Die Fantastischen Vier begeistern Fans in Kölnarena

Mit Orgel und Luftgitarre - Junge Talente in Tannenbusch

Kölnarena. Der eine ist für umweltfreundliche Autos (Smudo), der andere für Tierrechte (Thomas D) und alle zusammen sind gegen Neo-Nazis und Raubkopiererei. So viel potenziertes und laut kundgegebenes gutes Gewissen gerät schon mal in den Verdacht, "uncool" zu sein.

Dazu kommt noch das für Hip-Hop-Bands fast biblisch hohe Alter der Fantastischen Vier: Die Band feiert in diesem Jahr ihr 18-jähriges Bestehen und alle Mitglieder sind um die 40 Jahre alt. Dass man - im Gegensatz zu Bushido und Co. - vorbildlich engagiert, skandalfrei und dennoch in Sachen Lässigkeit Deutschlands Nummer Eins sein kann, bewiesen die Stuttgarter nun laut und ungestüm in der Kölnarena. Aufgeregte Teenager und ältere Fans der ersten Stunde (zum Teil mit Nachwuchs!) feierten gemeinsam den "old Stuttgart rap" und die Klassiker in spe des aktuellen "Fornika"-Albums.

Musikalisch zeigten sich die brandneuen Party-Kracher wie "Yeah Yeah Yeah" oder "Ernten was wir säen" eher schlicht gestrickt: Unwiderstehlichkeit garantierten die kreativ-kunstvollen textlichen Arrangements und Inhalte, die Smudo, Thomas D und Michi Beck mit- und nacheinander skandierten. Fünf Musiker groovten dazu souverän und druckvoll.

Die Stuttgarter waren in Topkondition, tanzten und hüpften ausgelassen über die Bühne, spielten ekstatische Luftgitarrensoli. "Sie ist weg" sangen die Fans auswendig gemeinsam mit Michi Beck. Als "neue Droge am Hip-Hop-Himmel" stellte Smudo eine kleine weiße Helium-Flasche vor, inhalierte mehrmals tief und bestritt "Pipis und Popos" als Micky-Maus-Sopran. Ein herrlich quäkendes "Viva Colonia" gab es obendrein.

Kölner Philharmonie. Benjamin Brittens "Sinfonia da Requiem" wurde wegen seiner düsteren Stimmung nicht zur 2600-Jahr-Feier des japanischen Königshauses uraufgeführt, sondern in New Yorks Carnegie Hall (1941). Von dem knapp halbstündigen Werk, in dessen Finalsatz drei Flöten schließlich doch Trost spenden, fühlt man sich gefesselt. Eine vergleichbare Inbrunst begegnet einem im "Te Deum" von Walter Braunfels.

Die neuerliche Aufführung in Köln (hier 1922 schon fand schon die Uraufführung statt) fand beim Publikum einen Zuspruch, welcher an eine neue Zukunft des Werkes glauben lassen könnte. Das Gürzenich-Orchester spielte "at its best", Markus Stenz gestaltete das Werk mit glühender Emphase und hielt den großen Apparat souverän zusammen. Zu ihm gehörten immerhin zwei leistungsfähige Chöre (Gürzenich, Chorwerk Ruhr). Von hohem Anspruch auch die Soli. Albert Bonnema bewältigte den Tenorpart, Christiane Libor drang mit der leuchtenden Höhe ihres Soprans angenehm ans Ohr.

Sankt Winfried. "Lübecker Lamentationen" war das letzte Konzert der Buxtehude-Trilogie in St. Winfried überschrieben, bei dem neben Dietrich Buxtehude noch ein weiterer berühmter Sohn der Hansestadt im Blickpunkt stand: Thomas Mann. In der Tradition der literarischen Gattung eines Totengesprächs stehend, bei dem verstorbene Geistesgrößen als Protagonisten einer Unterhaltung auftreten, hatte der spiritus rector der Reihe, Michael Gassmann, um Tod und Vergänglichkeit kreisende Texte Manns mit Orgelwerken Buxtehudes kombiniert.

Harald Redmer vom Endenicher fringe-Ensemble las Texte Manns aus den Buddenbrooks, aus Reden, Ansprachen und Sammlungen, etwa das bewegende "Lob der Vergänglichkeit". Ergänzend dazu spielte Christoph Hamm, Organist an der Poppelsdorfer Kirche St. Sebastian, Orgelwerke Buxtehudes, etwa kleinere Choralbearbeitungen wie "Mensch, willst du ewiglich", aber auch größere Werke wie die Ciacona in c, das Praeludium in a (Bux WV 152) und die Aria in (BuxWV 249).

Am Schluss des Konzertes stand der Zyklus "Fried- und Freudenreiche Himmelfahrt". Hamm begleitete die beiden Solisten Ulrike Steiner (Sopran) und Karl Robel (Bass) mit variantenreichen Registrierungen.

Brotfabrik. Ihre Perspektive ist stimmig: "Von draußen" frönen die vier Damen und drei Herren der Kölner Klezmer-Kapelle ihrer Leidenschaft und haben damit Name und Programm in einem: "fun drojssn".

