Medizintourismus in Bad Godesberg Johanniter-Kliniken planen Gästehaus

Bad Godesberg · Es ist ein Thema, das vielen Bad Godesbergern unter den Nägeln brennt: der Medizintourismus. Wie groß das Interesse nach wie vor ist, zeigte sich jüngst bei einer Veranstaltung der SPD in der Stadthalle.

 Vor allem an der Ecke Winterstr./Burgstraße werden in Bad Godesberg Wohnungen für Medizintouristen vorgehalten.

Vor allem an der Ecke Winterstr./Burgstraße werden in Bad Godesberg Wohnungen für Medizintouristen vorgehalten.

Foto: Axel Vogel

Auch bei anderen Diskussionen kommt das Gespräch häufig auf diese Thematik: Wie viele Gastpatienten kommen nach Bonn? Der Stadt liegen „keine belastbaren Zahlen vor, da es keine generelle Meldepflicht für Medizintouristen gibt“, so das Presseamt. Eine Erfassung von amtlicher Stelle sei nicht möglich, „da es keine statistische Abgrenzung dieses Begriffs gibt“.

Die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS) hingegen arbeitet mit Zahlen des statistischen Landesamtes, die aktuellsten stammen aus dem Jahr 2013. Demnach werden jährlich rund 900 Medizintouristen stationär in Bonn behandelt, ambulante Patienten werden nicht erfasst. Eine Abfrage bei den Kliniken zeigt, dass es mehr sein dürften – auch wenn nicht alle auf eine GA-Anfrage antworteten, und andere wie das Gemeinschaftskrankenhaus oder die Godeshöhe keine Zahlen veröffentlichen.

Im Johanniter- und Waldkrankenhaus werden nach Auskunft des Kaufmännischen Direktors, Bernhard Schöffend, insgesamt zwischen 300 bis 500 Medizintouristen pro Jahr behandelt. „Im Verhältnis zu den 76 000 Patienten liegt der Anteil damit bei deutlich unter einem Prozent.“

Aus welchen ländern stammen die Medizintouristen?

Sie kämen aus arabischen Staaten wie Katar, Saudi-Arabien oder Libyen, aber auch aus dem restlichen Europa, USA, Australien und Russland. In der Uniklinik stammt der Großteil der dort behandelten Gastpatienten aus dem arabischen Raum. „Wir haben ungefähr 800 bis 900 ausländische Patienten pro Jahr, die wir über ihre Herkunft, die nicht in der EU liegt, definieren“, so Professor Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Uniklinik.

Wie ist die Prognose? „Es werden deutschlandweit deutlich weniger Patienten“, stellt Jens Juszczak, Experte für Medizintourismus an der H-BRS fest. Ein Grund für sinkende Behandlungszahlen aus GUS-Staaten sei die schlechte Wirtschaftslage. Seit Ende 2016 brächen außerdem die Patientenzahlen aus dem arabischen Raum ein. Die Gründe laut Juszczak: Verringerung der finanziellen Mittel für Auslandsbehandlungen und strukturelle Veränderungen in Botschaften und Konsulaten.

Die Kliniken betreiben nach eigenen Angaben keine aktive Akquise, einige haben mit der Unterbringung der Patienten und Familien nichts zu tun, einige kooperieren mit Hotels. Die Johanniter-Kliniken planen die Anmietung oder Errichtung eines Boardinghauses für Patienten, Gastärzte und neue Mitarbeiter, so Schöffend. Damit trete man der Zweckentfremdung entgegen.

Wie sieht es mit der Zweckentfremdung aus?

Die Vermietung von privatem Wohnraum an Patienten und deren Angehörige, teilweise zu horrenden Preisen, ist seit Jahren ein Ärgernis für viele Bad Godesberger. Sie leiden oftmals unter Lärm, Schmutz und anderen Belästigungen. Seit Oktober 2014 gilt in Bonn die Zweckentfremdungssatzung, deren Nutzen umstritten ist. Zusätzlich wurde im Januar eine fünfköpfige Task Force eingesetzt, um Anzeigen nachzugehen. Ergebnisse gibt es noch keine – Infos seitens der Stadt auch nicht. Weil gegen einige städtische Mitarbeiter Anzeige erstattet wurde (der GA berichtete), wolle man sich bis „zum Abschluss des Verfahrens nicht mehr öffentlich zu Art und Umfang der Arbeit mit dem Aufgabenbereich der Zweckentfremdung äußern“.

Ist der Medizintourismus ein Wirtschaftsfaktor? Er sei mit „einer Reihe positiver Effekte für die lokale Wirtschaft verbunden“, so das städtische Presseamt. Die Bereiche Einzelhandel, Medizin, Touristik, Gastronomie, Hotels, Transport und Verkehr profitierten besonders. Allerdings werde statistisch nicht erfasst, wer Einkäufe tätigt oder Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Zahlen zum Umsatz, der durch Medizintouristen generiert werde, gebe es somit nicht.

Was reizt Medizintouristen an Bad Godesberg? Der Bezirk sei verkehrstechnisch gut erreichbar, warte mit einer vielfältigen, gut ausgebauten Infrastruktur auf und habe einen hohen Freizeitwert, zählt Bezirksbürgermeisterin Simone Stein-Lücke auf. Weitere Gründe seien die guten Einkaufsmöglichkeiten und das breite gastronomische Angebot.

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