Interview mit Dieter Eversheim Bonner Physiker: "Die Gefahr ist sehr gering"

Dieter Eversheim ist Privatdozent am Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn und forscht außerdem in Jülich und bei der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN in Genf. Mit dem Experten für Kern- und Elementarteilchenphysik sprach Johanna Heinz.

 Dieter Eversheim.

Dieter Eversheim.

Foto: Privat

Laut Atomkraftgegner wird durch Bonn per Zug regelmäßig radioaktives Material, Vorprodukte von Kernbrennstoffen, transportiert. Was sind das für Stoffe?
Dieter Eversheim: Zum einen gibt es Transporte, die Uranoxid geladen haben. Außerdem wird Uranhexafluorid transportiert, eine chemische Verbindung aus Uran und Fluor. Daraus werden die Brennelemente gemacht. Die Stoffe sind schwach radioaktiv.

Geht von den Transporten eine Gefahr für die Bevölkerung aus?
Eversheim: Die Gefahr durch die Radioaktivität ist sehr gering. Jeder Deutsche ist im Schnitt einer natürliche Radioaktivität von etwa 2,5 Millisievert im Jahr ausgesetzt. Das schwankt, je nachdem, wo ich bin, um ein Millisievert. Weltweit finden sich im Boden bis zu einer Tiefe von 33 Zentimetern im Schnitt anderthalb Tonnen Uran und ein vielfaches an Thorium, die beide radioaktive Strahler sind. Die natürliche Radioaktivität kommt außerdem als kosmische Strahlung aus dem Weltraum und als Radongase wiederum aus dem Boden. Dazu kommt der Besuch beim Röntgenarzt - bei einer CT-Untersuchung je nach Anlage und Umfang zwischen zehn und 100 Millisievert. Selbst für Menschen, die ganz nah am Bahngleis wohnen, liegt bei den Transporten die zusätzliche Belastung um viele Faktoren unter der natürlichen Schwankung.

Was, wenn ein Unfall passiert?
Eversheim: Die Radioaktivität ist beim Uranhexaflourid das kleinere Problem. Die chemische Giftigkeit wird auch international viel höher eingeschätzt. Es gilt natürlich für jeden Gefahrguttransport, dass die Aufenthalte in Wohngebieten so kurz wie möglich gehalten werden sollten. Natürlich gibt es Unfälle. Mir ist beim Transport auf der Landstraße oder mit dem Zug aber kein Fall bekannt, wo ein Behälter ernsthaft beschädigt wurde. Angst haben müsste man, wenn ein sehr heißes Feuer mehre Stunden auf die Behälter wirkt. Selbst in einem solchen Fall wäre das Problem der Radioaktivität aber kleiner anzusehen als das der Chemie.

Wenn das alles so unbedenklich ist, warum dann die Angst?
Eversheim: Die Angst generiert sich auch daraus, dass wir für Radioaktivität kein Organ haben, wir können sie nicht spüren, nicht riechen. Wovor wir Angst haben ist, dass wir Krebs bekommen - das heißt, eine beschädigte Zelle von unserem Körper nicht erkannt wird. Dabei ist die Radioaktivität ein Problem unter anderen, aber nicht das dominierende. Jedenfalls, wenn es im Rahmen der angesprochenen natürlichen Radioaktivität bleibt. Wenn ich natürlich einer sehr hohen Radioaktivität ausgesetzt bin, ist das etwas anderes.

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