Kommunale Neugliederung von 1969 Eine heikle Frage der Identität

BEUEL · Als die Beueler am heutigen 1. August vor 45 Jahren wach wurden, waren sie quasi über Nacht zu Bonnern geworden. Und darüber waren 1969 längst nicht alle Beueler glücklich.

 Das Beueler Zentrum hat mit dem Neubau (Mitte, hinten)ein anderes Gesicht bekommen, das mit den Gründerzeithäusern des Combahnviertels (li.) kontrastiert.

Das Beueler Zentrum hat mit dem Neubau (Mitte, hinten)ein anderes Gesicht bekommen, das mit den Gründerzeithäusern des Combahnviertels (li.) kontrastiert.

Foto: Max Malsch

Denn der "Neuordnung des Bonner Raums" war ein jahrelanger Widerstreit im Düsseldorfer Landtag vorangegangen, und die Bürger der bis dahin selbstständigen Städte Beuel und Bad Godesberg hatten sich massiv dagegen gestemmt.

Eine Bürgerinitiative reichte ein Volksbegehren beim Land ein, und die Stadt Beuel klagte gegen die neue Raumordnung. "Als dann der Prozess zugelassen wurde, gab es in Beuel einen Autokorso.

Aber das war nur noch ein letztes Aufbäumen", berichtet Hans Lennarz, ehemaliger Beueler Bezirksvorsteher und langjähriges Ratsmitglied. Denn alle Bemühungen brachten nichts, der Prozess wurde verloren, die Eingemeindung vollzogen.

Am 1. August 1969 wurde Beuel ein Teil der Stadt Bonn. Zuvor war Beuel - vom 24. August 1952 an - eine eigenständige Stadt. Oberkassel im Süden und Holzlar und Hoholz im Osten wurden 1969 mit dem Beueler Stadtgebiet verbunden und bilden seit der kommunalen Neugliederung im Jahre 1969 den rechtsrheinischen Stadtbezirk der Bundesstadt Bonn.

So waren nicht nur die Beueler waren enttäuscht, auch in Oberkassel gab es damals keine Freude: "Nach 154 Jahren Selbstständigkeit hörte das Amt Oberkassel auf zu existieren. Anders als in Beuel wurde dieses Amt aber nicht nur neu zugeordnet, sondern auch noch zerteilt", sagt Sebastian Freistedt, Vorsitzender des Heimatvereins Oberkassel.

Während die Orte Heisterbacherrott, Ober- und Niederdollendorf zur Stadt Königswinter kamen, wurde Oberkassel dem neuen Stadtteil Beuel zugeordnet. Das zog starke Einschnitte nach sich: die SU-Kennzeichen verschwanden, die öffentliche Verwaltung ging nach Beuel über, das Rathaus in Oberkassel stand plötzlich leer, und auch finanziell war es für den Ort ein harter Schlag.

"Wie auf einem Karnevalsorden aus damaliger Zeit zu sehen ist, ging ein großer Geldbetrag aus der, wegen der vielen gewerblichen Betriebe, gut gefüllten Amtskasse Oberkassel an die Stadt Bonn", so Freistedt.

Ein weiterer harter Eingriff war der Verlust vieler Straßennamen, die wegen Doppelbenennungen in Bonn umgeändert werden mussten. So verloren alte Straßen wie die Wilhelmstraße (heute Adrianstraße), die Kirchstraße (heute Kastellstraße) oder die Weiherstraße (heute Cäcilienstraße) ihre Namen.

Die Hauptstraße wurde in Königswinterer Straße umbenannt und die Hausnummern wegen der geänderten Zählfolge um 200 erhöht. So wurde etwa aus der Adresse der alten Amtsverwaltung, Hauptstraße 520, die Adresse Königswinterer Straße 720.

Viele Oberkasseler mussten ihre Adressen ändern. Geblieben sei dagegen die Treue zum eigenen historisch gewachsenen Vereinsleben, so Freistedt. "Eine Verwaltungseinheit kann man schnell zusammenlegen, aber Traditionen, gewachsene Strukturen und Bräuche passt man nicht so schnell an."

Es sei heute normal, kleine Strukturen möglichst zusammenzulegen um die Abläufe zu optimieren. "Aber ein kleines Stückchen Selbstständigkeit trägt wohl jeder Oberkasseler auch heute noch in sich, ob bewusst oder unbewusst", sagt Freistedt.

"In einem haben die seinerzeitigen Kritiker tatsächlich Recht behalten. Das war ihre Sorge um das Identitätsbewusstsein der neuen Großbonner Bevölkerung. Identität beruht ja auch und nicht zuletzt auf dem Bewusstsein um das große historische Erbe unserer Stadt", so Freistedt.

"Und genau hier sind der Denkmalschutz und die städtebauliche Entwicklung besonders in den Vorortgemeinden zu Sorgenkindern herangewachsen", sagt Carl J. Bachem, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Bonner Geschichtsvereine und fordert deshalb mehr Einsatz der Stadt für die Erhaltung und Förderung der Denkmäler.

Da stimmt auch Hans Lennarz mit ein, der sich als Leiter für die Zukunft wünscht, dass das Heimatmuseum als lokalhistorische Identitätsstätte weiter unterstützt werde. Die kommunale Neuordnung sei die richtige Entscheidung gewesen, sagt Lennarz.

Beuel habe damals durch die Industrie finanziell zwar gut dagestanden, es gab allerdings Nachholbedarf bei der Infrastruktur. So seien wichtige frühe Projekte für ein lebendiges und attraktives Beuel der Bau von Freibad, Brückenforum und flächendeckender Kanalisation sowie der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs gewesen, sagt Lennarz.

"Der Stadtbezirk hat eine sehr gute Entwicklung genommen: Lebten 1969 33 000 Menschen hier, sind es heute rund 66 000", sagt Manfred Krahe, Leiter der Bezirksverwaltungsstelle Beuel. "Und Beuel hat sich eine gewisse politische Eigenständigkeit und viel lokale Identität erhalten", so Hans Lennarz.

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