Deutsches Museum Bonn Wie Bonn sich ein Museum spart

BONN · Das Deutsche Museum hat einen guten Ruf. Dennoch will die Verwaltung das Haus aus Kostengründen schließen.

Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine Stadt ein Museum schließen will. Überdies eines, das andere Städte gerne hätten. In Bonn steht dem Deutschen Museum dieses Schicksal bevor, wenn es in den kommenden Jahren nicht gelingt, jährlich rund 830.000 Euro aufzutreiben. Ungewöhnlich an diesem Vorschlag der Stadtverwaltung sind zwei weitere Punkte. Während bundesweit die Science Center und Wissenschafts-Museen boomen, will Bonn eine bestehende Einrichtung loswerden. Die Koalition aus CDU, Grünen und FDP stellt das Haus zur Disposition, obwohl sich das Bündnis die Themen Bildung, Jugend und Familie auf die Fahnen geschrieben hat - Kernkompetenzen des Deutschen Museums.

Bonn als Stadt der Wissenschaft?

Andrea Niehaus zuckt auf diese Frage mit den Achseln. Sie leitet die Außenstelle des weltweit renommierten Münchener Hauses und ist sich da offenbar nicht mehr so sicher. Seit 1995 gibt es das Museum auch am Rhein. Damals holte man es, um den Strukturwandel nach dem Abzug der Bundesregierung positiv zu gestalten. In einer Stadt mit profilierter naturwissenschaftlicher Forschung eine wichtige Ergänzung, denn das Museum schließt die Lücke zwischen akademischem Angebot und den Wünschen eines breiteren Publikums.

Vor allem Kinder und Jugendliche werden in Ausstellungen, Workshops oder Vorträgen an naturwissenschaftliche Bildung und Berufe in Labor und Forschung herangeführt. Das Museum schafft bisweilen, was Schulen nicht gelingt: die Faszination zu vermitteln, die in Mathe, Physik, Chemie oder Informatik steckt. 30.000 Menschen pro Jahr kommen an die Ahrstraße, zusätzlich rund 45.000 werden durch Veranstaltungen erreicht.

Die Gründung Anfang der 1990er Jahre förderte das Land NRW. Seit 2003 zahlt Bonn jährlich 700.000 Euro für den laufenden Betrieb mit drei Mitarbeitern und 130.000 für die Miete. Das sichert die Grundfinanzierung. Nur durch Projektmittel und eigene Einnahmen gelingt es, das Programm mit so wenig Personal auf die Beine zu stellen. 2018 soll Schluss sein.

Wie wird man trotz erfolgreicher Arbeit und viel Lob von allen Seiten zum Abwicklungsfall?

Offenbar hält man das Haus an der Ahrstraße für einen leichten Gegner, leichter jedenfalls als andere Einrichtungen in der Stadt, vermutet Niehaus. Die Lobby sei wohl schwach. Das Bonner Rathaus hat eine griffige Formel gefunden, um den Plan zu begründen: "Die Dauerausstellung ist nicht mehr zeitgemäß und bedarf einer mittelfristigen Überarbeitung", heißt es in einer Veröffentlichung im Internet. Zukunftssicherung sei nur mit erheblicher Erhöhung des Zuschusses und einer großen einmaligen Investition in die Ausstellung möglich." Die Stadt stützt sich nach eigenen Angaben auf eine Diskussion mit dem Deutschen Museum selbst. Andrea Niehaus weist diese Argumentation mit Nachdruck zurück. "Natürlich müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das Museum in Zukunft weiterentwickeln", sagt sie. Das geschehe fortlaufend und zuletzt 2013. Man verwechsle das Museum gerne mit einem Science Center, das eine regelmäßige Erneuerung seiner Exponate brauche. Der Vorwurf, ein teurer Sanierungsfall zu sein, sei falsch. Das Museum habe eine funktionierende Sammlung, mit der man arbeiten könne. Sie vermisst die Dialogbereitschaft der Stadt.

Der Chef der Münchener Museumsmutter, Generaldirektor Wolf-gang M. Heckl, ist gleicher Ansicht. Er appelliert an die Stadt, gemeinsam nach Wegen zu suchen. "Investieren Sie in Bildung, investieren Sie in Köpfe", sagt er in einer Stellungnahme. Die Stadt dürfe 20 Jahre erfolgreiche Arbeit nicht infrage stellen. Eigene Mittel sind aus München indes kaum zu erwarten. Das Deutsche Museum kümmert sich zwar um die Verwaltung des Bonner Hauses, berät und unterstützt bei der wissenschaftlichen Arbeit und in der Ausstellung. Doch Geld hat dort niemand übrig. Derzeit läuft eine Grundsanierung des Hauses auf der Isar-Insel. Die ist rund 600 Millionen Euro schwer und gilt in der öffentlichen Debatte als eher unterfinanziert. Das meiste Geld bringt die Staatsregierung auf. Überdies gibt es noch ganz andere politische Baustellen. Nürnberg etwa hätte gerne eine Außenstelle, wie sie Bonn jetzt schließen will.

