastnacht. Am Karnevalsfreitag feiert er mit vielen Gästen im Beueler Rathaus seinen 60. Geburtstag.

Das Beueler Stadtsoldaten Corps Rot Blau 1936 ist die Schutztruppe der Wäscherprinzessin und stellt die drei Bützoffiziere: Karl-Heinz Honrath, Dieter Müller und Josef Schwanenberg. Eine kleine Abordnung der fast 130 Aktiven begleitet die Wäscherprinzessin stets bei ihren Auftritten. Ideenschmiede für das Karnevalsspektakel ist der Arbeitskreis Beueler Weiberfastnacht.

Ihm gehören an: Obermöhn Ina Harder, Manfred Krahe, Birgit Landsberg, Elke Kiesel (alle von der Bezirksverwaltungsstelle Beuel), die Präsidentinnen der Damenkomitees sowie Vertreter der Hilfsorganisationen. Vervollständigt wird dieser Kreis durch den Kommandanten der Beueler Stadtsoldaten, Hans Hallitzky, und Bezirksbürgermeister Werner Rambow. Der Förderverein Beueler Weiberfastnacht kümmert sich um die Sponsorensuche. Er wurde 2003 gegründet. Ziel des Vereins ist die ideelle und finanzielle Förderung der Beueler Weiberfastnacht

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