Traditionsgeschäfte in Bad Godesberg Mit eigenem Online-Shop gegen die Konkurrenz

BAD GODESBERG · Seit mehr als 85 Jahren ist Bosch ein Anlaufpunkt für Bücherfreunde. Und Schulbücher bietet Bosch übrigens immer noch an. Von einer Lagerhalle aus beliefert das Geschäft Schulen in ganz Nordrhein-Westfalen.

Gabriele Schäfer ist seit Langem auf der Suche nach einem Foto, das sie nur aus Erzählungen kennt. Es zeigt eine Menschenschlange vor dem Bad Godesberger Hansa-Haus – fast hundert Meter die Alte Bahnhofstraße hinunter bis zur Bahnunterführung. Die Leute darauf wollen Schulbücher kaufen. „Ich würde es gerne zu den anderen Erinnerungsstücken stellen“, sagt die 55-jährige Geschäftsführerin.

Entstanden sein soll das Foto Anfang der Dreißigerjahre. Im November 1923 hatte ihr Großvater August Bosch das Geschäft in Bad Honnef gegründet, sechs Jahre später die Filiale im Hansa-Haus in Bad Godesberg eröffnet. Die Patres des Aloisiuskollegs in Bad Godesberg vermissten eine Buchhandlung mit katholischem Hintergrund – und fragten den jungen Bosch. Der Aufschwung hielt jedoch nur wenige Jahre an. 1939 wurde August Bosch eingezogen und musste in den Krieg ziehen. Erst nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft konnte er das Geschäft wieder ans Laufen bringen.

Heute, zwei Generationen später und neun Häuser straßenaufwärts, leitet seine Enkelin Gabriele Schäfer mit ihrem Mann Klaus Krosanke die Buchhandlung. In der Alten Bahnhofstraße 1 sind die alten Holzregale von weißen abgelöst worden, viele Deckenstrahler leuchten die drei Etagen aus. Im Obergeschoss, der Galerie, können die Kunden auf alten Kinositzen in Zeitschriften und Bücher blättern. 21.000 unterschiedliche Titel, CDs, Tageszeitungen oder Zeitschriften gibt es, darunter allein 1800 Kalender. Für eine Buchhandlung ist das viel, für den Internet-Riesen Amazon ein Klacks. Schäfer möchte dagegenhalten – mit einem eigenen Onlineshop. Rund 500.000 Titel sind über Nacht lieferbar. Der Kunde kann seine Bestellung am nächsten Tag abholen oder bekommt sie zugeschickt.

Rund 500.000 Titel über Nacht lieferbar

Auch E-Books bietet Schäfer dort an, samt den dazugehörigen Lesegeräten. Sie selbst besitzt auch einen E-Book-Reader. „Ich weiß vorher nie, ob ich im Urlaub ein, drei oder sechs Bücher schaffe“, sagt sie. Der Reader nehme einfach nicht so viel Platz im Koffer weg. Eine große Gefahr sehen Schäfer und ihr Mann im Freihandelsabkommen TTIP. Sie befürchten, dass damit die Buchpreisbindung in Deutschland endet. Krosankes Schreckensszenario: „Die Leute greifen sich dann ihr Lieblingsbuch aus einem Karton beim Aldi.“ Gemeinsam mit anderen Händlern sammelten sie zuletzt Unterschriften gegen TTIP.

28 Mitarbeiter beschäftigt Bücher Bosch. Fast alle haben im Geschäft gelernt, viele haben Abitur, einige auch studiert. Es gibt Experten für mehr als 20 Themenbereiche, darunter Politik, Geschichte, Ratgeberliteratur oder auch Hobby und Natur. Der Musikbereich liegt in den Händen eines Sängers und Musikers. Jede Ressortleiterin und jeder Ressortleiter darf selbst entscheiden, welche Bücher angeschafft werden. Theoretisch kann jeder Mitarbeiter so viel einkaufen, wie er will. „Praktisch aber nur, solange Platz in den Regalen ist“, sagt Schäfer.

Schulbücher bietet Bosch immer noch an

Darunter sind auch Bücher, an deren Erfolg sie selbst nicht geglaubt hat. So war sie beim Titel „Darm mit Charme“ mehr als skeptisch. Kurze Zeit später stand das Werk über „ein unterschätztes Organ“ dann auf den Bestsellerlisten. Manchmal aber sprechen Schäfer und ihr Mann ein Machtwort. So, als eine Mitarbeiterin sich weigerte, die Biografie von Dieter Bohlen einzukaufen. Die beiden Geschäftsführer nahmen das Buch ins Programm auf, und es wurde zum Verkaufsschlager.

Schulbücher bietet Bosch übrigens immer noch an, beliefert von einer Lagerhalle aus Schulen in ganz Nordrhein-Westfalen. „Da können pro Jahr schon 50 Tonnen zusammenkommen“, sagt Schäfer. In der Zeit vor Schulbeginn sind mehrere Aushilfen damit beschäftigt, die Bücher zu bestellen, zu sortieren und zu verschicken. Lange Schlangen wie zu Zeiten ihres Großvaters gibt es deswegen also nicht mehr. Wegen des fehlenden Fotos hat Schäfer schon häufiger überlegt, einen Aufruf zu starten. „Wir würden uns freuen, wenn sich jemand bei uns melden würde, der das Foto besitzt.“ Zumal Online-Kunden ja niemals Schlange stehen werden.

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