Gespräch am Wochenende Florian Kalff: Rheinländer sind lustig und listig

Beuel · Im Interview spricht der Beueler Geschäftsmann von seinem Heimatabend, über Schnarchnasen, Weltoffenheit und Traditionspflege. Den verstorbenen Bonner Kaufmann Paul Spinat hält er für den perfekten Rheinländer.

 Für Nostalgie hat Florian Kalff, Kaufmann und Poetry-Slammer, etwas übrig. In seinem Büro steht eine alte Musicbox. Kalff ist gebürtiger Bonner und fühlt sich auch sehr wohl hier. Er stellt nur fest, dass die Bundesstadt streckenweise provinzieller geworden sei. Im fehlt die Weltläufigkeit und Urbanität.

Für Nostalgie hat Florian Kalff, Kaufmann und Poetry-Slammer, etwas übrig. In seinem Büro steht eine alte Musicbox. Kalff ist gebürtiger Bonner und fühlt sich auch sehr wohl hier. Er stellt nur fest, dass die Bundesstadt streckenweise provinzieller geworden sei. Im fehlt die Weltläufigkeit und Urbanität.

Foto: Max Malsch

Dass der Beueler Kaufmann Florian Kalff etwas für Nostalgie übrig hat, lässt sich an seinem Büro vortrefflich ablesen. Auf dem Schreibtisch steht ein Bundesposttelefon mit Wählscheibe, an der Wand hängt eine alte Musicbox. Bei seinem Heimatabend gibt es jede Menge Geschichten zwischen Vor- und Siebengebirge und zehn Paletten Hansa-Pils aus der Dose, jenes Bier, das die Punker in den 80er und 90er Jahren am liebsten ebenso tranken wie James Bond seinen Martini: geschüttelt, nicht gerührt. Mit Kalff sprach Philipp Königs.

Herr Kalff, wenn Sie an Heimat denken, kommt Ihnen da ein Geruch in den Sinn oder vielleicht ein Geschmack?

Florian Kalff: Nein, Heimat ist eher philosophisch zu betrachten. Wenn überhaupt ist sie an Architektur festzumachen oder am Sosein der Stadt oder des Landes.

Wie verorten Sie Ihre Heimat?

Kalff: Zwischen Bornheim, Beuel, Königswinter und Rheinbach, in diesem Umkreis ist es zu sehen. Und mittendrin Swisttal, wo ich von 1973 bis 1986 aufgewachsen und zur Grundschule gegangen bin.

Wie sind die Leute hier so drauf?

Kalff: Lustig und listig.

Wie kommen Sie darauf?

Kalff: Das sind eben keine Schnarchnasen. Die Menschen hier wohnen und arbeiten an einem Fluss, der in Bewegung ist, und der eine gewisse geistige Schnelligkeit erfordert. Wenn ich dort mit dem Schiff fahre, Handel betreibe, gucke, wer kommt, macht sich das im Denken bemerkbar.

Woran machen Sie diese Erkenntnis fest?

Kalff: Das fällt im Vergleich zu anderen Regionen auf. Nehmen Sie den Westfalen, der ein ganz ruhiger Kadett ist, oder den Bayern, der in seiner Art eher behäbig ist. Der Rheinländer ist eben flink im Kopf.

Muss man die anderen kennen, um das Besondere der eigenen Heimat sehen zu können?

Kalff: Definitiv, man muss den Kreis weiter fassen. Nur wer weg gewesen ist, kommt gerne wieder zurück. Ich bin aus beruflichen Gründen viel in der Welt herumgekommen, war in Kalifornien unterwegs, in Mexiko, Brasilien und Südafrika: Da fällt einem erst auf, was bei uns funktioniert, was dort nicht funktioniert. Und umgekehrt.

Können Sie Beispiele nennen!

Kalff: Ein ganz simples Beispiel ist ein gut organisiertes Taxigewerbe. Das fängt beim Zustand der Autos an. In Los Angelos musste man, zumindest vor Erfindung des Navigationsgeräts, dem Fahrer den Weg erklären. Oder dass die Müllabfuhr bei uns klappt. In Brasilien liegt der Müll einfach auf der Straße.

Sie sind kein Freund von Chaos?

Kalff: Ich bin wohl ein Liebhaber romantischer Abgerocktheit, aber Müll auf der Straße muss nicht sein. Und um zum Ursprungsthema zurückzukommen: Ich wünsche mir keine US-amerikanischen Verhältnisse, wo kaum Wert auf Traditionspflege gelegt wird und „Change“, also das Neue, einen Wert an sich darstellt. Dem steht der Rheinländer – und meine Person im Speziellen – sehr skeptisch gegenüber. Wir mögen unsere Tradition. Nicht jedes Haus muss abgerissen werden. Über so etwas wie Denkmalschutz können die Amerikaner nur lachen.

Wo Sie von „Change“ sprechen: Haben Sie den Eindruck, dass die Region sich stark verändert hat seit dem Hauptstadtumzug?

Kalff: Das ist eine sehr dialektische Angelegenheit. Der Strukturwandel in Bonn wird in der allgemeinen Definition als gelungen angesehen. Dem widerspreche ich. Bonn ist streckenweise deutlich provinzieller geworden. Versuchen Sie mal um 2 Uhr nachts auszugehen oder etwas zu essen zu bekommen. Das ist schwer geworden, früher war es kein Problem. Durch die alleinige Ansiedlung von Büroarbeitsplätzen erzielt man eben keine Urbanität, keine Weltläufigkeit. Von den kulturellen Folgen mal abgesehen.

Fühlen Sie sich noch wohl in Ihrer Heimat?

Kalff: Da muss noch viel geschehen, dass ich mich hier nicht mehr wohlfühle. Wo soll man auch hin, wenn nicht in die Eifel.

Da wäre der Rhein aber weit weg. Soweit ich der Ankündigung für Ihren Heimatabend entnehmen konnte, halten Sie den verstorbenen Bonner Kaufmann Paul Spinat für den perfekten Rheinländer. Wieso das?

Kalff: Paul Spinat hat sehr eigene Vorstellungen vom Leben und seiner Selbstdarstellung gehabt und er hat sie gegen alle gesellschaftlichen Konventionen ausgelebt. Er hat Schloss Drachenburg in Königswinter vor dem sicheren Abriss bewahrt. Das hat ihn viel Geld und Arbeit gekostet, aber man dankte es ihm nicht durch Anerkennung. Er war dennoch ein sehr heimatverbundener Mensch. Das ist ihm hoch anzurechnen. Die Würdigung, die ihm zusteht, wird ihm nicht zuteil.

Wenn Spinat Prominenz wie den Künstler Andy Warhol auf seinem Schloss willkommen hieß, trug er Fantasieuniformen.

Kalff: Unter anderem. Ich gebe zu, das war sehr speziell. Heute würde man sagen: Er war Punkrocker.

Auch von einem früheren Pornobüro am Bonner Hafen werden Sie erzählen. Welchem Zweck dienen Pornobüros?

Kalff: Ach, das ist auch so eine Geschichte. Im Hafen hatte die kleine Autoverwertung Mai ihren Sitz, ich war einer ihrer Kunden. Das Büro war von oben bis unten mit Bildern aus dem Playboy tapeziert, daher der Name. Den Handel gibt es schon lange nicht mehr. Auch so ein Opfer des Strukturwandels.

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