Protestanten in Bonn Mit dem „Schülchen“ ging es los

BAD GODESBERG · Die Bonner evangelischen Gemeinden feiern in diesem Jahr ihr 200-jähriges Bestehen. Heute gibt es noch drei protestantische Schulen im Stadtgebiet: die Bodelschwinghschule, die Elsa-Brändström-Schule und das Amos-Comenius-Gymnasium.

Das waren Zeiten, als besonders in den 1960er Jahren in Bonn noch strikt konfessionsgetrennt gelernt wurde. Etwa So direkt nebeneinander in der katholischen und der evangelischen „Volksschule“ an der Friesdorfer Straße. „In den Pausen trafen wir uns dann ökumenisch auf dem Hof“, erinnern sich Schüler von damals. Wobei es dort dann bei kleinen Wettkämpfen durchaus auch „Katholen gegen Evangelen“ und umgekehrt geheißen habe.

Das können die damaligen Schüler heute kaum noch fassen. Wellen evangelischer Flüchtlinge des Zweiten Weltkriegs hatten sich in den 1950er Jahren im zuvor hauptsächlich katholischen Bonn angesiedelt. Dazu waren protestantische Bundesbeamte mit ihren Familien in die neue Hauptstadt gekommen. Plötzlich waren evangelische Schulen aus dem Boden geschossen – von denen dann mit den Jahren fast alle zu Gemeinschaftsgrundschulen umgewandelt wurden.

Geblieben sind in Bonn bis heute zwei evangelische Grundschulen: die Bodelschwingh – und die Elsa-Brändström-Schule. Erstere gründete sich 1951 in den Räumen der katholischen Burgschule und bekam 1958 in Friesdorf einen eigenen Bau. 1981 wagte sich die nach einem für seine diakonische Arbeit bekannten Mann benannte Einrichtung, die in NRW erste und im Bundesgebiet dritte Integrationsschule auch für Kinder mit Behinderung zu starten. „Jeder fühlt sich von den Mitschülern angenommen und profitiert davon fürs Leben – und die Nicht-Behinderten erwerben wertvolle soziale Kompetenz“, heißt das Rezept, das heute im Zuge von inklusivem Lernen viele Schulen übernehmen.

Die Elsa-Brändström-Schule steht in Tannenbusch. Aus dem Stand startete sie 1962 mit 182 Kinder in der Schlesienstraße in der späteren Bertolt-Brecht-Gesamtschule. Eine Schwedin, die stets um das Schicksal deutscher Kinder besorgt gewesen war, wurde Namensgeberin. 1968 zog „die Elsa“ in ihr Gebäude in der Hohen Straße um. Zur Zeit lernen 201 Kinder aus 30 Nationen an der Schule, die ihr Gelände und die Offenen Ganztagsschule mit der katholischen Paulusschule teilt.

Das evangelische Schulwesen in Bonn hatte aber schon viel früher begonnen – wenn auch nicht direkt nach der Gründung der ersten Bonner evangelischen Gemeinde vor 200 Jahren, sondern 1883 in Bad Godesberg. Ab 1861 hatte sich an der Rigal'schen Kapelle an der Kurfürstenallee eine protestantische Diasporagemeinde formiert. 1870 trat dort Pfarrer Julius Axenfeld an – und sah den Bedarf für ein evangelisches Bildungswesen. Mit einem Internats-„Schülchen“ ging's los, und zwar auch mit katholischen Schülern. Es dürfte wenig bekannt sein, dass die heutige Otto-Kühne-Schule auf diese Anfänge zurückgeht.

Axenfeld versammelte 1883 vier Jungen in seinem Pfarrzimmer zum Unterricht in Deutsch, Französisch und Latein. In den anderen Fächern ging es in der benachbarten Elementarschule weiter. Sein pädagogisches Abenteuer erregte Aufsehen. Wegen des raschen Wachstums zog er in ein Haus am Hotel Adler, um dann aber mit diesem ersten ökumenischen Schulprojekt aus wirtschaftlichen Gründen Schiffbruch zu erleiden. Axenfeld blieb ja im Hauptberuf Pfarrer und forcierte diakonische Bemühungen. Letztlich geht die Arbeit der Evangelischen Jugendhilfe Godesheim und des Waldkrankenhauses der Evangelischen Kliniken nebst Hospiz auf diese Anfänge zurück.

Fürs gewachsene „Schülchen“ musste 1887 also ein versierter Pädagoge her: Otto Kühne, der die Einrichtung 1889 mit neuen Ideen in Familienträgerschaft übernahm. Bald gab es zwei Internatshäuser, in denen sich auch der Unterricht für 39 Interne und Externe abspielte. Ab 1893 hatte Axenfelds Gemeinde immerhin noch eine evangelische Höhere Mädchenschule in Godesberg.

Einige Jahrzehnte später, 1955, schlug die Stunde des heute einzigen evangelischen Gymnasiums in Bonn. Nach dem Pädagogen Amos Comenius benannt, war dieses zuerst reine Mädchengymnasium in der damaligen Volksschule an der Rheinallee untergekommen. Sämtliche Schüler passten zum Gottesdienst in die Rigal'sche Kapelle. Was für die Mädchen auch Nachteile haben konnte. Am Treffpunkt der Jugend, dem Theaterplatz, wurden sie von den Lehrern auch am Nachmittag sofort „gekannt und gesehen“, erzählen damalige Schülerinnen. Ein weiteres Provisorium in einer Ex-Bundeswehrbaracke an der Lindenallee folgte, bis 1958 für dann schon 260 Mädchen der Umzug ins damalige Neubaugebiet Pennenfeld klappte.

Und wie lautet heute das Profil evangelischer Schulen, an denen auch Kinder anderer Konfessionen und Religionslose unterrichtet werden? Das Amos-Schulprogramm erklärt es so: „Wir leben, arbeiten und feiern in aller Freiheit, die sich in der Nähe zu Gott ereignet.“ Man pflege christliche Kultur durch geistig-seelische, spirituelle Orientierung und Festigung: in Andachten, Schulgottesdiensten, Fahrten zu religiöser Besinnung und Kirchentagen, „und auch im Unterricht, im verbindlichen Sozialpraktikum und vor allem im täglichen Miteinander“.

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