Die Bad Godesberger Industriegeschichte Als es noch viel Handarbeit gab

BAD GODESBERG · "Es muss gestunken haben - und es gab viel Kinderarbeit" - diese Aussage von Horst Heidermann bezog sich zwar auf das Braunkohlen-Alaunerz- und Vitriolerz-Bergwerk in Friesdorf, allerdings galt das auch für zahlreiche Fabrikschlote und industrielle Produktionsstätten, die um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im verschlafenen Bad Godesberg in Betrieb waren oder gerade in Betrieb gingen.

 Die Fabrikation des Imperia-Werks, etwa 1930-1935, das Rennmotorräder herstellte.

Die Fabrikation des Imperia-Werks, etwa 1930-1935, das Rennmotorräder herstellte.

Foto: Sammlung Paul Haag

Und es demonstriert die Schattenseiten eines kleinen, aufstrebenden Badeortes, der sich gleichzeitig anschickte, immer mehr Gäste ob des guten Klimas an den Rhein zu locken. "Rund 80 Industriebetriebe gab es in Godesberg, drei der großen Unternehmen bestehen noch heute", berichtete der Volkswirt und Soziologe aus Muffendorf vor vollem Saal im Haus der Arbeitsgemeinschaft Bildung und Kultur (ABK) am Kurpark.

Zu den noch heute bestehenden Großunternehmen zählen die Ringsdorffwerke in Lannesdorf, seit 1992 SGL Carbon, und GKN Sintermetals in der Galileistraße 236, ein weiteres Nachfolgeunternehmen der Ringsdorff-Werke, das 1934 mit der so genannten Sinterfertigung startete, "das heißt Pressen und Erhitzen von Metallpulver bis zum “Sintern„, was eine präzise Herstellung kleinster Werkstücke erlaubt", wie Heidermann erläuterte. "Heute handelt es sich um ein florierendes Unternehmen, das Kleinelemente für die Autoindustrie, wie zum Beispiel Regensensoren, Innenspiegelhalterungen sowie Teile der Lenkradsäule und der Sitzverstellung produziert und rund 550 Mitarbeiter beschäftigt."

Ein weiteres Großunternehmen, angesiedelt im Godesberger Norden, ist die 1929 gegründete Boge & Sohn KG in der Friesdorfer Straße 181, die 1933 ein Patent auf Flüssigkeitsstoßdämpfer erwarb. "Mit der Stoßdämpfer-Idee machte die Firma das große Geschäft", so Heidermann. Vor 15 Jahren wurde allerdings auch die Produktion von Gummimetallteilen in die Slowakei ausgelagert. In Godesberg werden heute schwingungsdämpfende Fahrwerk-Lager bis zur Produktionsreife entwickelt.

In seinem Vortrag ging Heidermann noch auf viele weitere Unternehmen ein, zum Beispiel Betriebe, die mit der Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen zu tun hatten, wie bereits die angesprochenen Bergbauunternehmen, aber beispielsweise auch auf die Bauindustrie, die in Godesberg vor allem ein Name prägte: "Theodor Wilhelm Düren, der größte Baulöwe der Stadt", so Horst Heidermann.

Auch die Abteilung "Pharmazeutika und Süßwaren" durfte natürlich bei dem Vortrag nicht fehlen, älteren Godesbergern werden die Namen "Dolorgiet" (chemisch-pharmazeutische Präparate, 1984 nach Sankt Augustin verlegt) sowie "Kleutgen & Meier", die sich auf Lakritz- und Gummi-Bonbons spezialisiert hatten und ihre Firma 1958 an Haribo verkauften, noch in guter Erinnerung sein. In Godesberg wurde ab 1926 bei der Imperia Fahrzeugwerke GmbH außerdem Motorräder gebaut. Das Werk war auf Renn- und Sportmaschinen spezialisiert.

Buch über Godesberg

Grundlage für den Vortrag war Horst Heidermanns Buch über die "Entwicklung der Industrie in dem Badeort Godesberg", das im vergangenen Jahr erschienen ist. Insgesamt ging Heidermann in seinem Vortrag auf 60 Unternehmen ein, weitere 22 Kleinbetriebe wurden nicht behandelt. Ausführliches Material bietet das Buch, das für 14 Euro beim Heimatverein Bad Godesberg, Kurfürstenallee 2-3, erhältlich ist. Die Öffnungszeiten sind dienstags von 16 bis 18 Uhr.

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