Wie im Urlaub Ein Tag am Rheinufer zwischen Plittersdorf und Mehlem

MEHLEM · Auf Rädern und Rollen unterschiedlichster Anzahl, mit Rudern, auf zwei oder auch vier Beinen, wahlweise gemächlich oder flott - die Art der Fortbewegungsmöglichkeiten an der Bad Godesberger Rheinpromenade scheinen schier unbegrenzt. Wer sich am Abend oder am frühen Morgen eine zusätzliche Tageszeit mit einem Schuss Urlaubsgefühl bescheren möchte, der ist gerade zwischen Mai und September auf der Strecke zwischen Plittersdorf und Mehlem richtig.

Beinfreiheit: Die Leute sind auf Rollen oder zu Fuß unterwegs.

Beinfreiheit: Die Leute sind auf Rollen oder zu Fuß unterwegs.

Foto: Ronald Friese

"Diese Ruhe, die schöne Natur und dazu das Plätschern des Rheines - in welcher Großstadt hat man das schon?", freut sich eine ältere Dame, die sich mit ihrer Schwester auf einer Bank unterhalb von Sankt Evergislus niedergelassen hat. In der Tat: Selbst an der prächtigen Außenalster in Hamburg gehört Verkehrslärm zur ständigen Kulisse.

Nicht so in der südlichen Rheinaue. Lernen, wo andere Urlaub machen, so könnte auch das Motto der Bonn International School lauten. Während hier am Nachmittag noch geschäftiges Treiben herrscht, ist unterhalb der benachbarten amerikanischen Offiziersvillen bereits mancher in tiefe Lektüre versunken. Neben gepflegten Parkbänken dienen Decken als Unterlage auf sorgsam gestutztem Rasen. Kastanien im satten Maigrün duften schwül nach Flieder, tuckernd schieben sich Kähne stromaufwärts. Und das Gerattere des Güterzugs in Oberkassel wirkt wie ein entfernter Gruß des entrückten Alltags.

Ein kühler Luftzug stört alle Poesie. Windschnittig hat ein Rennradfahrer an Tempo gewonnen und hält konsequent die Ideallinie. Eine kleine Erinnerung daran, dass die Rheinpromenade für viele Berufstätige vor allem eines ist: der schnellste und ampellose Weg zum Arbeitsplatz und zurück. Für Familien mit lebhaften Kleinkindern heißt das jedoch: aufpassen.

Im Rücken der Promenade mischen sich altehrwürdige Villen und weiße, würfelförmige Neubauten mit ihren Staffelgeschossen. Unterhaltungen darüber bestätigen, dass auch architektonische Schönheit im Auge des Betrachters liegt. Wie eine Mischung aus Trutzburg und Dornröschenschloss wirkt die Villa Cahn, von üppigem Bewuchs, Wasserfall und Mariengrotte umgeben. Blüte und Zerfall, von jener Doppelzüngigkeit des Lebens zeugt auch das bemooste Kriegerdenkmal, mit dem das Reserveinfanterieregiment 69 dort einst seiner Gefallenen des Ersten Weltkriegs gedacht hat.

Doch eigentlich ist der Rhein ja ein Synonym für Frohsinn. Eine Portion davon erhält man neben Pommes Frites und Kölsch beim Imbiss an der Fähre nach Niederdollendorf. Im wohl kleinsten Biergarten der Strecke mit seinen acht Sitzplätzen lässt sich der privilegierte Blick auf alle namhaften Gipfel des Siebengebirges ebenso genießen wie von der Bastei nebenan. Ein Bühnenbild, wie es zu Hauptstadtzeiten beispielsweise zuweilen gern für Sommerinterviews mit Spitzenpolitikern genutzt wurde.

Am Rheinhotel Dreesen, bis heute ebenfalls vom Hauch der Geschichte umweht, wird die Promenade schmaler und holpriger. Prominente Gäste sollen in den 30er Jahren die Anfahrt zum Hotel von der Fähre entlang des Rheins besonders genossen haben, weshalb die Strecke großzügig ausgebaut wurde. Geblieben sind bis heute die mannshohen Lettern mit dem Dreesen-Schriftzug auf der Spundmauer. Geradezu zwergenhaft wirkt da hingegen das friesisch anmutende pittoreske Bootshäuschen des Rudervereins Pädagogium, wo sich - wie auch nebenan bei Wassersportverein und Kanu Club - jetzt wieder die Ruderer tummeln.

Welch ein Gegensatz zum wohl größten privaten Garten am Rhein: der mehrere Fußballfelder große Rasen der früheren amerikanischen Residenz, der sich in eine Wildblumenwiese verwandelt hat. Geradezu ländlich wirkt die Szenerie auf dem schmaler werdenden Pfad im Mehlemer Süden, wo Camper die Assoziation zum Urlaub Wirklichkeit werden lassen.

In Holland und im Ruhrgebiet liegt ihre Heimat. Und jenem Ausspruch, mit dem sich Ernst-Moritz Arndt am Schaumburger Hof in Plittersdorf verewigte, haben auch sie nichts mehr hinzuzufügen: "Ich wüßte dieser Stelle am ganzen Rhein nichts zu vergleichen".

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