Die Geschichte des Stifts Vilich Die heilige Adelheid: Ein Wirken weit über den Tod hinaus

Vilich · Fröhliche Kinderstimmen schallen an diesem winterlichen Märzvormittag von der nahen Adelheidis-Grundschule über den Friedhof hinüber zur Kirche Sankt Peter im historischen Ortskern von Vilich. Edita Hoschützky zeigt dort Spuren der tausend Jahre alte Geschichte des ehemaligen Stifts, einem klosterähnlichen Gebäude, und seiner Kirche.

 Den Kirchturm im Rücken: Das Stift wurde nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebaut. Heute ist ein Seniorenhaus untergebracht.

Den Kirchturm im Rücken: Das Stift wurde nach dem Zweiten Weltkrieg neu aufgebaut. Heute ist ein Seniorenhaus untergebracht.

Foto: Max Malsch

Die pensionierte Adelheidis-Grundschullehrerin erklärt, warum an deren Westportal noch eine Mauer aus den Anfängen des Stifts im 11. Jahrhundert steht. Und welche karitativen Dienste hier über die Jahrhunderte bis heute geleistet wurden. Und warum Vilich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein regional bedeutender Verwaltungssitz war, an dem auch Hoschützkys Vorfahren, die Familie Schevastes, tätig waren.

Drinnen in der Kirche herrscht Ruhe, von den Kindern ist nichts mehr zu hören und zu sehen. Es ist fast so, als wäre man ganz abgetaucht in die Historie. Doch wie so oft führt die Reise in die Vergangenheit zu mehr Klarheit über die Gegenwart. Denn in der ehemaligen Stiftskirche, die seit dem 19. Jahrhundert Vilichs Pfarrkirche ist, wurde jene Frau bestattet, die um das Jahr 1000 herum erste Äbtissin des Stifts war und noch heute Namensgeberin ist nicht nur für die nahe gelegene Grundschule, sondern auch für Kindergärten, ein Gymnasium, ein Seniorenhaus, eine Kirchengemeinde oder auch eine Straße: Adelheid. Wenn auch in den Wirren des Truchseßschen Kriegs die Gebeine der schon bald nach ihrem Tod verehrten, jedoch offiziell erst 1966 heiliggesprochenen Frau für immer verschütt gegangen sind, so hat die Kirche als geistliches Zentrum ihre Ausstrahlung nicht verloren.

Das Vilicher Stift war bald nach seiner Gründung ein Zentrum, wo die heutige Bonner Stadtpatronin rund drei Jahrzehnte lang als Äbtissin einer Gemeinschaft religiös orientierter Frauen vorstand und das als geistliche, karitative und weltliche Institution über die Region hinaus Bekanntheit erlangte. Adelheid war als Tochter aus hohem Hause mit kaiserlicher Verwandtschaft nicht nur an ihrer eigenen Bildung interessiert, sondern später auch an der anderer Mädchen - im Mittelalter keine Selbstverständlichkeit. Nicht weit von der heutigen Adelheidis-Grundschule stand die Schule des Stifts, in der - vermutlich, da damals üblich - Töchter aus adeligem Haus Unterricht erhielten.

Nicht selten war die Not im Mittelalter im einfachen Volk groß, und Adelheid galt schon bald nach ihrer Ankunft in Vilich, wo ihre Eltern das Stift auf eigenem Grund und Boden gegründet hatten, als mildtätige Frau, die sich nicht zu schade war, auch den Armen zu helfen: Sie versorgte Bedürftige mit Nahrung und Kleidung. Und sie errichtete ein Hospital, auf dessen Fundamenten bis heute an der Adelheidisstraße ein Gebäude steht, das in Erinnerung daran den Namen "Hospitälchen" trägt. Da Kaiser Otto III. bereits kurz nach Gründung des Stifts dieses zum "Reichsstift" mit besonderen Privilegien erhoben hatte, wurde Adelheid auch weltliche Macht zuteil. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts spielte Vilich als Verwaltungssitz eine Rolle. So war der Ort bis 1896 Sitz des Bürgermeisters, das Stroofsche Haus an der Adelheidisstraße, rund 200 Meter von Sankt Peter entfernt, zeugt noch davon.

