Stadtwald in Bad Godesberg Wegepflicht stößt auf Unverständnis

SCHWEINHEIM · Im März 2013 wurde der Stadtwald im Zuge des „Landschaftsplans Kottenforst“ zum Naturschutzgebiet erklärt, seitdem dauert der Streit der Schweinheimer mit der Stadt Bonn um seinen Status an.

 Zur Forstwirtschaft werden schwere Maschinen wie der Harvester eingesetzt.

Zur Forstwirtschaft werden schwere Maschinen wie der Harvester eingesetzt.

Foto: Max Malsch

Um Flora und Fauna zu schützen, dürfen Spaziergänger dort nicht mehr abseits der offiziellen Wege laufen. Was die Schweinheimer dabei besonders aufregt: Forstwirtschaft und damit der Einsatz von tonnenschweren Maschinen sind nach wie vor erlaubt. Über die Vereinbarkeit von Naturschutz und Forstwirtschaft sprach der GA mit Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben.

Wohlleben arbeitet in der kleinen Eifelgemeinde Hümmel, mit deren Unterstützung er neue Wege in den Bereichen Forstwirtschaft und Naturschutz beschritt. Zur Frage, ob sich diese beiden Aspekte verbinden lassen, hat er eine klare Meinung: „Forstwirtschaft und Naturschutz passen überhaupt nicht zusammen“, sagte er im Interview.

Die Aussage der Stadt Bonn, dass Waldbau „als ein aktiver Teil beim Waldnaturschutz“ zu sehen sei, löste bei ihm ein trockenes Lachen aus. Indem man sage 'Bäume absägen ist Waldpflege', werde das Ganze „nett verpackt“, aber „im Endeffekt ist es, als würde ein Metzger behaupten, er trage etwas zum Tierschutz bei“. Das sei ein „Werbeslogan“, aber „hat mit der Realität nichts zu tun“, so Wohlleben.

„Natur ist ein Prozess, eine ständige Entwicklung. Natur ist Veränderung, niemals Stillstand“, fährt er fort. Forstwirtschaft sei aber das genaue Gegenteil: Wenn der Mensch in die Natur eingreife, störe dies die natürlichen Prozesse, was nie zu ihrem Schutz beitragen könne. Erntemaschinen verdichteten den Boden bis zu einer Tiefe von zwei Metern so sehr, dass er kein Wasser mehr speichern könne.

"Grundsätzlich stören Menschen im Wald nicht"

Laut Studien aus den USA verringere sich das Holzwachstum dadurch in und um deren Fahrbereich (rund zehn Meter Breite) um 20 bis 40 Prozent. Betriebswirtschaftlich mache der Einsatz von schweren Geräten deswegen eigentlich keinen Sinn, so Wohlleben.

Spaziergänger hingegen seien kein Problem: „Grundsätzlich stören Menschen im Wald nicht“, sagte der gebürtige Bonner. Solange Spaziergänger nicht wild durch das Unterholz jagten, könnten Tiere sie gut einschätzen und würden sie als harmlos einstufen. Damit stimmt er den Schweinheimer Beschwerdeführern zu: Nach der Logik der Stadt müssten zuerst die Erntemaschinen aus dem Wald verbannt werden, denn diese belästigten Flora und Fauna nämlich viel mehr.

Wohlleben zitierte Untersuchungen, die gezeigt hätten, dass selbst die Entnahme einzelner Bäume das Baum-Netzwerk beschädigten. In Anlehnung an das World Wide Web nennen Forscher dieses Netzwerk aus Pilz- und Wurzelgeflechten „Wood Wide Web“. Darüber leiteten Bäume Informationen und Nährstoffe weiter; ohne es seien sie deutlich krankheitsanfälliger. „Das Ökosystem ist so empfindlich, das verträgt keine Störungen.“ Als Förster ist er selbst Holzernter, betonte aber: „Im Naturschutzgebiet muss das nicht sein.“

Man habe mehr Holz von besserer Qualität

Hümmel ist eines der wenigen Forstreviere, das auf Holzvollernter verzichtet. Ein paar Maschinen gebe es noch, „aber die fahren nicht kreuz und quer durch den Wald“, sagte Wohlleben. Stattdessen kämen Waldarbeiter und Rückepferde zum Einsatz. Es werde weniger Holz auf einmal entnommen, dafür aber öfter.

Unterm Strich habe man mehr Holz und das von besserer Qualität. Laut Wohlleben schnitten alle Betriebe, die so arbeiteten, finanziell besser ab. „Das ist kein Zufall.“ Warum nicht alle Reviere diese ökologische Methode anwenden, konnte er nur mutmaßen: Wahrscheinlich kalkuliere man nicht bis zum Ende durch. „Wir verstehen nicht, warum man es anders macht.“

Wer mehr über das „Wood Wide Web“, über Gefühle, Gedächtnis und Familienbande von Bäumen erfahren will, kann darüber in Peter Wohllebens „Das geheime Leben der Bäume“ (2015, Ludwig-Verlag) nachlesen. Durch eine Mischung aus persönlichen Erfahrungen und aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen eröffnet er darin eine neue Perspektive auf den Wald.

Meistgelesen
Neueste Artikel
So kriminell ist Bad Godesberg
Kriminalstatistik der Polizei So kriminell ist Bad Godesberg
Zum Thema
Aus dem Ressort