Kammerspiele Bad Godesberg Schüler erinnern bei Gedenkstunde an NS-Opfer

BAD GODESBERG · Das Grauen kommt oft namenlos daher. Am Montagnachmittag haben Schüler der Otto-Kühne-Schule es geschafft, an alle Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern und zugleich den Bonner Familien Kahn, Frenkel, Mamlock und Bucki ein Gesicht zu geben, die im Juli 1942 in Richtung Vernichtungslager Maly Trostenez nahe Minsk deportiert wurden.

 Felix Lohmann (Cello) und Simon Donat (Flügel) spielen "Kol Nidrei" von Max Bruch. Der Komponist, selbst Protestant, war tief berührt von der Schönheit jüdischer Melodien.

Felix Lohmann (Cello) und Simon Donat (Flügel) spielen "Kol Nidrei" von Max Bruch. Der Komponist, selbst Protestant, war tief berührt von der Schönheit jüdischer Melodien.

Foto: Ronald Friese

Bei der Gedenkstunde am Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz in den Bad Godesberger Kammerspielen setzten sie außerdem auf die Sprache der Musik.

Ruth, Eva und Lilly Mamlock konnten nach Amerika fliehen. Ihre Mutter Bertha Mamlock hat den "geliebten, teuren Kindern" 1942 einen Abschiedsbrief aus dem Kloster Zur Ewigen Anbetung in Endenich geschrieben, das die Nationalsozialisten beschlagnahmt und zum Sammellager gemacht hatten. Sie wusste, dass der Transport sie in den Tod führen würde.

"Es ist kein Schicksal, es ist rohe Gewalt", schreibt die Musikerin, die mit ihrem Mann, einem Antiquitätenhändler, auf die Deportation wartete. "Ich war ja so reich und so stolz auf meine blonden, schönen Kinder", so die Worte der Mutter. Sie hätte so gerne ihr geliebtes Lillichen mit der Geige auf der Bühne stehen sehen. Doch dazu kam es nicht.

Wie genau es mit den Kahns, den Frenkels, den Mamlocks und Buckis weiterging, ist nicht bekannt. Sie verschwinden, als sie am 20. Juli 1942 mit 1164 anderen Menschen am Bahnhof in Köln-Deutz in den Zug steigen, im namenlosen Grauen. Die Schüler berichten, dass die Güterwagen in Minsk für viele Stunden in der Sommerhitze abgestellt waren. Viele Menschen überlebten diese Strapaze nicht.

Die anderen Deportierten wurden nicht ins Minsker Ghetto oder ins Vernichtungslager nach Maly Trostenez gebracht, sondern in den nahe gelegenen Wald Blagowschtschina. Die umgebauten Lastwagen füllten sich schon während der Fahrt mit Gas. Wer trotzdem überlebte, wurde an den ausgehobenen Gruben erschossen. "Nur wenn wir auch die Worte dafür finden, was Mitbürger erdulden, erleiden und mit dem Leben bezahlen mussten, haben wir die Chance, uns zu erinnern und auch die richtigen Konsequenzen zu ziehen", sagte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch bei der Gedenkfeier.

Die Zahl der Menschen, die in Minsk ermordet wurden, sei unbekannt. Fest steht, dass sich unter den Opfern viele aus der Bonner Synagogengemeinde befanden. "Die ermordeten Bonner haben keine Gräber, aber wir wissen, dass über ihren Tod niemals Gras wachsen darf", so Nimptsch. Die Stadt will sich auch an einem Mahnmal beteiligen. Maly Trostenez ist laut Astrid Mehmel, Leiterin der Gedenkstätte Bonn, "eine der letzten großen NS-Mordstätten in Europa, an der es bisher keine angemessene Gedenkstätte gibt".

Schmerz und Leid klingen auch in Liedern und Gedichten fort. Die Schüler trugen mit sehr viel Einfühlungsvermögen Stücke wie "Das einsame Kind", ein Wiegenlied für ein Mädchen aus dem Ghetto von Wilna, und die Filmmusik aus "Schindlers Liste" vor, laut Lehrer Dietrich Thomas ein musikalisches Denkmal für das Schicksal der Juden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort