Ex-Schüler des Ako Thomas de Maizière äußert sich zu Missbrauchsfällen

Bad Godesberg · Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat erstmals Auskunft zu seiner Schulzeit am Aloisiuskolleg (Ako) gegeben. In seinem als Interviewband mit Stefan Braun, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, verfassten Buch "Damit der Staat dem Menschen dient" gewährt der Ako-Absolvent von 1972 im Wahljahr nicht nur außergewöhnlich tiefe Einblicke ins Innenleben der Politik.

Der 59-Jährige lässt sich im Gegensatz zu fast allen sonstigen prominenten Ako-Ehemaligen auch zum Missbrauchsskandal interviewen. Die Fragen zu de Maizières Zeit am Ako nehmen einen Großteil im Jugendkapitel des geborenen Bonners ein. Mit 16 Klassenbucheinträgen wegen diverser Streiche war de Maizière, der sich als "relativ faulen Schüler" beschreibt, vom Nicolaus-Cusanus-Gymnasium ans Ako geschickt worden.

Aus Sicht der Eltern sei das Jesuitenkolleg, zudem nah am Elternhaus auf dem Heiderhof gelegen, "die beste Schule" gewesen. Dort sei er "aus der frechen Phase rausgewachsen", berichtet der CDU-Politiker. "Gute Lehrer", auch die "strengen klaren Patres" hätten ihn den "Sinn für Qualität" gelehrt, den bewussten Umgang mit Sprache, das politische Debattieren, ja auch den rheinisch lässigen Umgang mit dem Glauben. "Dort wurde gnadenlos offengelegt, wer und was gut ist und wer nicht und warum".

"Der kleine General", wie das Umfeld seines Vaters, des damaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, Ulrich de Maizière, den Jungen nannte, fühlte sich pudelwohl. Das Ako habe er als elitäre Schule im positiven Sinne empfunden, die "einen hohen Anspruch hatte". Nur, dass damals keine Mädchen an der Schule waren, habe er bedauert.

Ob es auch schlechte Patres gegeben habe, fragt Journalist Braun nach. "Na klar", antwortet de Maizière. Und berichtet, dass alle den Pater seiner Ako-Jahre, der später des vielfachen Missbrauchs beschuldigt wurde, aus pädagogischen Gründen "immer schon abgelehnt" hätten. De Maizière spricht über den Internats- und nachmaligen Schulleiter Pater Ludger Stüper, gegen den 2010 bis zu seinem Tod im Juli desselben Jahres ermittelt wurde.

Stüper habe Schüler die eigenen Eltern bespitzeln und ihnen als Strafaktion die Haare raspelkurz schneiden lassen, "damit man sie auf dem Schulhof erkennen konnte." Das sei "unerhört" gewesen. Aber habe er denn keine strafbaren Grenzüberschreitungen gesehen?, fragt Braun nach. Nein, antwortet der Verteidigungsminister.

"Ich hatte als Externer auch keine engen Freunde aus dem Internat." Dieser "ziemlich abgeschlossene Bereich" sei "eine andere Welt" gewesen. Wie im GA berichtet, stammten die Opfer Stüpers entgegen de Maizières Einschätzung jedoch nicht nur aus dem Internatsbereich des Kollegs. Es liegen auch Fälle externer Schüler vor.

Als "ungeheuerlich" kritisiert der Minister, wenn pädagogische Abhängigkeit zwischen Lehrern und Schülern in Missbrauch münde. Andererseits verstehe er nicht, "dass so etwas über Jahrzehnte geht, ohne dass einer es an die Öffentlichkeit bringt und daraus einen Skandal macht".

Er könne sich die Scham und Scheu der Betroffenen sogar innerhalb von Familie und Freundeskreis vorstellen, finde den Prozess aber trotzdem "unverständlich". Er wolle die Opfer nicht verletzen, aber "diese Spirale des Schweigens" sei ihm ein Rätsel. Der Journalist hakt nach. De Maizière sagt, er habe 2010, als auch das Ako ins Spiel kam, "zunächst natürlich gedacht, dass das nicht wahr sein kann". Als dann der beschriebene Pater, also der langjährige Internats- und Schulleiter Stüper, in den Fokus geriet, "da habe ich mir dann gedacht: Das passt eigentlich ins Bild".

Thomas de Maizière, Stefan Braun, "Damit der Staat den Menschen dient", Siedler Verlag 2013, 22,99 Euro

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