Godesberger Gegensätze Zu wenig Licht, zu viel Leerstand

Bad Godesberg · Viele Bürger fühlen sich am Aennchenplatz und in der Villichgasse unwohl. Grund dafür ist die Architektur des Areals, aber auch die laut Polizei „bestimmte Klientel“, die dort abends unterwegs ist.

Es sind die negativen Schlagzeilen, die das Bild von Aennchenplatz und Villichgasse bestimmen. Das Aennchen, das seit Monaten leersteht und dessen neuer Betreiber zwar bei der Stadt ein Konzept vorgelegt, aber die Öffentlichkeit nach wie vor nicht informiert hat. Die beiden Geschäftsleute – die Besitzer einer Bar und zweier Immobilienbüros an der Villichgasse –, deren Streit im August 2016 so eskalierte, dass sie mit einem Messer und einem Beil aufeinander losgegangen sind. Die anschließende Razzia, bei der Stadt und Polizei die Bar, die Immobilienbüros und den Supermarkt, an den diese angeschlossen sind, dicht gemacht hat.

Anschließende Bemühungen das angeknackste Image des Areals zu verbessern – die Versöhnung der Kontrahenten, die Aktion der Geschäftsleute, die beim Stadtfest weiße Rosen an die Passanten verteilt haben – waren ein Anfang, sind aber weitestgehend unbemerkt verpufft. Doch nicht nur die Ereignisse sind schuld daran, dass eine Erwähnung des Aennchenplatzes und der Villichgasse bei vielen Bad Godesbergern eher hochgezogene Augenbrauen denn ein freudiges Lächeln hervorruft. Die Optik des Bereichs wird von vielen Passanten kritisiert. Da wären zum einen die Vitrinen, die die Passage gegenüber dem Aennchen zum Platz hin abschotten. Aber auch die Anordnung der Ladenlokale und das Ambiente der Arcadia-Passage wirken wenig einladend, heißt es.

„Es ist nicht wirklich schön“, sagt eine 40-jährige Marokkanerin. Früher, Anfang der 90er Jahre, sei es besser gewesen. „Ich bin ohne Probleme nachts unterwegs gewesen. Tagsüber ist es immer noch okay, aber abends habe ich als Frau Angst. Man fühlt sich nicht mehr sicher.“ Das beziehe sich zwar auf ganz Bad Godesberg, Villichgasse und Aennchenplatz seien aber ein besonderer Angstraum. „Außerdem ist alles arabisch hier“, sagt die zweifache Mutter und meint die Geschäfte und deren Inhaber. „Das ist zu viel.“

Angst habe sie zwar nicht, sagt eine 16-jährige Schülerin aus Friesdorf. „Aber viel Zeit möchte ich hier nicht verbringen. Allerdings war das Areal noch nie ansprechend.“ Architektonisch zusammengewürfelt sei vor allem der Aennchenplatz, meint Werner Franke, der seit 1980 in Pech wohnt, aber häufig in Godesberg unterwegs ist. Schade sei, dass die Traditionsgaststätte nach wie vor geschlossen ist. „Es hat sich vieles verschlechtert“, sagt er und verweist auf die Schließung des Kurfürstenbades und den bevorstehenden Abriss der Markuskapelle.

Die Geschäftsleute an der Villichgasse sehen die Situation positiver. „Es ist alles wieder gut“, sagt der Inhaber eines Ladens, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er sei von 8 bis ungefähr 20 Uhr vor Ort, „es ist nichts Auffälliges mehr passiert“. Allerdings müsse sich baulich etwas ändern. „Schön ist es nicht.“ Die Razzia habe viel Unruhe gebracht, nun aber habe sich die Situation beruhigt, sagt ein anderer, der ebenfalls nicht genannt werden möchte. Es sei enttäuschend gewesen, dass die Läden geschlossen, kurze Zeit später aber wieder geöffnet worden seien. „Man hat den Ruf der Passage beschädigt, aber es hat keine Konsequenzen gegeben.“

In diesem Fall waren der Stadt die Hände gebunden. Auf Basis der Gewerbeordnung hatte sie die Geschäftsleute nach der gewalttätigen Auseinandersetzung im September für unzuverlässig erklärt. Sie dürfen für mindestens ein Jahr bundesweit kein Gewerbe anmelden. Mit neuen Betreibern können die Läden wieder eröffnet werden, da sich das Verbot auf die Person, nicht aber aufs Gewerbe bezieht.

