Martha Suttarp Beuels erste Karnevalsprinzessin

BEUEL · Die Augen strahlen hellwach, der Verstand ist klar und ihre Erinnerungen erzählt sie, als wenn sich alles vorgestern ereignet hätte. Martha Suttarp ist 94 Jahre alt und hat einen wahrlich historischen Status: Sie ist die erste Karnevalsprinzessin von Beuel. 1939 regierte sie als erste Frau an der Seite eines Beueler Prinzen.

 Martha Suttarp blättert in ihrem Fotoalbum und erinnert sich gerne an ihre Regentschaft in Beuel zurück. Sie trägt ihr original Prinzessinnen-Schiffchen auf dem Kopf.

Martha Suttarp blättert in ihrem Fotoalbum und erinnert sich gerne an ihre Regentschaft in Beuel zurück. Sie trägt ihr original Prinzessinnen-Schiffchen auf dem Kopf.

Foto: Max Malsch

Kenner des Brauchtums werden sofort aufhorchen und sagen: Es existiert doch erst seit 1958 die Galionsfigur der Beueler Weiberfastnacht, die Wäscherprinzessin. Richtig, aber vor dem Zweiten Weltkrieg befand sich die Narrenwelt Beuels noch in der Findungsphase.

1936 gründete sich das Stadtsoldaten-Corps Rot-Blau. "Damit die Uniformierten auch als Schutztruppe einer Tollität fungieren konnten, regierte in den Folgejahren ein Prinz in Beuel", erzählt Suttarp. 1939 befand Maximilian Breuer, Ur-Vater des LiKüRa-Karnevals und zuvor Organisator des Beueler Narrenbrauchtums, dass auf Dauer ein Mann an der Spitze des Beueler Karnevals zu langweilig sei. Also musste ein Frau her, die an der Seite von Prinz Georg I. (Winter) ihren Liebreiz als Prinzessin in der Wagschale werfen sollte.

Breuer war seinerzeit regelmäßig Gast im Rhein-Café. Das Betreiber-Ehepaar hatte eine junge und hübsche Tochter namens Martha. Sie war 19 Jahre alt, mit Karneval war sie noch nicht oft in Kontakt gekommen. Das sollte sich ändern: Breuer fragte die junge Frau und konnte sie fürs Prinzessinnen-Amt gewinnen. Die Begeisterung der Eltern hielt sich anfänglich in Grenzen.

Was für Köln der Gürzenich, war für Beuel vor dem Krieg das "Rheingold" am Rheinufer. In dem festlich geschmückten Saal wurde Martha I. an der Seite von Georg I. proklamiert. Vom Charme der jungen Prinzessin begeistert war für die Beueler klar: Ab jetzt wollen wir nur noch Prinzenpaare.

Auch die Nationalsozialisten erkannten schnell die Bedeutung des Karnevals für die Massen. Machtsymbole wie das Hakenkreuz waren plötzlich zwischen Narrenorden und Corps-Standarten zu finden. "Im Verlauf der Session 1939 wurde uns immer klarer, dass ein Krieg wohl ausbrechen könnte. Bei den Sitzungen und Auftritten war das aber noch kein bestimmendes Thema", sagt Suttarp.

Das Sessionsmotto lautete 1939: "Mer donn, wat mer könne." Die Menschen seien damals noch größtenteils unbeschwert gewesen, man habe gefeiert und versucht, bei den Auftritten Freude unters Volk zu bringen. Der damalige Bürgermeister der Gemeinde Beuel, Gielow, schrieb nach Aschermittwoch der jungen Prinzessin einen Brief und dankte für die "gute und anerkennenswerte Abwicklung ihrer hohen Aufgaben als Prinzessin Karneval".

Nach Kriegsende spielte Karneval für Suttarp keine Rolle mehr. "Es gab zu viele Probleme, die den Alltag über Jahre bestimmt haben", erklärt die 94-Jährige in einem Gespräch mit dem GA. Sie habe die Entwicklung der Weiberfastnacht mit Interesse aus der zweiten Reihe verfolgt - und das gilt bis zum heutigen Tag. Eine Rückkehr auf die Narrenbühne stand nie zur Debatte. Einzige Ausnahme: 2004, anlässlich der Feierlichkeiten zum 180-jährigen Bestehen der Weiberfastnacht, hielt Suttarp eine Rede über die gute alte Zeit im Beueler Karneval.

Erinnerungsstücke an ihre Regentschaft besitzt Martha Suttarp nur noch wenige. Ihr Prinzessinnen-Schiffchen existiert noch, einige Fotos, außerdem ein einziger Orden. "Fast alle Gesellschaftsorden haben mir die Alliierten 1945 abgenommen, weil sie dachten, es würde sich um militärische Orden handeln", sagt Suttarp.

Und die Geschehnisse in der aktuellen Session? "Die verfolge ich täglich bei der Lektüre des General-Anzeigers. Das gehört für mich zum Beginn eines guten Tages", lächelt die Seniorin und verabschiedet sich mit "dreimol Beuel Alaaf".

Zur Person

Martha Suttarp wurde 1920 in Beuel geboren. 1947 hat sie den Zahnarzt Karl Suttarp geheiratet. Aus der Ehe stammen die Söhne Norbert und Ludger. Mit Letzterem wohnt sie zusammen im 1956 erbauten Haus in der Ringstraße.

Bis zu ihrem Sturz im Vorjahr hat sie nahezu täglich in ihrem Garten gearbeitet und Gemüse angebaut.

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