Kaffeefahrten im Fokus Vier Senioren aus dem Rheinland engagieren sich gegen Betrüger

BAD GODESBERG/VILLIP · Für Herrmann Kipnowski (76), Rudolf Pieper (68) und die Brüder Kurt und Heinz-Peter Kirschbaum (67 und 69) sind Kaffeefahrten etwas Alltägliches. Fast pausenlos sind die vier Senioren unterwegs, um die Masche von betrügerischen Kaffeefahrten auffliegen zu lassen - mit Erfolg. Zuletzt zog es sie zu einer Verkaufsreise nach Wachtberg-Villip.

 Passionierte "Kaffeefahrtjäger": (von links) Kurt Kirschbaum, Rudolf Pieper, Heinz Peter Kirschbaum und Hermann Kipnowski am Mittwochmittag in Villip.

Passionierte "Kaffeefahrtjäger": (von links) Kurt Kirschbaum, Rudolf Pieper, Heinz Peter Kirschbaum und Hermann Kipnowski am Mittwochmittag in Villip.

Foto: Privat

Hermann Kipnowski aus Aachen hat, wie er stolz erzählt, bisher rund 68 Veranstaltungen "gesprengt". Dafür ist er in ganz Deutschland unterwegs. Auf seiner Visitenkarte beschreibt sich der rüstige Rentner selbst als "Ganoven-Jäger".

Der jüngste Einsatz liegt nur Stunden zurück: Als am Mittwochmittag im Ortskern von Wachtberg-Villip zwei Reisebusse aus Essen und Leverkusen rund 50 ältere Menschen vor einem Hotel absetzen, warten die Freunde bereits in einiger Entfernung. Und während sie den Kontakt zu Ordnungsamt, Polizei und Presse halten, hoffen die Teilnehmer der Reise, nun bald in den Genuss der kostenlosen "wunderschönen und hochwertigen Kuscheldecke" zu kommen, die ihnen vom Veranstalter, einer Firma mit Sitz in Molbergen, versprochen wurde.

Zunächst aber gibt es ein Frühstück. Neben der Busfahrt und einer schlichten Kaffeemaschine bleibt dies die einzige kostenfreie Leistung des Tages.

Eine aufblasbare Massageliege etwa wird den Senioren von den beiden Verkäufern zum Preis von 3400 Euro angeboten. Auch eine "Q 10"-Kur, bestehend aus 90 Flaschen, ist im Angebot, daneben liegen Wasserkocher, Hartschalenkoffer und einiges andere mehr, dessen Qualität nach objektiven Kriterien nicht bewertet werden kann. "So lange man neugierig ist, trotzt man dem Alter", heißt es auf einem Plakat im Saal.

Kaum hat die Veranstaltung ein wenig Fahrt aufgenommen, da ist sie auch schon unterbrochen. Das Ordnungsamt, möglicherweise motiviert von den "Ganoven-Jägern", zeigt Interesse an der Veranstaltung und schaut mit fünf Mitarbeitern vorbei. In einem Nebenraum werden die Personalien der Verkäufer aufgenommen, ansonsten geben sich alle Beteiligten nach außen hin zugeknöpft.

Auch am Nachmittag ist von der Wachtberger Gemeindeverwaltung nicht zu erfahren, welche Konsequenzen sich aus dem Einsatz ergeben. Und von der Verkaufsfirma schon einmal gar nicht. Laut Hermann Kipnowski ist sie kürzlich aus dem sauerländischen Attendorn "vertrieben" worden und hat deshalb eine Gewerbeniederlassung in Wachtberg-Villip angemeldet.

Tatsächlich, so bestätigen es Anwohner, sind dort zuletzt mehrfach Kaffeefahrten zu beobachten gewesen. Und auch jetzt schiebt angesichts der Ordnungsamtsvisite einer der Verkäufer eine Rollpalette voller Kartons davon und lässt sie hinter einem nahen Hoftor verschwinden. Scheinbar wurde hier ein Lager angemietet. Später geht die Veranstaltung weiter.

"Es gibt Leute, die wissen, dass sie beschissen werden, fahren aber trotzdem mit", erzählt "Kaffeefahrtjäger" Rudolf Pieper aus dem Siebengebirge. Einer von ihnen ist Heinz Brandt aus Leverkusen. "Ich fahre immer mit, um mir die Lügereien anzuhören, kaufen tue ich nichts", sagt der 77-Jährige, der 41 Jahre lang bei Bayer arbeitete. "Wissen Sie, als älterer Mensch ist es schön, noch einmal unter Leute zu kommen", gibt er zu. Außerdem gibt es meistens noch ein kleines Frühstück, vielleicht sogar ein Mittagessen.

Lohnenswert ist das Geschäft dem Vernehmen nach für die Veranstalter: Für ein Team aus drei Mitarbeitern sollen wöchentliche Einnahmen von 20.000 Euro keine Seltenheit sein, berichtet Rudolf Pieper. Die Verbraucherzentralen im Land lassen solche Umsatzerfolge ungerührt: Sie warnen unisono vor Kaffeefahrten und geben Tipps, wie dort getätigte Geschäfte per Widerrufsrecht rückgängig gemacht werden können.

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