Tauchen mit Handicap Barrierefreiheit unter Wasser

BEUEL · Beim TSC Bonn/Rhein-Sieg tauchen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam. Möglich machen das speziell konfigurierte Ausrüstungen und ausgebildete Tauchlehrer.

 Benedikt Welz (links) bei einer Übung mit Tauchlehrer Horst Schulte im Sprungbecken des Beueler Ennertbads.

Benedikt Welz (links) bei einer Übung mit Tauchlehrer Horst Schulte im Sprungbecken des Beueler Ennertbads.

Foto: Leif Kubik

"Das Schönste ist das Gefühl der Schwerelosigkeit." Jeder, der in seiner Bewegungsfähigkeit in irgendeiner Weise eingeschränkt ist, wird diese Empfindung von Benedikt Welz nachvollziehen können. "Wenn ich tauche, lösen sich Verspannungen einfach auf."

Der 36-Jährige hat von seiner Geburt an eine rechtsseitige Hemiparese - das ist die unvollständige Lähmung einer Körperseite. Wenn er erst einmal seine Tauchausrüstung angelegt hat und ins Wasser eintaucht, ist er aber von anderen Tauchern kaum mehr zu unterscheiden.

"Da fühle ich mich überhaupt nicht mehr eingeschränkt, unter Wasser ist alles barrierefrei", sagt der Bürokaufmann, der beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) arbeitet, lachend.

Fast jeden Sonntagabend trainiert Welz im Ennertbad beziehungsweise im Winterhalbjahr in der Beueler Bütt. Eine Besonderheit ist seine speziell konfigurierte Ausrüstung; alle Bedienelemente sind einfach mit der linken Hand zu erreichen.

"Benedikt hat ein sogenanntes H-Brevet", erklärt Tauchlehrer Horst Schulte. "Das H steht für Handicap, aber Benedikt kann unter Wasser fast alles tun, was ein nicht behinderter Taucher auch kann."

Wobei der 53-Jährige die Begriffe "behindert" und "nicht behindert" eigentlich gar nicht hören mag: "Unter Wasser sind wir ja alle irgendwie eingeschränkt", erklärt er. "Da verschwimmen Begriffe wie Handicap oder Behinderung schnell.

Wichtig ist vor allem, den Menschen und seine persönlichen Fähigkeiten zu betrachten." Um die herum entwickeln Schulte und sein Team dann ein ganz individuelles Ausbildungsprogramm: "Es gibt ja nicht den Behinderten", ergänzt Ehefrau und Tauchlehrerin Antje Schäfer-Hendricks. "Bei Benedikt haben wir in der Ausbildung ganz andere Schwerpunkte gesetzt als bei anderen Tauchern mit Einschränkung."

Andere Schwerpunkte als zum Beispiel bei Tauchbuddy Georg Weinert: Schorsch, wie der 56-jährige Telekom-Techniker von seinen Clubfreunden genannt wird, leidet seit Jahren an Morbus Bechterew, einer rheumatischen Erkrankung, die mit der Versteifung von Gelenken einhergeht und bei ihm zu einer extrem gebeugten Körperhaltung geführt hat.

"Beim Anlegen des Anzugs brauch ich schon etwas Hilfe - die Besonderheiten unter Wasser kann ich aber weitestgehend mit der speziellen Konfiguration meiner Ausrüstung abfedern", erläutert er.

Das fängt bei dem maßgeschneiderten Neoprenanzug an, der perfekt an die gekrümmte Haltung Weinerts angepasst ist, und reicht bis zu einer speziellen Tauchmaske mit Ventil: "Ich kann mich ja nun einmal auch unter Wasser nicht strecken. Druckausgleich und das Ausblasen der Maske sind daher für mich schwierig."

Schulte und seine Frau haben mit drei weiteren Tauchlehrern des Clubs bereits vor sieben Jahren damit begonnen, das Tauchen auch für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen: "Den Anstoß gab die Anfrage eines Rollstuhlfahrers, ob er bei uns Tauchen lernen könne", sagen die beiden.

"Wir haben uns daraufhin schlaugemacht und sind auf Olaf Winkler und Dirk Wondrack gestoßen, die heute für den Behinderten-Tauchsportverband IDDA aktiv sind. Die beiden Tauchlehrer sitzen selbst im Rollstuhl und haben uns im Rahmen eines Seminars zum “Handicapped Instructor„, also zu Tauchlehrern für Wassersportler mit körperlicher Behinderung weitergebildet", erläutern Schäfer-Hendricks und Schulte. "Uns ist wichtig, dass unser Club für jeden offen ist - egal, ob er behindert ist oder nicht."

Beratungsgespräch wichtig

Der Tauchsport steht auch Menschen mit körperlicher Behinderung grundsätzlich offen - ob man im Einzelfall mit dem Sport beginnen kann, muss man bei einem ärztlichen Beratungsgespräch klären. Interessenten finden Infos auch unter www.tsc-bonn.de/handicap.htm oder bei www.i-d-d-a.com/

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