Dorfkirmes in Friesdorf Oasen der Tradition

BAD GODESBERG · Friesdorf ist einer der letzten Orte, an denen seit über 100 Jahren eine Dorfkirmes stattfindet.

 Dorfkirmes mit Jung und Alt anno dazumal: Eindrücke von der Poppelsdorfer Kirmes aus dem Jahr 1931.

Dorfkirmes mit Jung und Alt anno dazumal: Eindrücke von der Poppelsdorfer Kirmes aus dem Jahr 1931.

Foto: Privat

"Wir sind hier eine der letzten Oasen", sagte Rolf Hünten gestern kurz vor dem Fassanstich der Friesdorfer Kirmes. Der Vorsitzende des Ortsausschusses hat recht. In Friesdorf ist noch fast alles beim Alten. Feuerwerk zum Auftakt, das ganze Wochenende Musik und Tanz im Festzelt und am Sonntag Frühschoppen sowie Gebet. Dazu Karussell, Autoscooter und Schießbuden. Doch diese klassische Kirmes-Atmosphäre findet man in den Bad Godesberger Ortsteilen immer seltener. Die geselligen Volksfeste, die sich über Generationen hinweg großer Beliebtheit erfreuten, sterben nach und nach aus.

"Ortsfeste stehen und fallen mit der lebendigen Existenz ihrer prägenden Figuren", sagt Michael Faber, Pressesprecher des Freilicht-Museums Kommern und Kirmes-Experte. Das sieht auch Peter Barth von der Beueler Traditions-Schaustellerfamilie so. Da die Kirmes vor allem von Vereinen getragen werde und diese seit Jahren einen massiven Mitgliederschwund erleben, sei die Dorfkirmes vom Aussterben bedroht. "Die ehrenamtlichen Vereine können das nicht mehr stemmen." Und die Schausteller sind oft nur noch auf größeren Volksfesten präsent.

Für Barth ist der Bedeutungsverlust der Dorffeste auch eine Generationen-Frage: "Die junge Ballermann-Generation schießt sich ab bis ins Koma. Von Geselligkeit wie bei einem Frühschoppen oder einer Kirmes kann hier nicht mehr die Rede sein." Hinzu kommen viele Freizeitalternativen sowie Vergnügungs- und Themenparks wie etwa das Phantasialand. Um sich dagegen zu behaupten, braucht es laut Faber neue Konzepte, die in zeitgemäßer Form Bräuche wieder aufleben lassen. In Bad Godesberg finden die früher beliebte Pfingstkirmes und die Michaelskirmes im November schon länger nicht mehr statt. Dafür wurde im April auf der Rigal'schen Wiese dieses Jahr zum dritten Mal eine Frühjahrskirmes mit verändertem Konzept auf die Beine gestellt.

In Mehlem gibt es seit einigen Jahren keine Kirmes mehr. Selbst der abgespeckten Version auf dem Dorfplatz blieben die Besucher weg. Ähnlich sieht es in Rüngsdorf aus, wo 2013 Feierabend war. Im selben Jahr kam es auf der bisher ebenfalls letzten Kirmes in Lannesdorf zu einem Eklat. Die Polizei beendete die Feierlichkeiten, die seit 30 Jahren im Festzelt stattfanden, wegen Lärmbelästigung. Dass ausgerechnet Beschwerden von Nachbarn, die sich von Musik belästigt fühlten, der 100 Jahre alten Kirmestradition ein abruptes Ende setzten, ist für die Macher enttäuschend. In Friesdorf hat man Glück mit den Anwohnern und lädt sie vorsichtshalber zum Nachbarschaftskaffee am Samstag ins Festzelt. "Das wäre unser Aus", weiß Organisator Hünten um die Gefahr. Welchen Bedeutungsverlust Kirmessen jedoch erleben, zeigt auch das Muffendorfer Beispiel. Die dortige Kirmes mit dem beliebten Schürreskarrenrennen fiel im November ersatzlos aus, weil just an dem Wochenende der Kölner Weihbischof Ansgar Puff den Gemeinden seine Aufwartung machte.

Geschichte und Zukunft der Kirmes

Der Ursprung der Kirmes liegt im Kirchweihfest/Patrozinium. Zunächst rein kirchlich geprägt, wurde es bald zur weltlichen Veranstaltung. Die Schausteller kamen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts im Zuge der Industrialisierung hinzu.

In Bonn gab es überall, wo Pfarrgemeinden sind, Kirmessen. Eine immense Bedeutung hatte im 20. Jahrhundert etwa die Poppelsdorfer Kirmes (siehe Foto oben), zu der Tausende von Besuchern aus ganz Bonn und dem Vorgebirge kamen.

In Friesdorf ist das Kirmes-Motto "mer halde zusammen" nicht zufällig gewählt. Es zeigt, dass die Kirmes nach über 100 Jahren auch hier nur Zukunft hat, wenn die örtlichen Vereine, Pfarrgemeinden sowie junge und alte Mitbürger anpacken und die Festtage gemeinsam über die Bühne bringen.

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