Bundesamt für Justiz EU-Knöllchen kommen aus Beuel

Beuel · Im europäischen Ausland zu schnell fahren oder falsch parken und zu Hause nicht dafür belangt werden: Diese Zeiten sind vorbei. Seit Oktober 2010 können in der EU verhängte Bußgelder in Deutschland vollstreckt werden - also eingetrieben werden, wenn der Betroffene nicht freiwillig zahlt. Bearbeitet werden die sogenannten "EU-Knöllchen" in Beuel.

Rund 50 Mitarbeiter des Bundesamts für Justiz (BfJ) bearbeiten diese Vorgänge. Weil die Bundesoberbehörde, deren Hauptsitz an der Bonner Adenauerallee ist, stetig anwächst - 2007 ging sie mit rund 500 Beschäftigten an den Start, inzwischen sind es mehr als 900 - hat sie im Sommer in Beuel zusätzliche Büroräume angemietet. "Es kommen stetig neue Aufgaben dazu, sodass wir davon ausgehen, bis zu unserem zehnjährigen Bestehen Anfang 2017 mehr als 1000 Beschäftige zu haben, also doppelt so viele wie zu Beginn", sagt Thomas W. Ottersbach, Pressesprecher des BfJ.

Wenn nun das Knöllchen im heimischen Briefkasten landet, der deutsche Autofahrer es aber nicht bezahlt, kann die ausländische Behörde ein Vollstreckungsersuchen beim BfJ einreichen. Rund 10 000 solcher Ersuchen anderer EU-Staaten gehen bei den Mitarbeitern in Beuel derzeit im Jahr ein. "Dabei geht es nicht nur, aber zum großen Teil, um Bußgelder aufgrund von Verkehrsdelikten", so Ottersbach.

"Die Zahlen lassen allerdings darauf schließen, dass das Potenzial noch viel größer ist, viele Fälle aber noch nicht weitergegeben werden", sagt Ottersbach. Bislang kommen 98 Prozent der Ersuchen aus den Niederlanden. "Das liegt auch daran, dass die Niederländer ein automatisiertes System haben." In Beuel hingegen ist die Bearbeitung der "EU-Knöllchen" Handarbeit. "Unsere IT-Abteilung arbeitet aber gerade daran, die Bearbeitung zukünftig vom Papier in eine elektronische Akte zu überführen", sagt Ottersbach.

Hoher bürokratischer Aufwand

Ein Grund, warum die übrigen EU-Mitgliedstaaten ihre Ersuchen bislang noch recht verhalten nach Deutschland schicken, könnte der hohe bürokratische Aufwand sein, vermutet Ottersbach. Das Bußgeld, das im Ausland eingetrieben wird, bleibt außerdem dort. "Derjenige, der vollstreckt, darf den Erlös behalten", erklärt Ottersbach. Griechenland, Irland und Italien hätten den entsprechenden Rahmenbeschluss der Europäischen Union von 2005 zudem noch gar nicht umgesetzt.

Kommt die Prüfung im BfJ zu dem Ergebnis, dass das Ersuchen rechtlich zulässig ist, wird dem Verkehrssünder die Möglichkeit gegeben, Stellung zu nehmen. Erhebt dieser keine relevanten Einwendungen, wird die Vollstreckung bewilligt. Hiergegen kann der Betroffene noch Einspruch einlegen. Tut er dies nicht, wird die Vollstreckungsbewilligung rechtskräftig. "Uns stehen dann alle Instrumente des deutschen Vollstreckungsrechts zur Verfügung, bis zur Pfändung des Kontos oder in der Wohnung des Schuldners", so Ottersbach.

Das Amt kann das Ersuchen aber auch zurückweisen, beispielsweise wenn die Forderung geringer als die Bagatellgrenze von 70 Euro ist, allerdings inklusive Bearbeitungsgebühren. Außerdem verweigert das Amt die Vollstreckung beispielsweise bei der sogenannten Halterhaftung - in den Niederlanden muss nämlich der Halter des Fahrzeugs zahlen, auch wenn er nicht der Verursacher ist. "Das widerspricht aber dem Grundsatz der Unschuldsvermutung in Deutschland", so Ottersbach.

Jährlich werden 5500 Anfragen von Beuel verschickt

Etwa 5500 Anfragen jährlich werden wiederum von Beuel aus ins europäische Ausland geschickt, 40 Prozent davon gehen nach Polen, jeweils 15 Prozent nach Rumänien und in die Niederlande. Weil das zehnseitige Dokument in der jeweiligen Landessprache verfasst sein muss, nutzt das Amt dazu auch den hauseigenen Sprachendienst. "Auch hier ist zu vermuten, dass viele Bußgelder nicht weitergeleitet werden.

Vermutlich liegt das daran, dass der bürokratische Aufwand, gerade für kleine Kommunen, recht hoch ist, und das Geld eben, wenn es im Ausland eingetrieben wird, auch dort bleibt. Bußgelder, die wiederum von uns in Deutschland vollstreckt werden, kommen dem Bund zugute."

Auch wenn viele Knöllchen aus dem europäischen Ausland bislang noch nicht in Deutschland vollstreckt werden, ist es sinnvoll, seine Schuld zu begleichen. Wer als Verkehrssünder erwischt wurde, muss bei einer offenen Geldbuße nämlich mit Konsequenzen rechnen, wenn er wieder in das Land einreist.

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