Ärger über Baumaßnahmen in Bonn-Beuel Anwohner der S13-Baustelle kritisieren zerstörte Natur

Vilich-Müldorf · Leid und Zuversicht begleiten die Anwohner rund um die S 13-Baustelle in Beuel. Während die einen den Blick nach vorn richten und die Vorteile der Baumaßnahme sehen, sind die anderen über den Baulärm und die Naturzerstörung bestürzt.

Es könnte lauter werden, informierte die Deutsche Bahn am vergangenen Wochenende nicht zum ersten Mal die Anwohner rund um den neu entstehenden Haltepunkt Bonn-Vilich, der die Stadtbahnlinie 66 mit der S13 verknüpfen und in knapp zehn Jahren Bonn-Oberkassel über Troisdorf mit dem Köln-Bonner Flughafen verbinden wird. Mit einer Großbaustelle, die bereits zu erheblichen Beeinträchtigungen für Mensch und Natur geführt hat und bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist, wird die bisherige Strecke um zwei zusätzliche Gleise erweitert.

Im Bereich von Vilich werden die neuen Gleise auf einer Länge von rund 600 Metern um bis zu zwei Meter abgesenkt, um dort eine Verbindung zur Stadtbahnlinie herstellen zu können. Schon seit dem Mai des vorigen Jahres wird der Verkehr der B 56 über eine Behelfsbrücke geführt, damit bis 2020 unmittelbar daneben eine neue Brücke für den Autoverkehr gebaut werden kann. Bis zu seiner Fertigstellung ein 500-Millionen-Euro-Projekt mit zwölfjähriger Bauzeit.

„Es ist eine Zumutung“, ist sich das Ehepaar Bonnat einig. Seit 51 Jahren wohnen die beiden am Siebenmorgenweg unmittelbar an der Stelle, wo der neue S 13-Haltepunkt entstehen wird. 49 Jahre hätten sie dort die grünste Straße gehabt, dann seien mit einem Kahlschlag rund 10.000 Quadratmeter Grünfläche und Baumbestand entlang des Gleiskörpers beseitigt worden, rechnet Rudi Bonnat vor und kann die Renaturierung des Vilicher Bachs als Ausgleich nur schwer akzeptieren. „Wir wussten ja schon seit 20 Jahren, was auf uns zukommen würde, aber so was konnte sich ja keiner vorstellen“, fügt seine Frau Waltraud hinzu. Für beide sind nicht nur der Lärm und die Erschütterungen durch Bohr- und Rammarbeiten unerträglich, sondern auch die Einengung und Einbahnstraßenregelung des Siebenmorgenwegs sowie der nicht enden wollende Dreck auf der Straße ein Thema. „Wir wissen nicht mehr, wo unsere drei zum Haus gehörenden Autos parken sollen. Und wenn wir nach Vilich wollen, müssen wir über Beuel fahren“, so Waltraud Bonnat.

Sie loben zwar die Angebote der Bahn, an den Lärmwochenenden in ein Hotel ziehen zu können, „aber wer will das schon?“, fragen sich die beiden. Schlimmer ist es nur, wenn von Wollen nicht die Rede sein kann: Wenige Häuser weiter betrauert die 87-jährige Agnes Hombach ihren gerade erst verstorbenen Mann. Für beide wäre es körperlich kaum machbar gewesen, ihr Haus zu verlassen. Unter Tränen berichtet sie, dass das Haus wackelt und die Türen klappern. Zu den Schmerzen ihres palliativ versorgten Mannes musste sie noch den Lärm und die Erschütterungen ertragen. Es gab kein Ausweichen für sie. Noch tragischer, berichtet ihre Schwiegertochter Grayna, sei der Ausfall des Telefons durch die Bauarbeiten gewesen. Vier Wochen lang habe sie bei der Telekom um Abhilfe gebeten. Selbst das Argument, dass ihre betagten Schwiegereltern im Notfall nicht mit einem Handy zurechtkämen, beschleunigte die Instandsetzung nicht. Erst gerade, drei Tage nach dem Tod von Herrn Hombach, sei ein Techniker gekommen und habe den Schaden in zwei Minuten repariert, so Hombach.

„Man muss sich arrangieren“, sagt Anwohner Joachim Jilski. Natürlich gebe es Momente, wo man auch das Angebot der Bahn gerne angenommen hätte, ins Hotel zu gehen, doch dann sei es auch schon wieder vorbei. Was ihn und seine Frau eher traurig stimmt, ist die Tatsache, dass mit dem Abholzen der Bäume vor der Haustür, die nicht nur den Blick ins Grüne möglich machten und die Gleise sowie die dahinterliegenden Industriebauten versteckten, vor allem die Vögel verschwunden seien. „Es gibt keine Vögel mehr“, hatten auch schon die Bonnats beklagt und wehmütig von dem Uhu erzählt, der sich bei ihnen genauso niedergelassen hatte wie Stare, Pirole und die vielen Meisen. „Auch wenn der Baufortschritt vielleicht etwas schneller gehen könnte“, sagt Anwohner Harald Koch, „werden wir immer rechtzeitig von der Bahn informiert, und die Bahn kümmert sich auch.“ Er sieht auf die Bohrtürme und erklärt gut informiert, dass jetzt der Kampfmittelräumdienst im Einsatz sei und er hoffe, dass sie nichts fänden, damit nicht alles in die Luft fliege.

Bauleiter Olaf Jähn von der Bahn hätte mit seiner Erklärung, dass lediglich Sonden in die Erde eingelassen würden, um damit das Erdreich weiträumig zu sondieren, und damit kaum eine Gefahr der Detonation bestehe, auch die Sorge von Koch ausräumen können. Doch Koch kann sich insgesamt mit den Umständen, die die Großbaustelle mit sich bringt, gut abfinden. Er hat sein Haus vor sieben Jahren im vollen Bewusstsein dessen gekauft, was auf ihn zukommt. „Und eines Tages“, sagt er, „wird ja auch alles sehr schön werden.“ Für die dann erstellten Schallschutzwände längs des Siebenmorgenwegs hat er der Bahn schon den Vorschlag unterbreitet, sie doch künstlerisch gestalten zu lassen, um „Schmierereien“ vorzubeugen.

Eine Idee, die auch bei Anwohnerin Anke Leischner aus der Gartenstraße Anklang findet, „falls eine Begrünung des Schallschutzes aus Platzgründen nicht möglich sein sollte.“ So wie sie finden sich viele Vilicher, die an der Baustelle leben, mit den Gegebenheiten ab. Vor allem diejenigen, die tagsüber das Haus verlassen können und erst abends wieder eintreffen, wenn auch die Baustelle zur Ruhe gekommen ist. Zum kommenden Wochenende werden die Gleise für den Zugverkehr wieder gesperrt sein und die Kampfmittelsondierungen sowie die Bohr- und Rammarbeiten fortgesetzt werden. Die nächsten Vollsperrungen, die mit erheblichen Belästigungen einhergehen, wird es am letzten Aprilwochenende sowie an allen Maiwochenenden und am ersten Samstag und Sonntag im Juni geben, bevor es dann erst wieder ab November zu Wochenendarbeiten kommt.

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