Nach dem „Desaster unter dem Geschäftsleuten“ im vergangenen Jahr sei das Areal nun im Aufbruch, sagt Stadtmarketing-Chef Jürgen Bruder. „Es herrscht eine große Gastfreundschaft, Teeeinladungen sind keine Seltenheit.“ Die Auseinandersetzung sei ein Warnschuss gewesen, nun herrsche Frieden, so Bruder, der Mitte September die arabischstämmigen Unternehmer zu einem gemeinsamen Essen eingeladen hatte. Das Ergebnis: Einige Geschäftsleute von Aennchenplatz und Villichgasse sind ins Stadtmarketing eingetreten und wollen sich auch an Veranstaltungen beteiligen. So zum Beispiel am Streetfood- und Weinfest, das in diesem Jahr stattfinden soll. Auch baulich tue sich etwas: „Der Haupteigentümer der Arcadia-Passage plant, das Areal umzubauen, es soll offener gestaltet werden“, sagt Bruder.

Wenig Beleuchtung, die Vitrinen und die Milchglasfenster sorgten dafür, dass der Durchgang gegenüber dem Aennchen wie ein Tunnel wirke, erklärt Andreas Piastowski, Leiter der Polizeiinspektion 2, zu der Bad Godesberg gehört. Außerdem stünden dort einige Läden leer. „Es ist ein dunkles Loch“, ergänzt Hauptkommissar Stefan Scharfenstein. Hinzu komme herumliegender Müll wie weggeworfene Zigarettenschachteln. Das alles – und vor allem die Dunkelheit – sorge dafür, dass sich die Bürger unwohl fühlten und das Sicherheitsgefühl leide.

Im gesamten Bereich herrscht eine „Hinterhofatmosphäre“, beschreibt Scharfenstein. Soll heißen, dass es schlecht einsehbar ist. „Man weiß nicht, was sich hinter der nächsten Ecke befindet“, ergänzt Friedhelm Herholz, Leiter des Kommissariats Kriminalprävention. Abends bestimmen laut Scharfenstein Spielotheken, Wettbüros, Außengastronomie und die Shisha-Bar das Geschehen. Diese zögen zum Teil ein bestimmtes Klientel an, das man nicht alltäglich sehe, so Herholz. Die Folge: Passanten wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen und fühlen sich unwohl. Dabei sei es irrelevant, „ob es sich bei der Klientel um Migranten handelt oder nicht“.

Die Zahlen aus der polizeilichen Kriminalstatistik für diesen Bereich sind insgesamt positiv. 2016 verzeichnete die Polizei am Aennchenplatz acht Einsätze (2015: zehn), davon zwei Körperverletzungen, ein Diebstahl und fünf „Sonstige“. Dahinter verbergen sich meist Verkehrsdelikte. An der Villichgasse gab es im vergangenen Jahr acht Körperverletzungen, davon eine wechselseitig (2015: acht), sechs davon auf der Straße und in Lokalen, zweimal handelte es sich um häusliche Gewalt. Deutlich zugelegt wurde bei den Ladendiebstählen: Die Zahl stieg von sieben auf 78.

Insgesamt gab es an der Villichgasse 181 Einsätze, größtenteils wegen Verkehrsdelikten. Am Aennchenplatz waren es 64 Einsätze, in der Arcadia-Passage vier und im vorderen Abschnitt der Koblenzer Straße 303, die meisten davon Personen- und Fahrzeugüberprüfungen. Doch auch wenn es kaum Gewaltdelikte gebe, die Zahlen nicht bestätigten, dass sich Bürger in dem Areal unwohl fühlten, nehme man die Sorgen ernst, so Piastowski. Denn gegen die Angst müsse man etwas tun. So ist die Polizei gemeinsam mit dem Stadtordnungsdienst häufig dort unterwegs und zeigt Präsenz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort