Zeitzeugen Alice Salzborn: "Dann hörten wir die Bomben einschlagen"

Bad Godesberg · Die 87-jährige Alice Salzborn schilderte, wie sie als junges Mädchen den schlimmsten Bombenangriff auf Bonn am 18. Oktober 1944 erlebt hat.

 Heute 18 und damals 18: Jannick Tapken, Alice Salzborn und Bernd Hartwig (von links) auf der Themenwoche.

Heute 18 und damals 18: Jannick Tapken, Alice Salzborn und Bernd Hartwig (von links) auf der Themenwoche.

Foto: Ronald Friese

Ständigen Fliegeralarm sei man ja im Zweiten Weltkrieg gewohnt gewesen. "Dann hörten wir aber, wie wirklich Bomben einschlugen. Wir waren so hilflos." Rundherum ums Mikrofon hatte der 18-jährige Jannick Tapken für seine Themenwoche "Unter Hakenkreuz und Stahlhelm" eine Ausstellung aufgebaut. Martialisch grüßten Wehrmachtsuniformen neben dem KZ-Sträflingsanzug herüber. "Ich bin dann nur noch nach Hause gerannt. Im Hofgarten waren sogar die Platanen zerfetzt. Die Universität, eigentlich die ganze Altstadt brannte", berichtete die Zeitzeugin.

An diesem schwarzen Oktobertag war die Innenstadt durch britische Bomber in Schutt und Asche gelegt worden. Nach nur zehn Minuten Beschuss waren über 400 Menschen ums Leben gekommen. In Luftschutzräumen spielten sich Tragödien ab. All das schien Alice Salzborn noch einmal durch den Kopf zu schießen. "Eigentlich war ich nur froh, davongekommen zu sein." Der Auftritt der alten Dame war wohl einer der beeindruckendsten Momente dieser Woche, die der Abiturient nach mehrjähriger Recherche organisiert hatte. Annette Niefindt-Umlauff hatte ihm als Religionslehrerin zur Seite gestanden. Geschichte wurde so auch an Zeitzeugen greifbar.

"Meine Woche hatte eine großartige Resonanz", resümierte Jannick selbst. Er hat auch bekannte Gäste begrüßt: Botschafter a.D. Karl-Günther von Hase und Mitglieder der Familien der Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und Josef Wirmer. Wobei das Abendpublikum immer auch bei den Referenten nachhakte. "Haben Sie damals vom Morden in den KZs gewusst", löcherten Schülerinnen die alte Dame. Die Antwort kam zögerlich. "Wir wussten nicht, was sich da abspielte."

Besonders dem Referenten Bernd Hartwig, damals Offiziersanwärter aus einer "dem Regime positiv zugewandten Familie", fühlten Zuhörer auf den Zahn. Er berichtete von seiner "tollen Hitlerjungen-Zeit". "Haben Sie als 18-Jähriger denn nicht gemerkt, dass Sie in einem rassistischen Unrechtsstaat lebten?" Jannick Tapken hat mit der Woche eines auf jeden Fall erreicht: den direkten Disput zwischen 1945 blutjungen Zeitzeugen und den Nachgeborenen anzukurbeln, die versuchen mussten, sich in die damalige Zeit hineinzudenken.

Zeitzeugen gesucht

Für die Berichterstattung zum 70. Jahrestag des 18. Oktober 1944 sucht der GA Zeitzeugen. Bitte melden Sie sich in der Bonner Lokalredaktion unter dem Stichwort "Zeitzeugen", an 53100 Bonn oder per E-Mail an: bonn@ga.de

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