Aloisiuskolleg in Bad Godesberg Zwei Opfer fordern Schließung des Kollegs

BONN · Im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen an deutschen Schulen ist bundesweit erstmals Klage gegen eine Schulaufsichtsbehörde erhoben worden. Am Freitag reichte die Anwaltskanzlei Sehr & Baier im Namen von zwei Opfern des Aloisiuskollegs (Ako) beim Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Bezirksregierung auf Schließung des Kollegs wegen "Unzuverlässigkeit" ein.

"In den Einrichtungen" der Ako GmbH seien "in einem Zeitraum von mehr als sechs Jahrzehnten von geistlichen und weltlichen Mitarbeitern Verbrechen an Schutzbefohlenen verübt worden", so die Klageschrift. Sie verweist auf die erschreckenden Erkenntnisse der unabhängigen Aufklärungskommission. Da diese Verbrechen strafrechtlich nicht mehr zu ahnden seien, erklärte Rechtsbeistand Heinz Josef Sehr, fordere man, die Einrichtung im Sinne der Kläger und als präventive Maßnahme zu schließen, um andere Kinder zu schützen.

Einer der Kläger ist nach Sehrs Angaben in den 50er und 60er Jahren sexuell missbraucht worden, der andere in den 70er und 80er Jahren. Beide mutmaßlichen Täter leben nicht mehr. Eines der Opfer hatte den Entzug der Ersatzschulgenehmigung im August 2011 bei der Bezirksregierung Köln beantragt. Doch die Schulaufsicht lehnte das kürzlich ab.

In ihrem Bescheid argumentiert sie, der Wunsch nach einer Ahndung der Taten beim Ako sei nicht mit der Aufhebung der Schulschließung zu erreichen, "da weder die Leitung der Ersatzschule noch die Geschäftsführung des Schulträgers mehr von den damals Verantwortlichen wahrgenommen wird". Unzuverlässig sei nur, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür biete, dass er seine Schule in Zukunft ordnungsgemäß leite.

Auf die Frage, warum sie als Schulaufsicht nie etwas vom Missbrauch am Ako bemerkte, geht die Bezirksregierung nicht ein; darüber wird im Bonner Schulausschuss seit Monaten diskutiert. Die Bezirksregierung lobt in dem Bescheid den neuen Ako-Geschäftsführer Pater Johannes Siebner: Er habe ein neues Bewusstsein für die Missbrauchsthematik geschaffen.

Das läst Rechtsbeistand Sehr nicht gelten: Die Behörde laufe Gefahr, das in der Vergangenheit "strafbare Treiben" am Ako nachträglich zu billigen. Die Folgen, die der Missbrauch noch heute für seine Mandanten habe, seien verheerend. Deshalb hätten sie die von den Jesuiten als Schadensersatz gebotenen 5000 Euro abgelehnt. Der Wunsch nach angemessener Wiedergutmachung könnte auch Hintergrund der Schließungsklage sein. Deren Erfolgsaussichten halten zwei vom GA befragte Anwälte für Verwaltungsrecht für ungewiss. Sie bezweifeln - ähnlich wie die Bezirksregierung -, dass den Opfern in Sachen Schulschließung eine Klagebefugnis zustehe, weil sie keine Ako-Schüler mehr sind.

Einer der Kläger befinde sich seit Jahrzehnten in tiefer Depression, berichtete Sehr. Er habe sich nie einem anderen Menschen zuwenden können und Unsummen für Therapien bezahlt, zumal er jetzt erfahren habe, dass auch seine Brüder am Ako Opfer geworden seien. "Ein Bruder hat deshalb vor einiger Zeit den Freitod gewählt."

Ako-Rektor Siebner bestätigte, dass Hintergrund der Klage "konkrete Vorfälle" in der Vergangenheit seien. "Das macht mich nach wie vor betroffen und bedrückt mich." Er wisse, dass die Bezirksregierung den Antrag der Kläger intensiv untersucht habe: "Ich habe dazu für das Kolleg ausführlich Stellung genommen."

Ako-Präventionsprojekt

Im Herbst 2011 legte das Ako einen Präventionsleitfaden vor. Er führt Kinderrechte auf und arbeitet verbindliche Regeln zum Nähe-Distanz-Thema heraus, die sich seither in Selbstverpflichtungen, Arbeitsverträgen und Dienstanweisungen niederschlagen. Ein neues Interventionskonzept schreibt zudem Regeln zur Vorgehensweise bei Verdachtsfällen und Vorfällen von sexualisierter Gewalt fest. Dazu kommen verbindliche Fortbildungen, pädagogische Maßnahmen, ein Beschwerdemanagement sowie die Kooperation mit unabhängigen Beratungsstellen. Der GA berichtet in der Ausgabe am Mittwoch ausführlich darüber.

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