Literaturkritiker Denis Scheck kommt nach Bad Godesberg "Auch Franz Kafka schrieb Fantasy-Literatur"

Bad Godesberg · Der TV-Literaturkritiker Denis Scheck mit "Hobbit"-Synchronsprecher Andreas Fröhlich am kommenden Freitag, 14. November, in die Buchhandlung Bosch. Mit Scheck sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

 Gründete schon mit 13 Jahren eine literarische Agentur: Denis Scheck.

Gründete schon mit 13 Jahren eine literarische Agentur: Denis Scheck.

Foto: privat

Für die ARD loben oder zerpflücken Sie aktuelle Bestseller. Warum hat Tolkien einen festen Platz in Ihrem Herzen?
Denis Scheck: Weil man bei ihm entdecken kann, wie Literatur insgesamt funktioniert. Tolkien machte als Jugendlicher eine erstaunliche Erfahrung. Früh entwickelte der 1892 in Südafrika geborene Bankiers-Sohn ein Faible für erfundene Sprachen. Aber alle Versuche, seine ausgetüftelten Kunstsprachen zum Leben zu erwecken, verliefen im Sand. Sie blieben bloße Kopfgeburten, steriles Blabla, ohne Witz und Glanz.

Bis...
Scheck: ... ja, bis Tolkien auf die Idee verfiel, Geschichten in diesen Sprachen zu erzählen und Mythologien für ihre Sprecher zu erfinden. So entstand aus der Geburt von Tolkiens Elbensprachen namens Sindarin oder Quenya die Welt von Mittelerde. Diese für die Literatur des 20. Jahrhunderts beispiellose Entstehungsgeschichte eines ganzen literarischen Kosmos verrät viel vom Geheimnis der Literatur insgesamt - Sprache wird erst durch Erzählen lebendig, der Mensch ist das erzählende Tier.

Fantasy löst aber gerade bei der Literaturwissenschaft Naserümpfen aus...
Scheck: Bei mir löst eher die Literaturwissenschaft Naserümpfen aus. Schon diese Aufteilung in Genres wie Fantasy, Western, Science Fiction oder Krimi geht mir gegen den Strich. Seit den Tagen von Homer gibt es einen breiten Strom von Geschichten mit Drachen, Magie und Abenteuern, seit rund 200 Jahren ein schmales Rinnsal mit Erzählungen über gelangweilte Apothekerfrauen. Man sollte das nicht gegeneinander ausspielen. Auch Franz Kafka schrieb Fantasy-Literatur.

Ist die deutsche "Hobbit"-Fassung gelungen?
Scheck: Unbedingt. Darin besteht ja das Vergnügen an Andreas Fröhlichs Lesung - dass er eine grandiose Partitur zu klanglichem Leben erweckt. Er wird den nicht gerade sympathischen Tolkien-Helden Gollum geben. Der erfahrene Sprecher tut das mit einem so krächzenden Organ, das man Angst um seine Stimmbänder bekommt.

Und wie beurteilt der "Literaturkritiker aus Leidenschaft" die Synchronisation des Films?
Scheck: Das ist natürlich die Kunst des gefesselten Tanzens, denn das Deutsche ist nun mal etwa acht Prozent länger als das Englische, hinzu kommen die Tücken der Anpassung an die Lückenbewegung. Insofern schaue ich mir eigentlich englischsprachige Filme lieber im Original an. Aber für Andreas Fröhlich gehe ich gern ins Kino.

Dichtung lebt also auch vom Gehört-Werden. Was löst das Zischen und Quäken Gollums bei Ihnen aus, Herr Scheck?
Scheck: Läuft Ihnen etwa kein Schauder über den Rücken, wenn Sie Gollum "Mein Schatz!" rufen hören? Als Schwabe greife ich da unwillkürlich nach meinem Portemonnaie.

Zur Person

Denis Scheck wurde 1964 in Stuttgart geboren, kam angeblich er aus reiner Langeweile zum Lesen. Er studierte Literaturwissenschaft, übersetzte in den 1990er-Jahren aus dem Amerikanischen Kriminalromane von Ruth Rendell. Seit 1996 ist er Literaturredakteur beim Deutschlandfunk und moderiert seit 2003 die ARD-Büchersendung "druckfrisch".

Karten für die Lesung "Rund um den Hobbit" am Freitag, 14. November, ab 19.30 Uhr bei Bücher Bosch, Alte Bahnhofstraße 1-3, gibt es unter der Telefonnummer 0228/957150 oder nach E-Mail an info@buecher-bosch.de. Im Mittelpunkt steht: John R. Tolkien, Das große Hobbit-Buch.

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