Salafismus in Mehlem Muslimische Gruppe unterhält in ehemaligen Schnellrestaurant einen Gebetsraum

BAD GODESBERG · Die jüngsten Diskussionen über Aktivitäten von Salafisten in Deutschland haben nun auch Mehlem erreicht. Es sind die Räume eines früheren Pizzalieferanten an der Meckenheimer Straße, die sich die Salafisten offenbar als Domizil ausgesucht haben.

Aufmerksamkeit erregen entsprechende Meldungen im Internet: „Wir dürfen den Brüdern in Bonn und Umgebung die frohe Botschaft übermitteln, dass durch den Erfolg Allahs in Bonn-Mehlem eine Salafi-Moschee neu eröffnet hat. Die Moschee heißt: Al-Hudda-Moschee“, ist in mehreren einschlägigen Internetforen unter Angabe der Anschrift zu lesen, versehen mit dem Aufruf: „ Unterstützt eure Brüder dort durch eure Anwesenheit und Spenden“.

Angeboten wird nach Angaben einer Internetanzeige dort täglich Unterricht über die Lehre des Islam und den daraus abzuleitenden Verhaltensweisen. Zumindest die im Internet veröffentlichten Inhalte legen nahe, dass die Religionsauslegung in Mehlem in einer tendenziell fundamentalistischen Weise erfolgen soll. Liberalen Neuerungen im Islam jedenfalls, den „Ahlu l-Bidda“, wird unmissverständlich der Kampf angesagt. Parallel dazu kursieren im Internet Videofilme von „Informationsständen“ fundamentalistischer Muslime auf dem Bad Godesberger Theaterplatz.

In dem Ladenlokal an der Meckenheimer Straße war gestern Morgen kein Betrieb zu beobachten. Gleichwohl ist das Thema Stadtgespräch. Die Mehlemer, die alle ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, sind unterschiedlicher Meinung, was die Einrichtung der Salafi-Moschee angeht. „Grundsätzlich gilt die Meinungsfreiheit, aber man sollte sich das angucken“, sagte eine Mehlemerin. Wenn sich herausstelle, dass dort Gewalt gepredigt, Jugendliche fanatisiert werden oder man frauenfeindlich sei, sollte dagegen vorgegangen werden. „Natürlich mit demokratischen Mitteln.“

Er wisse zu wenig über die Salafisten, um sich ein Urteil erlauben zu können, meinte ein Anwohner. „Auf der einen Seite sind es gläubige Leute, auf der anderen wollen sie Gläubige dazugewinnen. Das ist ja auch in Ordnung, so lange es nicht fundamentalistisch oder aggressiv ist.“ „Wenn alles in geordneten Bahnen läuft, ist es mir egal. Jeder sollte seine Meinung kundtun dürfen“, sagte ein Anlieger.

Eine Mehlemerin ist da anderer Meinung: „Ich finde es nicht in Ordnung, dass sich die Salafisten mitten in Mehlem niederlassen. Ich bin nicht islamfeindlich, aber muss das denn sein?“ Sie habe beobachtet, dass in dem Gebäude an der Meckenheimer Straße in der letzten Zeit reger Betrieb herrschte. Was man gegen die Ansiedlung tun könne, wisse sie nicht. Aber: „Der Vermieter hätte gar nicht an die Salafisten vermieten dürfen.“

Auch viele Muslime stehen dem Thema kritisch gegenüber: „Ich warne jeden Muslim davor, in diese Moschee zu gehen“ , ist etwa im Internet zu der Gründung der Al-Hudda-Moschee zu lesen. „Wollen die Salafisten, die in Mönchengladbach scheiterten, sich nun in Bad Godesberg etablieren? Man kann nur hoffen, dass den Kindern und Jugendlichen aus Bad Godesberg das erspart bleibt und dort kein politisch extremistischer, gewaltbereiter, integrationsfeindlicher Salafisten-Hasskulturverein entsteht“, sagt ein Kommunalpolitiker. Aus Angst vor den Salafisten will er ungenannt bleiben.

Die Stadtverwaltung ist auf Veranlassung einzelner Kommunalpolitiker in Gestalt des Bauordnungsamtes tätig geworden: Man habe den Eigentümer der Immobilie schriftlich nach der geplanten Nutzung gefragt und warte nun auf Antwort, heißt es im Stadthaus. Weil ein Begegnungszentrum oder gar eine Moschee einer anderen Genehmigung bedürfe als ein Pizzaservice, könnte die Verwaltung hier mitunter einschreiten.

Zunächst aber sei die Faktenlage zu klären, bislang seien nur Gerüchte angekommen. Nur Gerüchte scheinen es nicht zu sein, wenn man mit der Polizei spricht. „Die Örtlichkeit ist uns bekannt. Wir haben sie und die Personen, die dort ein und aus gehen, fest im Blick“, sagt Harry Kolbe, Sprecher der Bonner Polizei.

Sollten die Beteiligten zum Beispiel zu Gewalt aufrufen, „werden wir sofort einschreiten“. Ob auch der Verfassungsschutz die Al-Hudda-Moschee im Blick hat, dazu gibt es keine Aussage aus dem Innenministerium. Nur soviel: „Wir haben die salafistische Szene in NRW und somit auch in Bonn im Blick.“

Die Al-Hudda-Moschee
Die Al-Hudda-Moschee befindet sich an der Meckenheimer Straße in den Räumen eines ehemaligen Pizzalieferanten. Nach Informationen des General-Anzeigers besteht die Salafi-Moschee in der Mitte von Mehlem seit ein bis zwei Monaten.

Zurzeit befinden sich die Räume wohl noch im Umbau, die Gemeinde im Aufbau. Die islamistische Gruppe wirbt auf einer eigenen Homepage für die Eröffnung der Moschee.

Salafismus
Der Salafismus ist nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ein Sammelbecken für gewaltbereite Islamisten und hat in Deutschland rund 2500 Anhänger. Salafisten vertreten einen rückwärtsgewandten Ur-Islam und lehnen jede theologische Modernisierung ab. Sie vertreten diskriminierende Positionen gegen Frauen und bestehen auf deren Vollverschleierung. Die terroristische Sauerland-Gruppe etwa stand unter salafistischem Einfluss.

Fast alle Islamisten aus Deutschland oder in Deutschland, die den Dschihad (Gotteskrieg) befürworten oder sich ihm angeschlossen haben, sind nach Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden mit dem Salafismus in Berührung gekommen. Salafisten wollen eine Gesellschaft nach Regeln der islamischen Rechtsordnung Scharia. Zu den bekanntesten Vertretern hierzulande gehört Pierre Vogel, ein deutscher Konvertit.

Der radikal-islamische Verein „Einladung zum Paradies“ hat sich in Mönchengladbach aber wieder aufgelöst. Solingen gilt als weiteres Zentrum der Salafisten. Von dort kommen die beiden Terrorverdächtigen, die in London vor Gericht landeten.

Die salafistische Propaganda richtet sich an junge Muslime in einer schwierigen Lebenssituation und an junge Nicht-Muslime mit dem Ziel, sie zur salafistischen Strömung des Islam zu bekehren.

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