Entscheiden muss am Ende die Kommunalpolitik. Die hat schon mit der Koalitionsvereinbarung klargemacht, dass sie etwas für die Bildung und Kinder, aber nicht für das Deutsche Museum übrighat. Die Schließung gilt als ausgemachte Sache. Darüber wolle man in den Haushaltsberatungen eigentlich nicht mehr sprechen, heißt es aus Koalitionskreisen. Die Grünen winden sich aber noch, weil sie den Widerspruch zwischen dem Programm und den Schließungsplänen wohl erkennen. Allerdings haben sie da noch das Frauenmuseum im Nacken, dem sich ihre eigenen Anhänger stärker verpflichtet fühlen.

Die CDU sucht nach einem Kompromiss und hat alternative Einsparungen im Museumsbereich ins Gespräch gebracht. Der Fraktion macht Sorgen, dass die drei Stellen im Museum zwar München zugeordnet sind, jedoch von der Stadt weiterbezahlt werden müssten, auch über 2018 hinaus. Die FDP prüft, wie viel Geld tatsächlich nötig wäre, um das Museum flott zu halten. "Spaß macht das alles nicht", stöhnt ein Kommunalpolitiker. Am Ende müsse die Sparleistung erbracht werden, und die Lobby des Museums im Rat ist nicht besonders stark, ein "bayerischer Fremdkörper" eben.

In der Wissenschaftsszene schaut man fassungslos auf Bonn. Als "vollkommen gegen den Trend" bezeichnet Achim Englert, Präsident des Vereins MINTaktiv, der Vereinigung der deutschsprachigen Science Center und Technikmuseen, die Bonner Debatte. Städte wie Lüdenscheid, Bremen, Wolfsburg oder Heilbronn investierten mit privater Hilfe Millionenbeträge in vergleichbare Einrichtungen. In Baden-Württemberg gelten außerschulische Bildungseinrichtungen für den naturwissenschaftlichen Bereich als relevanter Standortfaktor, weil sie dem Fachkräftemangel entgegenwirkten. "Was Bonn macht, ergibt keinen Sinn", sagt Englert. Das Zeichen aus der Bundesstadt hält er für überraschend rückwärtsgewandt.

Ein prominenter Fürsprecher geht mit Bonn viel härter ins Gericht. Ranga Yogeshwar ist dem Museum durch gemeinsame Projekte verbunden. "Ich habe noch die Sonntagsreden im Ohr", sagt der TV-Journalist, der in Hennef lebt. Immer wieder werde gesagt, welche Bedeutung Wissenschaft für Bonn habe. "Das ist doch alles hohl, wenn es nicht gelebt wird." Die Sparmaßnahme richte sich gegen die Innovationskraft der Region, gegen die Interessen vor allem jüngerer Menschen. Bonn stelle sich als Wissenschaftsstadt infrage und nutze seine Stärken nicht. Er fordert, das Museum aus seiner versteckten Lage an der Ahrstraße im Keller des Stiftungsrates an einen besseren Standort zu verlegen, damit es seine Arbeit besser präsentieren könne.

Und das Museum selbst?

Andrea Niehaus freut sich über Lob und Unterstützung. Sie ärgert sich aber über die wenig konstruktive Haltung der Stadtverwaltung. Natürlich habe man Verständnis für Sparmaßnahmen. Gleichwohl sei es merkwürdig, dass nicht gemeinsam nach Alternativen gesucht werde, die dem Museum das Weiterleben ermöglichten. Mit Hilfe der Wirtschaft, von Stiftungen oder aus der öffentlichen Projektförderung ließe sich Zeit gewinnen, bis es wieder genug Geld in der Kasse gebe. Wenn nichts geschieht, geht der Stadt in wenigen Monaten eines der fünf Museen der Museumsmeile verloren. Dafür hat dann Nürnberg vielleicht demnächst ein Deutsches Museum und in ein paar Jahren einen motivierten Forschernachwuchs für Mathe, Physik und Chemie.

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