Plittersdorfer Geschichte(n) Auf den Spuren der Stasi

BAD GODESBERG · Einst war in Bad Godesberg die Dichte an Diplomaten, Politikern, Ministerialbeamten und Lobbyisten hoch. Die Stasi dürfte Interesse daran gehabt haben. Norbert Wolff, der seit drei Jahren in der Amerikanischen Siedlung in Plittersdorf wohnt, hat sich nun auf die Spuren der Stasi begeben.

 Den Einzug der US-Diplomaten zeigt das Foto.

Den Einzug der US-Diplomaten zeigt das Foto.

Foto: SAMMLUNG CHRISTOFFER GEIJER

Hätte Norbert Wolff seine Stelle im Bundesinnenministerium zwei Jahre früher angetreten, dann wäre ihm in Bonn möglicherweise Hans-Joachim Tiedge über den Weg gelaufen. Der Mitarbeiter des Bundesverfassungsschutzes hatte sich jedoch schon im August 1985 in einen Interzonenzug gesetzt, um in die DDR überzulaufen.

Agenten, Spione, Geheimdienste. Geschichten wie diese haben es Norbert Wolff angetan. Zu seinen "Lieblingsthemen" zählen die Aktivitäten des Staatssicherheitsdienstes der DDR in Westdeutschland, die in der früheren Bundeshauptstadt Bonn naturgemäß besonders intensiv waren.

Und weil Norbert Wolff seit drei Jahren in der Amerikanischen Siedlung in Plittersdorf wohnt, hat er sich nun vor seiner eigenen Haustür auf die Spuren der Stasi begeben. Um es vorweg zu nehmen: Mit der Recherche hat der 57-Jährige erst kürzlich begonnen, handfeste Ergebnisse oder gar Sensationen gibt es folglich - noch - nicht.

Wolffs Hoffnung auf packende Berichte scheint aber nicht unbegründet. Angesichts der Sammelwut, die die Stasi auf der Suche nach Informationen an den Tag legte, dürfte sie auch am Geschehen auf dem diplomatischen Parkett in Bonn Interesse gehabt haben. Und gerade in Bad Godesberg war die Dichte an Diplomaten, Politikern, Ministerialbeamten und Lobbyisten hoch.

Unweit der Amerikanischen Siedlung, in seiner Wohnung an der Ubierstraße, war im April 1974 der DDR-"Kanzlerspion" Günter Guillaume verhaftet worden. Ebenso legendär wie historisch belegt sind die Fälle, in denen sich Stasi-Mitarbeiter, sogenannte "Romeos" an Bonner Sekretärinnen heranmachten, um auf diese Weise an Informationen aus Chefetagen in Ministerien, Parteien, Bundestagsbüros oder Verbänden heranzukommen.

Und eine stattliche Anzahl scheinbar loyaler Mitarbeiter tauchte an den Tagen der Maueröffnung im November 1989 urplötzlich nicht mehr an seinem Arbeitsplatz auf, weil sein jahrelang geführtes Doppelleben zu einem einstürzenden Kartenhaus geworden war.

Nach den bislang eher unbekannten Anekdoten, Gedankenschnipseln und anderen Fundstücken sucht Norbert Wolff nun auf unterschiedlichem Wege. Einige vielversprechende Kontakte hat er bereits herstellen können. So ist er über das Internet mit einigen ehemaligen Schülern der amerikanischen Highschool verbunden. "Die schwärmen übrigens stets in höchsten Tönen von den Jahren in Bad Godesberg und erinnern sich begeistert daran", berichtet Wolff.

Jede Menge Anekdoten konnte ihm auch der ehemalige Manager des Amerikanischen Clubs erzählen. Bis weit in die Achtziger Jahre galt die Zugehörigkeit zum Amerikanischen Club - auch vielen Bonnern - als das Statussymbol schlechthin. Ein Ausdruck von Eitelkeit, der Spätgeborenen angesichts des aktuellen Zustands des verrottenden und beschmierten Betonquaders heute nur schwer nachvollziehbar sein dürfte.

Neben der Recherche auf Grundlage persönlicher Kontakte hat Norbert Wolff auch beim Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen eine Anfrage zum Amerikanischen Club gestellt. "Dort sind die Mitarbeiter jetzt mit der Suche beschäftigt. Ich harre der Dinge, die dann irgendwann aus Berlin kommen", sagt der 57-Jährige, der auf dem Gebiet des Publizierens auf eine gewisse Erfahrung zurückblickt.

Eine Reihe von Bildbänden über seine Heimatstadt Radevormwald stammen von ihm. Die Antworten der "Gauck-Behörde" sind für ihn nur ein Mosaikstein seiner "Plittersdorfer Stasi-Geschichte(n)". Parallel dazu sucht Wolff in anderen Archiven und Bibliotheken nach Informationen über die Siedlung, welche bislang in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt waren.

"Was ich bislang sicher weiß, ist dass auch CIA-Leute in der Siedlung gewohnt haben", sagt Wolff. Was er übrigens nicht nur aus geheimdienstlicher Sicht nachvollziehen kann. So schätzt er selbst die hohe Lebensqualität, die er zwischen Kennedyallee und Rheinufer vorfindet. "Das viele Grün, die Nähe zur Innenstadt und die nette Architektur. Kein Wunder", sagt er, "dass sich die Amerikaner hier wohl fühlten".

Wer Hinweise für Norbert Wolffs Recherche hat, kann sich unterTelefonnummer 0228/3505210, E-Mail: r.franz@ga.de melden.

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