Circus Carl Busch in Bonn Ein Leben für den Applaus

BONN · Ein Leben zwischen Wohnwagen und Manege, Reisen und Applaus: Was treibt Menschen eigentlich an, mit einem Zirkus auf Achse zu gehen? Ein GA-Besuch im Circus Carl Busch, der auf der großen Wiese an der Ludwig-Erhard-Allee gastiert.

 Sängerin Alexandra Gerbey.

Sängerin Alexandra Gerbey.

Foto: Schabert

15 Jahre alt war Drahtseilartist José Muñoz, als er das erste Mal allein auftrat. "Mein Vater war mit dem Rad vom Hochseil gestürzt, hatte sich eine Rippe gebrochen. Er sagte zu mir: Gut, dann gehst du jetzt raus." Heute ist sein Repertoire so ausgefeilt, dass es ein weltweit einzigartiges Kunststück enthält: den Salto rückwärts durch einen selbst gehaltenen Ring. Auch im Guinness-Buch der Rekorde ist Muñoz vertreten.

"So was ist wichtig für Artisten", erklärt er. "Wir müssen auf uns aufmerksam machen. Deshalb stelle ich auch Filme ins Internet". Sein älterer Bruder Eric, beim Circus Carl Busch als Jongleur unter Vertrag, stupst ihn grinsend an: "Du lebst doch im Internet!" Die Männer entstammen derselben spanischen Zirkusfamilie, aber ihre Lebensläufe sind verschieden.

"Als Kind war ich acht Jahre fort, um zur Schule zu gehen", erzählt Eric Muñoz. "Nur die Sommer habe ich im Zirkus verbracht. So hatte ich mehr Abstand als mein Bruder, der in einer zirkuseigenen Schule war." Neben der Leidenschaft für die Manege hat Eric noch andere Interessen: "Ich büffele fürs Elektrotechnikstudium, morgens und nach der Vorstellung."

Alexandra Gerbey aus Kiew verbindet Seidentuchakrobatik in luftiger Höhe mit Sangeskunst. Erst seit fünf Jahren ist die ausgebildete Opernsängerin beim Zirkus, vorher trat sie in Konzertsälen auf. "Ich war mir immer ganz sicher: Zirkus ist nichts für mich." Dann teilte sie bei einem Varietéprogramm die Garderobe mit einer Akrobatin. "Sie sah meine Aufwärmübungen und sagte: Du gehörst unter die Zirkuskuppel. Und hat mich trainiert."

Inzwischen ist die grazile Ukrainerin glücklich über ihr doppeltes Talent. "Es ist schwierig, unter diesen Umständen Arien zu singen, aber auch ein Vorteil vor der Konkurrenz - niemand sonst kann das." Die Leichtigkeit, mit der sich Gerbey dem Publikum präsentiert, steht im Kontrast zu besorgten Gedanken. Jeden Tag gibt es neue schlechte Nachrichten aus der Ukraine. "Ich mache mir Sorgen um meinen Bruder. Weil es heißt, sie ziehen alle ein, ob sie Militärerfahrung haben oder nicht."

Vier Städte stehen noch auf dem Programm, im November laufen die Verträge aus. Die Sängerin und der Jongleur freuen sich auf ein paar freie Wochen, bevor sie Engagements in Spanien antreten. José Muñoz hat keine Pause, er wird in einem niederländischen Weihnachtszirkus übers Seil laufen.

"Aber das ist gut. Mir wird schnell langweilig, wenn ich nicht in der Manege bin." Tierlehrer Manuel Frank stimmt ihm zu. Vor allem seine Elefanten, Kamele und Ponys vermisst der wettergegerbte Deutsche, wenn er länger fort ist. Frank ist Zirkusmensch mit Leib und Seele, schon in der fünften Generation. Sogar auf die Welt gekommen ist er im Zirkuswagen. Als Sechsjähriger begann er die Dressurlaufbahn mit Hunden, Ziegen und Ponys.

"Wenn meine Eltern mich gesucht haben, war klar: der ist wieder im Heu bei den Kamelen." Die Zusammenarbeit mit den Vierbeinern erfülle ihn jeden Tag mit Freude. Und die Reaktionen des Publikums. "Das ist herrlich, wenn alle klatschen und trampeln", brummt er zufrieden, "Applaus ist das Brot des Künstlers."

Info

Letzte Vorstellungen: Samstag 15.30 und 20 Uhr, Sonntag 15 und 18.30 Uhr, Montag 15.30 Uhr

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