3000 Schrauben sorgen für Stabilität Beim Sanierungsprojekt stehen jetzt Dämmung und Decken im Fokus

BAD GODESBERG · Wie bekommt man Altbauten aus Wilhelminischen Zeiten zukunftsweisend gedämmt, ohne dass sie dabei ihren architektonischen Ursprungscharakter verlieren? Antworten auf diese Frage bekommt man derzeit auf einer Baustelle an der Bonner Straße in Bad Godesberg.

 In diesem Raum kann man schon die Verstärkung der Decken mit dem System der Holzbalken sehen.

In diesem Raum kann man schon die Verstärkung der Decken mit dem System der Holzbalken sehen.

Foto: Axel Vogel

Hier treibt Bauherrin Naphawan Böttcher mit ihren Ingenieuren Marcus Krull und Markus Buderath ein ambitioniertes Sanierungsprojekt voran, das vor knapp zwei Jahren begann. Die Bad Godesbergerin will zwei, Anfang des 20. Jahrhunderts gebaute Wohnhäuser, die im Besitz ihrer Familie sind, so modernisieren, dass sie einem Passivhausstandard nahekommen. In einer losen Serie, berichtet der General-Anzeiger über das Modellvorhaben auf einer Immobilienseite. Die bei dem Projekt zentralen Dämmarbeiten der Fassaden und dem Dach, sind derzeit im vollen Gange. Ebenso geht es darum, die alten Decken des Hauses im Wortsinne tragfähig für die Zukunft zu machen.

SerieMit etwas Abstand von der Baustelle an der Bonner Straße lässt sich das neue Element gut hinter dem Gerüst erkennen: Die Handwerker haben an der gesamten Fassade der Altbauten ein Ständerwerk aus Holz aufgeschraubt. Das bildet sozusagen das Skelett für die Dämmung: "Auf das Ständerwerk wird in einem weiteren Schritt eine Holzweichfaserplatte montiert, die dann als Putzträger dient", erklärt Ingenieur Buderath.

So entsteht vor allem zwischen Fassade und Holzweichfaserplatte ein Hohlraum, in den später durch eigens in die Holzweichfaserplatte Löcher gefräst werden, in die Dämmmaterial aus Holzfasern eingeblasen wird. So entsteht eine insgesamt etwa 30 Zentimeter dicke Dämmschicht aus natürlichen Baustoffen, führt Fachmann Buderath aus. Die bringt aus seiner Sicht manche Vorteile mit sich. So sei das Ganze ökologisch und sehr atmungsaktiv. Gleichwohl muss Bauherrin Böttcher für diesen Dämmstoff auch mehr Geld ausgeben als etwa für künstliche Materialen.

Stichwort "Holzfaser": Die kommt auch bei Dämmen des Daches zum Einsatz, wo ähnlich verfahren wird, wie an der Fassade. Unter zwölf Zentimeter dicken Sandwichpaneelen in Zinkblechoptik, die statt Dachziegeln verbaut wurden.

Unter den 24 Zentimeter hohen Dachsparren bauen die Handwerker dann eine variable Dampfbremse ein. "Die Hohlräume zwischen Sandwichpaneele und Dampfbremse werden anschließend mit Holzfasern ausgeblasen", ergänzt Ingenieur Buderath. Ebenfalls auf dem Dach montiert sind bereits zwei Photovoltaikanlagen, die je 9,36 Kilowatt-Peak (kWp) leisten. Was auf dem Dach neben Teilen der Dämmung noch fehlt, sind acht Dachflächenfenster.

Das hat vor allem mit einem Dachdecker zu tun, der sich als unzuverlässig erwies, berichtete Naphawan Böttcher. Nachdem der Handwerker immer wieder Termine nicht eingehalten hatte, musste Böttcher ein neues Unternehmen beauftragen. Das übernimmt jetzt die restlichen Arbeiten, allerdings hat sich durch die Fertigstellung des Sanierungsprojektes erneut um einige Wochen verzögert. Der für Ende des Jahres anvisierte Fertigstellungstermin wird nicht zu halten sein. "Aber den Großteil der Arbeiten werden wir bis dahin geschafft haben", hofft die Bauherrin.

Lange fertig sein wird bis dahin die Ertüchtigung der Decken in dem Altbau. Die war aus zweierlei Gründen notwendig geworden. Zum einen sind die alten Holzdecken in die Jahre gekommen und müssen stabil genug sein, um den neuen Trockenestrich zu tragen, erklärt Ingenieur Markus Buderath. Zum anderen gilt es auch geltende Brand- und Schallschutzauflagen zu erfüllen und Schwingungen zu minimieren.

Um alle diesen Anforderungen genüge zu tun wird die alte Holzbalkendecke mit einem besonderen Verfahren verstärkt. Und zwar durch das Anbringen einer UHB-Decke. Dabei steht die Abkürzung für "Unterspannte Holzbalkendecke". Das derweil patentierte Verfahren, das vor allem in Altbauten zum Einsatz kommt, hatte im Jahr 2004 der Ingenieur Gerhard Berg aus Hildesheim entwickelt. Wie auf seiner Homepage nachzulesen ist, soll Bergs Verfahrensweise einfacher, kostengünstiger und wirkungsvoller sein, als herkömmliche Methoden. Und zwar "weil es ohne Öffnung der Decke nur von der Unterseite durchgeführt wird und alle maßgebenden technischen Eigenschaften verbessert".

In der Praxis sieht das Ganze so aus: Durch eine Unterspannung der geschlossenen Holzbalkendecke mit Holzbohlen kommt es "zu einer grundlegenden Verbesserung", so beschreibt es Berg auf seiner Homepage. Dabei sind aus Sicht von Ingenieur Buderath neben den Bohlen auch die Schrauben das Erfolgsgeheimnis. Mit denen werden die neuen mit den vorhandenen Bohlen verschraubt, erklärt er. So entsteht ein Verbund, der für eine deutlich höhere Stabilität sorge. Bis alle Decken nach dem Verfahren "unterspannt" sind, müssten die Handwerker allerdings noch einiges an Arbeit leisten: Markus Buderath geht von insgesamt rund 3000 Schrauben aus.

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