Bonner Köpfe Singen bringt mehr Selbstvertrauen

BONN · Monika Wiese gibt drei Töne vor, und schon stimmen alle aus voller Kehle ein. Auch wenn der Text eigentlich so gar nicht zur Lebensgeschichte eines jeden Einzelnen im Kreis passen will. "Beim Singen sind alle gleich", erklärt die Sozialpädagogin und Musiktherapeutin und konzentriert sich wieder auf ihr Notenblatt.

 Monika Wiese greift in die Tasten: Die 36-jährige Sozialpädagogin leitet seit einiger Zeit den Bonner Chor "Starke Stimmen".

Monika Wiese greift in die Tasten: Die 36-jährige Sozialpädagogin leitet seit einiger Zeit den Bonner Chor "Starke Stimmen".

Foto: Barbara Frommann

"Schön ist es auf der Welt zu sein. . . " klingt es leicht und beschwingt durch das Erdgeschoss im Prälat-Schleich-Haus direkt neben der City-Station an der Thomastraße. Besser als mit dem Schlagertext von Anita und Roy Black aus den 1970er Jahren könnte die Stimmung an diesem Vormittag nicht erklärt werden. Kaum angestimmt, zaubert das Lied ein Lächeln auf die Gesichter der "Starken Stimmen".

Doch nicht nur die Sänger dieses ganz besonderen Chores haben ihren Spaß. Auch Monika Wiese ist voller Enthusiasmus dabei. "Ich freue mich genauso auf den Dienstag wie die Sänger", lacht die 36-Jährige. Geboren in Solingen, landete sie nach Stationen in Freiburg und Köln vor fünf Jahren in Bonn. "Ich hatte gerade den Entschluss gefasst, mir eine neue berufliche Herausforderung zu suchen, da fiel mir dieses Angebot direkt in den Schoß", erinnert sich die Kessenicherin und lächelt über das ganze Gesicht. Zuvor von Diakoniepfarrerin Grit de Boers gegründet, brauchte der Chor eine neue Leiterin. Heute ist der Sozialpädagogin dieses Projekt besonders ans Herz gewachsen. Denn die "Starken Stimmen" verschaffen denen Gehör, die in ihrem Leben einmal aus dem Gleichgewicht geraten sind und jetzt meist nur noch leise Töne anschlagen. "Im Chor erfahren sie Gemeinschaft und Anerkennung. Das Singen gibt ihnen Selbstvertrauen und ein besseres Körpergefühl" erläutert die Therapeutin.

Dabei schafft sie es offenbar mühelos, genau die richtigen Töne zu treffen. Denn während sie den Chor mit nur zehn Stimmen übernommen hat, kommen heute stets mehr als 20 Sänger im Alter zwischen 30 und 70 Jahren zu den Proben. "Uns alle verbindet die Freude am gemeinsamen Singen", beschreibt Wiese die Gemeinsamkeit. Dabei kann sich die Chorleiterin absolut darauf verlassen, dass jeder regelmäßig und pünktlich zu den Proben kommt - vom Sopran bis zum Tenor. Und: "Während andere Chöre meist einen Überschuss an weiblichen Stimmen haben, singen bei uns genau so viele Männer wie Frauen mit." Dabei ist es Monika Wiese wichtig, stets die richtige Balance zu finden. Zwar wird der Chor mittlerweile schon für Auftritte gebucht, dennoch soll die Arbeit nicht zu leistungsorientiert sein. "Es muss vor allem Spaß machen", lautet ihr Motto.

Auch wenn viele ihr Leben mittlerweile wieder geordnet haben, auf die "Starken Stimmen" will offenbar niemand verzichten. Daran hat die Sozialpädagogin sicher einen großen Anteil. "Viele engagieren sich jetzt selbst ehrenamtlich und helfen anderen, die es nötig haben", beobachtet sie zufrieden. Und so ganz nebenbei hätten sich bereits einige feste Freundschaften gebildet. "Bei uns findet alles auf Augenhöhe statt." Neben den "Starken Stimmen" arbeitet Monika Wiese derzeit an einem weiteren Projekt. Auch damit wird sie Neuland betreten. Denn am Elisabethkrankenhaus will sie in der Geriatrie einen Chor für an Demenz erkrankte Patienten gründen. "Singen verbindet nicht nur Menschen, sondern durch das gemeinsame Erleben kommt man in Kontakt miteinander. Damit kann man selbst diejenigen wieder erreichen, die sich zurückgezogen haben", so die Sozialpädagogin. Neben diesen Projekten absolviert die 36-Jährige derzeit eine Weiterbildung zur Singleiterin.

Nicht nur als Therapie empfiehlt Monika Wiese das Singen. "Jeder singt doch gerne im Auto oder wenn er alleine ist. Trotzdem haben viele Scheu davor, in der Öffentlichkeit ihre Stimme zu erheben. Ich kann aber nur jedem empfehlen, es zu probieren und die Hemmschwelle zu überwinden", ermuntert sie. Zwar sei die eigene Stimme etwas ganz Persönliches und Individuelles, aber erst durch das Singen würde man zu sich selbst kommen. "Es gibt nur wenig, was uns so berührt wie die menschliche Stimme", meint sie.

Typisch bönnsch

Das sagt Monika Wiese über ihre Heimat:

  • An Bonn gefällt mir, dass die Stadt klein und überschaubar, gleichzeitig aber auch vielfältig und international ist.
  • An Bonn vermisse ich die Entscheidungsfreude der Politiker, wenn es um Bürgerbelange geht.
  • Mein Lieblingsplatz ist das Rheinufer. Und zwar immer dort, wo Möwen sind. Ich kann ihnen stundenlang zusehen.
  • Typisch bönnsch ist für mich die offene und freundliche Mentalität der Menschen.
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