Adelheids wohl berühmteste Tat, deretwegen sie noch heute bekannt ist, war der Legende nach das Auffinden eines Brunnens, lateinisch puteus, während einer vermutlich über mehrere Jahre immer wiederkehrenden Dürre. "Selbst Rhein und Sieg sollen kaum noch Wasser geführt haben", erzählt der Vilicher Pfarrer Michael Dörr. Dieser "puteus" sprudelt noch heute in Pützchen, das seinen Namen der lateinischen Bezeichnung verdankt.

Nicht zuletzt dieses Wunders wegen pilgern Gläubige alljährlich im September zur Quelle und waschen mit dem Wasser ihre Augen, auch wenn die Großkirmes Pützchens Markt - entstanden aus dem mittelalterlichen Wallfahrtsmarkt - als weltliches Spektakel das religiöse sehr in den Schatten gestellt hat. Adelheid, um 970 geboren, hatte als Kind in Köln gelebt, wo sie im Kloster Sankt Ursula in Musik, Gesang, der Heiligen Schrift und allen damals bekannten Wissenschaften unterrichtet wurde, wie Hoschützky berichtet.

Die Vilicherin beschäftigt sich schon lange mit der Historie des Stifts, weil ihre Vorfahren dort Schultheißen und Kanoniker waren. "Da Adelheids einziger Bruder 977 im Böhmenfeldzug Otto II. starb, gründeten ihre Eltern 978 auf ihrem Besitz im heutigen Vilich ein Stift, an dem die Frauen zwar zu festen Gebetszeiten zusammenkamen, ansonsten aber mit ihrer Dienerschaft zunächst ein recht weltliches Leben führten", sagt Hoschützky.

Adelheid stand zwar von Anfang an der religiös orientierten Frauengemeinschaft vor, doch auch sie war zu Beginn noch den weltlichen Dingen zugetan: "Da sie die schönen Kleider liebte", wie Dörr aus der Heiligenvita zitiert, und daran glaubte, "dass Gott keine erzwungenen Opfer will", weigerte sie sich zunächst, den Wunsch ihrer Eltern zu erfüllen, aus dem Stift ein Benediktinerinnenkloster zu machen. Deren strenge Regeln lernte Adelheid erst mit etwa 30 nach dem Tod ihrer Mutter zu schätzen, die mit ihrem Mann in Vilich bestattet wurde. Sie wandelte das Stift in ein Kloster um.

Einziges greif- und sichtbares Relikt aus der Zeit Adelheids ist ein Stück Mauer am Westportal von Sankt Peter. Die Steine zeugen davon, wie groß die Kirche früher war: "Was darauf hindeutet, dass Adelheid auch nach ihrem Tod 1015 die Menschen anzog, nämlich als Pilger zu ihrem Grab", sagt Hoschützky.

Es heißt, der Zustrom der Wundergläubigen setzte ein, als ein Blinder auf Adelheids Grab fiel und wieder sehen konnte. Wie viele Gläubige so zeigen sich Hoschützky und Pfarrer Dörr auch heutzutage angetan von dieser gelehrten und mildtätigen Frau: "Sie ist eine faszinierende Frau, so wie sie sich damals zunächst ihren Eltern widersetzt hat, Ordensfrau zu werden, und ihren eigenen Lebensweg mit Gottes Hilfe suchen wollte und schließlich fand. Dann aber stand sie fest zu ihrer Verantwortung", sagt Dörr. "Adelheids Eltern wollten in Vilich Gott zu Ehren etwas stiften, was die Familie überlebte. Man sieht 1000 Jahre später, dass es ihnen gelungen ist."

Das Andenken an Adelheid:

Das Andenken an Adelheid wird in Beuel bis heute in vielfältiger Weise bewahrt: Da das Vilicher Stift auch eine Klosterschule unterhielt, hat man Bildungseinrichtungen nach ihr benannt, wie beispielsweise den Sankt-Adelheid-Kindergarten in Pützchen und den Sankt-Adelheidis-Kindergarten in Küdinghoven. In Vilich selbst gibt es die Adelheidis-Grundschule, in Pützchen nahe der Quelle, die Adelheid entdeckt haben soll, steht heute das Sankt-Adelheid-Gymnasium.

Das Stift selbst im historischen Ortskern von Vilich trägt noch immer den Namen der Heiligen und liegt an der Adelheidisstraße. Das Gebäude, das nach 1804 mal als Wohnhaus, mal als Franziskanerinnen-Hospital diente, gelangte 1908 in den Besitz des Ordens der Cellitinnen, der dort ein Waisen- und Altenheim, später auch ambulante Krankenpflege und einen Kindergarten betrieb. Nach dem Wiederaufbau des im Zweiten Weltkriegs zerstörten Gebäudes ist dort ein Seniorenhaus untergebracht, das heutzutage von der "Stiftung der Cellitinnen zur Hl. Maria" betrieben wird.

Das Andenken an Adelheid wird darüber hinaus nicht nur in Sankt Peter alljährlich beim Adelheidis-Fest (5. Februar) gepflegt, sondern auch in Pützchen, wo immer im September Pilger zur Quelle und zur Wallfahrtskirche Sankt Adelheid strömen. Zudem ist sie seit 2008 neben Cassius und Florentius Patronin der Stadt Bonn.

Frauenstift:

Ein Frauen- oder Damenstift war eine religiöse Lebensgemeinschaft für Frauen, die regelmäßig beteten und ehelos lebten, sich ansonsten aber nicht den strengen Regeln eines Klosters unterwarfen. Im Mittelalter lebten in einem solchen Stift in der Regel adlige Damen, die mit ihren Bediensteten ein nicht notwendigerweise entbehrungsreiches Leben führen mussten. Die Stiftsdamen konnten jederzeit die Gemeinschaft verlassen. Wesentlich strengeren Regeln unterwarfen sich Frauen in Klöstern. Die Nonnen verpflichteten sich auf Lebenszeit zu Armut und Enthaltsamkeit.

315 Jahre alter Grenzstein:

Ein besonderer Grenzstein ist seit kurzem im Bürgermeister-Stroof-Haus in Vilich ausgestellt: 1698 war der große Basaltstein als Grenzmarkierung des Stifts Vilich im Wald zwischen Birlinghoven und Rott eingesetzt worden. Vor etwa 30 Jahren wurde er dort von einem Grenzsteinsammler gefunden und in den eigenen Garten gestellt.

Horst Wolfgarten aus Oberholtorf hatte den Stein ausfindig gemacht, ihn restaurieren lassen und nun dem Denkmal- und Geschichtsverein Bonn rechtsrheinisch übergeben. Der in Sachen Heimatgeschichte bemühte Rentner ist mit dem Standort noch nicht zufrieden. "Schön wäre, wenn der Grenzstein in einem für die Öffentlichkeit zugänglichen Gang des Klosters eingesetzt würde." Schließlich ist der Stein ein ganz besonderes "Prachtstück" und zeigt neben der eingemeißelten Jahreszahl die Initialen SV für Stift Vilich und einen Bischofsstab.

Diesen Wunsch kann Wilhelm Becker, Vorsitzender vom Bürgerverein Vilich und Mitglied des Denkmalvereins, nachvollziehen. "Das muss der Verein entscheiden", sagte er auf GA-Anfrage.

Das Stroof-Haus, Adelheidisstraße 3, ist dienstags und freitags von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

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