Kriminalität in Lannesdorf Gewalttäter auf dem Vormarsch

LANNESDORF · Allen Beteuerungen der Polizei zu ihrer Präsenz und Einbruchprävention zum Trotz: In Bad Godesberg wächst weiter die Wut über vermehrte Einbrüche und Überfälle. Besonders intensiv sind in jüngster Zeit die Hilferufe aus Lannesdorf.

 31 Sekunden benötigen die vier Täter bei ihrem Einbruch am 26. Oktober in Lannesdorf.

31 Sekunden benötigen die vier Täter bei ihrem Einbruch am 26. Oktober in Lannesdorf.

Als am Montagnachmittag mit einem Hubschrauber nach einem flüchtigen Tankstellenräuber gefahndet wurde, war dies nur der jüngste Vorfall in einer langen Serie von Straftaten, die in den vergangenen zwei Jahren verübt wurden.

Als am Montagnachmittag mit einem Hubschrauber nach einem flüchtigen Tankstellenräuber gefahndet wurde, war dies nur der jüngste Vorfall in einer langen Serie von Straftaten, die in den vergangenen zwei Jahren verübt wurden.

Ein Lied kann davon Johann Schell, Betreiber eines Radio- und Fernsehfachgeschäfts an der Drachenburgstraße, singen. Fünf Mal wurde sein Geschäft seit Februar 2011 von Einbrechern heimgesucht. Die waren zwar nicht jedes Mal erfolgreich und scheiterten mehrfach am Sicherheitsglas, hinterließen dann aber zumindest einen erheblichen Schaden.

So etwa am vergangenen Freitag: "Drei Jugendliche zertrümmerten mit einem Hammer das Schaufenster, kamen aber durch das Verbundglas nicht durch", schildert er das Geschehen, wie es von der Überwachungskamera aufgezeichnet wurde.

Erfolgreich waren Einbrecher hingegen am 26. Oktober gewesen: Gerade einmal 31 Sekunden benötigen die vier vermummten Jugendlichen für ihre Tat: Zunächst fliegt ein dicker Stein in das Schaufenster, einige beherzte Fußtritte bahnen den Weg, und nach einem kurzen unentschlossenen Gerangel, wer denn nun als erster zugreifen darf, haben auch schon vier Flachbildschirme den Laden verlassen.

"Während die Polizei vor dem Laden auf mich wartete, wurde sie zum nächsten Tatort, 500 Meter weiter, zum Einbruch in einer Spielothek gerufen", sagt Johann Schell. "Egal ob der Edeka-Markt, die Bäckerei, die Lotto-Annahmestelle, der Friseur oder beide Apotheken - alle mussten mehrfach dran glauben. Und Privatleute bleiben natürlich auch nicht verschont."

Dass sich die Lage in Lannesdorf in jüngster Zeit immer weiter verschärft hat, bestätigt die Polizei indes nicht: Ihren Zahlen zufolge hat es in Lannesdorf zwischen Januar und November 2011 19 Einbrüche in Geschäfte gegeben. Im gleichen Zeitraum 2012 waren es "weniger als die Hälfte". Nach GA-Informationen waren es acht.

[kein Linktext vorhanden]Schell ist überzeugt, dass es sich in vielen Fällen um Wiederholungstäter handelt: "Die Polizei nimmt die Personalien auf, und die Justiz tut nichts", sagt er resigniert. Ein Vorwurf, dem Oberstaatsanwalt Fred Apostel entgegentritt. Er verweist auf die hohen Hürden für eine Haft, die das Gesetz gerade bei Jugendlichen gesetzt habe.

Haftgründe seien Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr. Kann der Täter einen festen Wohnsitz vorweisen, und der Sachverhalt ist geklärt, werde er nicht inhaftiert. "Das ist für die Bevölkerung sicherlich unbefriedigend", so Apostel. Bei Wiederholungstätern gebe es andere Möglichkeiten. "Das ist aber nicht die Regel."

Dass es oft lange dauert, bis es zur Verhandlung kommt, hat vielfältige Gründe: schwierige Ermittlungen zum Beispiel, manchmal auch Arbeitsüberlastung. "Das kann aber kein Grund sein", betont Apostel. Gerade bei Jugendlichen sei wichtig, möglichst schnell zu verhandeln. "Dass das nicht immer klappt, ist bedauerlich."

Es gebe die Möglichkeit, einen Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren zu stellen. In anderen Ländern wie Berlin werde das häufiger gemacht, weil es dort auch spezielle Richter gebe. Dort dauere es manchmal nur einen Tag bis zur Verhandlung.

In Lannesdorf schockiert nicht nur die Häufung der Straftaten. Vor allem die Brutalität, mit der die Täter zuweilen vorgehen, war auch am Dienstag noch Thema im Ort. So müssen sich in der am Montag überfallenen Tankstelle dramatische Szenen abgespielt haben, bei denen dem Betreiber mit roher Gewalt schwerste Kopfverletzungen zugefügt wurden.

Anfang Juni wurde die Frau von Johann Schell zum Opfer, als am helllichten Tag das Schreibwarengeschäft überfallen wurde, in dem sie sich als Kundin aufhielt: Der Täter hielt ihr ein langes Brotmesser an die Kehle. Der Inhaber erlitt einen Schock und starb kurz darauf. Ein Nachfolger übernahm den Laden. Und schon an seinem ersten Wochenende wurde eingebrochen.

Die Chronik der Einbrüche:

  • 9. Februar 2011: Kurz nach 2 Uhr zertrümmern vier Unbekannte - vermutlich Jugendliche - das Schaufenster und nehmen Elektronikgeräte mit. Die Polizei hat bisher keine Täter ermittelt
  • 13. April 2011: Vier Jugendliche versuchen, die Tür des Geschäfts aufzuhebeln. Zeugen werden um 1.30 Uhr aufmerksam, sie beobachten die Täter, die Steine dabei haben. Die Polizei nimmt einen 21- und einen 22-Jährigen fest.
  • 18. Mai 2011: Vier junge Männer werfen Steine in das Schaufenster und stehlen Fernseher aus dem Laden. Die Tat ereignete sich um kurz nach 2 Uhr. Bisher konnten keine Täter ermittelt werden.
  • 26. Oktober 2012: Die Tat wird von der Überwachungskamera gefilmt (siehe Bericht). Zurzeit werden die Bilder ausgewertet. Um kurz vor 2 Uhr wird ein Einbruch aus einer Spielhalle in 500 Meter Entfernung gemeldet. Die Täter brechen die Automaten auf und nehmen Geldkassetten mit.
  • 23. November 2012: Um 0.15 Uhr schlagen drei junge Männer mit einem Hammer gegen das Schaufenster. Die Polizei kontrolliert in der Nähe einen 16- und einen 20-Jährigen. Die Beamten prüfen, ob ein Zusammenhang mit der Tat im Oktober besteht.

Polizei: Zahl der Einbrüche steigt:
Die Zahl der zur Anzeige gebrachten Wohnungseinbrüche hat sich in Lannesdorf seit 2010 rapide erhöht. Das bestätigt auch die Polizei: Von zehn im Jahr 2010 stieg sie 2011 auf 26 und soll im laufenden Jahr noch deutlich darüber liegen. In Wachtberg-Adendorf hat die Polizei 2010 drei, 2011 zwei und 2012 bislang vier Wohnungseinbrüche registriert. Anwohner berichten dem GA, dass in einer Straße am Waldrand allein in der vergangenen Woche drei Einbrüche verübt worden seien.

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