Guerilla Dinner in Godesberg Hirschgulasch im rechten Licht

BAD GODESBERG · Beim Guerilla Dinner in Bad Godesberg dreht sich viel um Essen, aber auch um Kunst.

 Die Tischrunde: (links) Doris Kossack, Jörg Schnakenberg, Michèle Schütte, Frank Oehlmann, Andreas Lüderitz, Stephanie Malmendier und GA-Mitarbeiterin Katharina Weber. Erst lassen sie sich den Rotwein schmecken, dann kommt der erste Gang des Abendessens.

Die Tischrunde: (links) Doris Kossack, Jörg Schnakenberg, Michèle Schütte, Frank Oehlmann, Andreas Lüderitz, Stephanie Malmendier und GA-Mitarbeiterin Katharina Weber. Erst lassen sie sich den Rotwein schmecken, dann kommt der erste Gang des Abendessens.

Foto: Horst Müller

"Voll un' satt, wie schön is' dat", weiß der Rheinländer. Viel schöner ist es noch, wenn man nicht selbst kochen musste. Auch illustre Gesellschaft und angeregte Diskussionen verschönern das Mahl. Dazu als Aperitif eine Portion Kunst und schickes Design. Wo gibt es denn so was?

Wir befinden uns in der Dürenstraße 1, einem schmucken Altbau im Godesberger Villenviertel und dem Zuhause von "liebe glaube hoffnung", einer Agentur für Kommunikation und Design - Restaurant. Hier versammelt man sich gerade zu einem Guerilla Dinner. Mit einem Kleinkrieg hat das aber nichts zu tun.

Guerilla Dinner haben keine feste Definition. Und so interpretiert jeder Veranstalter eines solchen Abendessens das Konzept ein wenig anders. Es geht darum, teils fremden Menschen zu Hause ein Essen in Restaurantqualität für wenig Geld anzubieten. Oft werden die Orte und Termine nur durch Mundpropaganda verbreitet. An der Dürenstaße genießen die Gäste ein mehrgängiges Menü und haben Gelegenheit sich die Kunstausstellung im Haus anzuschauen.

Frank Oehlmann, Künstler mit Atelier in Brühl und Schöpfer der Ausstellung im Haus, ist schon vor Ort. Uns zu Füßen liegt ein schwarzer Briard mit dem klangvollen Namen "Dragonheart". Riesiger Hund, aber handzahm. "Darf ich Ihnen die Jacke abnehmen und etwas zu trinken anbieten?", fragt die bezaubernde Franziska Nebelin.

Mit einem Begrüßungssekt ausgestattet, machen sich die Gäste auf ins Treppenhaus, wo Oehlmanns Werke unter dem Titel "Licht und Materie" aufgebaut sind. Dazu gehören Leuchtinstallationen, gefertigt aus Energiesparlampen und Butterbrotpapier - "das ideale Material für Leuchtobjekte", so der Künstler.

Eine runde, gelbleuchtende Skulptur mit kurzen Ärmchen erinnert an etwas, das in den Tiefen der Meere umhertreiben könnte. In der nächsten Etage zieren in Blei gekratzte Gemälde die Wände. Weiter unten hängen ganz andere Motive - vom Fernseher abfotografiert, am PC nachbearbeitet und aufwendig übermalt. Fragen beantwortet der Künstler gern: "Nein, die Bleiverkratzungen sind nicht giftig."

Als Starter gibt es ein Tässchen Apfel-Meerrettich-Suppe auf die Hand. Das Gespräch dreht sich um die Kunstszene in Bad Godesberg. Insgesamt stecke noch viel ungenutztes Potenzial in der Stadt, meint zum Beispiel Andreas Lüderitz, der ehemalige Vorsitzende von Stadtmarketing Bad Godesberg, hier einer der Gäste.

Der Zwischengang besteht aus Semmel-Feta-Knödeln mit gebratenen Pilzen, stilvoll angerichtet mit Granatapfelkernen und Feldsalat mit Vinaigrette. Kunst ist immer noch das vorherrschende Thema: die Brühler Szene, die internationale Ausstellung "NordArt", der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi. Zur Hauptspeise, auf der Zunge zergehendes Hirschgulasch (alternativ Fischfilet) und ein Klecks Sellerie-Birnen-Püree, sind wir im Kino angekommen.

Die filmische Biografie des Malers William Turner, "Mr. Turner - Meister des Lichts", kann Stephanie Malmendier jedenfalls nur empfehlen. Genauso wie "Breaking Bad", die Serie über den Drogen-Koch Walter White. Nach der Käseplatte folgt der krönende Abschluss: ein unverschämt leckerer Apple Crumble mit Vanilleeis und dazu Espresso. Mit Willi Wittges-Stoelben und Inhaber Ingo Fischer gesellen sich die beiden Köche des Abends zu uns. Und bieten gleich noch die Tischdeko zum Kauf an: Kerzen mit integriertem Untersetzer, handgefertigt und aus einem Guss.

Beim Guerilla Dinner gefällt es Fischer, fremde Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen an einen Tisch zu bringen. Kunst und Design würden einen ungewöhnlichen, aber passenden Rahmen bilden. Bei den nächsten Dinnern am 14. Dezember und 11. Januar sind noch Plätze frei. Erste Eindrücke können vorher bei der Ausstellungseröffnung am Sonntag, 23. November, von 16 bis 19 Uhr gewonnen werden.

Nach mehr als drei Stunden neigt sich der Abend dem Ende zu. Alle wirken satt und zufrieden. Man lobt das gelungene Zusammenspiel von Essen, Wein und Design, die sympathischen Tischnachbarn und die ausgefallenen Räume. Obwohl sie schon oft da war, kommt Doris Kossack immer wieder gerne her. "Das ist jedes Mal ganz anders. Wie ein Blind Date."

Die Dinnertermine, zu denen Interessierte sich anmelden müssen, gibt es auf www.leib-und-seele.info

Der Ursprung der Guerilla Dinners

In Lateinamerika haben private Restaurants schon lange Tradition. In den "Paladar" genannten Familienrestaurants auf Kuba werden die Gäste im Wohnzimmer bedient. Nach der Wirtschaftskrise in Argentinien 2001 sicherten sich auch Köche in Buenos Aires ein Zubrot durch Guerillakochen.

Medienberichte sorgten dafür, dass geheime Gastronomie auch in den USA zum Trend wurde.

Die Idee: Amateurköche laden über soziale Netzwerke zu sich nach Hause ein und kochen dort für wildfremde Gäste, die sich per E-Mail anmelden und erst kurz vor dem Essen die Adresse des privaten Gastgebers bekommen.

Rechtlich sind Guerilla Dinners in Privathäusern eine Grauzone. Die Gäste folgen letztlich einer privaten Einladung, Konzessionen gibt es nicht.

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