Das 1998 gegründete Septett in der Besetzung Gesang (Eva Kreft), Violine (Christine Moos), Klarinette (Carola Jeschke), Saxofon (Burghard Corbach), Bass-Posaune (Holger Schroers), Akkordeon (Jürgen Ostmann) und Perkussion (Ulrike Kaempfert), erschließt sich das Repertoire der alten, vergangenen osteuropäischen Kapellen in eigenen, frischen Arrangements mit besonderem Augenmerk auf die Weiterentwicklung jener großartigen Musiktradition in anderen Kulturräumen.

Die befruchtenden Einflüsse der Neuen Welt, Swing und Charleston, das jazzige Moment, wie es sich auch in der ätherischen Klangfarbenmischung von Klarinette und Altsaxophon samt pointierter Perkussion niederschlägt, verleihen dem stilistischen Ausdruck von "fun drojssn" seine außergewöhnliche Lebendigkeit.

Kunstmuseum. Übervoll war das Auditorium im Bonner Kunstmuseum geworden beim letzten "Meisterkonzert Klassische Gitarre" in diesem Jahr: Es spielte der Argentinier Roberto Aussel.

Aussel hatte den ganzen ersten Teil seines Recitals dem 17., 18. und 19. Jahrhundert gewidmet, und er zeigte sich dabei - bei vier stimmungsvollen Tänzen aus Michael Praetorius' "Terpsichore", einer sehr schönen barocken Suite von Giovanni Zamboni, Adaptionen von fünf der so reizvollen einsätzigen Sonaten Scarlattis und der besonders bewegungsvirtuosen Grande Obertura op. 61 des Klassikers Mauro Giuliani - als ein überaus feinsinniger und klangdifferenzierter, klar und durchsichtig artikulierender Interpret.

Im zweiten Teil seines Programms war dann Moderneres angesagt, zunächst die Cinco piezas para guitarra von Astor Piazzolla, die dieser Roberto Aussel gewidmet hatte. Dass Aussel auch die zeitgenössische Musik sehr am Herzen liegt, bewies die Schluss-Pièce seines Programms, von José Luis Campana für ihn gefertigt und für Gitarre und CD konzipiert.

Waldorfschule. Mit Werken aus Vorklassik und Wiener Klassik widmete sich der Bonner Orchesterverein im Rahmen seines dritten Debütkonzerts einer kurzen Zeitspanne der deutschen Musikgeschichte. Einen beschwingten Einstieg bot Johann Christian Bachs Sinfonia g-Moll, Op. 6, Nr. 6. Hier trat die allmähliche Radikalisierung hin zum von Leidenschaft und Dissonanz geprägten musikalischen Sturm und Drang unter dem bemerkenswert dezenten wie präzisen Dirigat Burkard Petersons zu Tage.

Dass der junge Mozart während seiner Zeit in London einst in Johann Christian Bach eine Art väterliche Bezugsperson gefunden hatte, klang bei Mozarts 1. Flötenkonzert G-Dur (KV 313/KV 285c) an, obwohl es aufgrund Mozarts Missbilligung gegenüber der Flöte als Instrument nur als ungeliebte Auftragsarbeit entstanden war. Als junge Solistin an der Querflöte bereicherte Jana Cuske, Studentin an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf, dabei das Werk mit viel Mut zur individuellen Interpretation.

Die Beweggründe, welche zur Komposition von Beethovens 2. Sinfonie D-Dur, Op. 36 führten, waren zwiespältig. Wird die Wahl der Königstonart im Eingangssatz "Allegro con brio" noch mit einer reißerischen Schlusskadenz ausgekostet, so vergönnt Beethoven im Folgenden selbst dem Scherzo jegliche Unbeschwertheit. Die innere Zerrissenheit des Komponisten vergegenwärtigten Peterson mit straffer Hand und das Orchester durch klare Differenzierungen in Artikulation und Dynamik sehr plastisch. Dementsprechend kräftig erklang schließlich auch der Beifall aus den gut gefüllten Reihen der Aula der Freien Waldorfschule.

Stadtmuseum. Die eine möchte heiraten, doch ihr Liebster hat kein Geld. Ein anderer schwärmt schon seit langem für ein Mädchen aus seiner Nachbarschaft namens Sally. Kurzum: In schottischen Volksliedern geht es - verglichen mit dem deutschen Kunstlied - meist auch recht lebensnah und volkstümlich zu. Doch wäre es Ludwig van Beethoven gewiss nicht eingefallen, darüber die Nase zu rümpfen.

Im Gegenteil: Inspiriert von der Begeisterung seiner Zeitgenossen für die alten Mythen und Märchen und die neue Gattung der "Gothic Novel" hat er einige der alten Texte neu vertont. Gemeinsam mit Variationen zu "God Save The King" und zwei Haydn-Liedern nach Anne Hunter standen drei seiner schottischen Stücke auf dem Programm eines Konzertes mit Thomas Palm am Hammerklavier und Sopranistin Irmelin Sloman im Bonner Stadtmuseum.

So dass das Publikum zur Finissage der Ausstellung "Salomon, Romberg, Ries - Musikalische Bonner Englandbeziehungen" einen direkten und hörbaren Eindruck davon bekam, wie eng diese Beziehungen zeitweise tatsächlich waren. Beethoven selbst hatte der Philharmonic Society immer wieder versprochen, nach England zu kommen. Geworden ist daraus nie etwas. Der Popularität seiner Werke auf der Insel tat das allerdings keinen Abbruch.

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