Dieter Weberuss Friesdorfer Uhrmacher hört nach Einbruch auf

Bad Godesberg · Seit 1975 ist Uhrmacher Dieter Weberuss mit seinem Geschäft in Friesdorf. Nach einem Einbruch im vergangenen Jahr gibt er es nun bald auf. Einen Nachfolger nicht gesucht - wegen der "Wegwerfgesellschaft" von heute.

In der kleinen Werkstatt gleich hinter dem Uhren- und Schmuckgeschäft von Dieter Weberuss scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Konzentriert beugt sich der Chef mit der Lupenbrille ganz tief über ein Minigehäuse. Ein Zahnrad, so klein wie ein Stecknadelkopf, scheint Schuld daran zu sein, dass die mechanische Uhr nicht mehr funktioniert. Weberuss fingert eine filigrane Pinzette herbei. Ein kaputtes Glas, eine Verschmutzung oder auch mal ein Schräubchen, das ersetzt werden muss, solche Probleme hat der 75-Jährige mit seinem Sammelsurium an Ersatzteilen schnell gelöst. Jetzt ist er aber an diesem Fall leidenschaftlich interessiert. Dieses Uhrwerk unter der Schreibtischlampe wieder zum Leben zu erwecken, das wäre ein Erfolgserlebnis.

Wie hat seine Passion für Uhren eigentlich angefangen? Ach, er sei ein Nachkomme aus der Familie der Traditionsfirma Gebrüder Weberuss in Schwennigen, erzählt der Meister. Und seine gemütlich schwäbelnde Sprachmelodie ist genau das, was andere Godesberger Schwaben wie Martin Ammermüller so gerne in die Annaberger Straße 121 a treibt. „Die Onkel wollten, dass ich die Firma übernehme, und schickten mich schon mit 13 Jahren auf die Feintechnikerschule“, erzählt Weberuss. Mit 17 stellte der Junge im Familienunternehmen dann schon die Maschinen ein. Weberuss streicht über Prachtstücke aus der damaligen Produktion. Aus allen Ecken scheint es hier in seinem Laden zu ticken. Immer wieder melden sich Viertelstundenklänge.

„Wir leben in Wegwerfzeiten“

Na ja, und dann sei er der Liebe wegen nach Bonn gekommen, erklärt Weberuss. Er gründete eine Familie, wurde Vater. Gearbeitet habe er bei Hild in Bonn. 1968 machte er auf der Abendschule in Köln den Meister. Der 75-Jährige zeigt auf die silberne große 50 und den Meisterbrief an der Wand. 1972 habe er sich am Wilhelmplatz direkt gegenüber der Polizeiwache selbstständig gemacht. „Und acht Tage, nachdem die Polizei weggezogen war, wurde bei mir das erste Mal geklaut.“ Er habe bald vom Viertel „die Schnauze voll“ gehabt, so dass er 1975 die Nachfolge des Traditionsgeschäfts Keldenich in Friesdorf antrat. „Die waren schon seit 1932 hier.“

Ach, seien das wunderbare Zeiten gewesen, als der Friseur, der Metzger, das Textilgeschäft und der Gemüsehandel noch Tür an Tür arbeiteten, blickt Weberuss zurück. Die Diplomatengattinnen wählten aus seinen Schmuckvitrinen. Jeder sei mit seiner Uhr zum Reparieren gekommen. „Und heute kommen die Diebe.“

Räumungsverkauf wegen Aufgabe

Der Meister zeigt traurig auf den Glasschaden von 2017. Panzerglas plus Rück- und Vorverglasung bekomme doch niemand durch, kommentiert er. „Wer hier rein will, muss schon bekloppt sein.“ Aber der Sach- und der symbolische Schaden tun Weberuss weh. „Räumungsverkauf wegen Aufgabe“ klebt seither am Schaufenster. „Ich verkaufe langsam, denn ich muss hier ja nicht raus“, sagt er. „Halsabschneidern“ von Aufkäufern übergebe er seine Ware jedenfalls nicht. Auch nach einem Nachfolger habe er nicht gesucht, denn der müsste ja wohl wegen der Miete bald wieder schließen. „Unser Beruf stirbt aus. Wir leben in Wegwerfzeiten.“

„Er ist noch analog, die Kunden aber schon fast alle digital“, sagt Kunde Ammermüller. Bald könne also keiner mehr die Familienuhren reparieren. Früher habe man bei Weberuss den Schmuck zur Konfirmation gekauft: „auch vorbei.“ Aber wenn der Meister seine „Schätzchen“ zeigt, dann glänzen seine Augen wie eh und je. Die einmalige Fußballuhr aus den 1960er Jahren führt er vor: Bei voller Stundenzahl zielt ein Schütze den Ball voll auf die Torwartfigur. Im Hinterzimmer prangt mit Hinterglasmalerei der uralte amerikanische Regulator. „Jeder Zeitraum hat seine eigenen Uhrwerke. Ich konnte einfach nicht widerstehen, beim Reparieren hiermit auch eins von 1850 kennenzulernen“, sagt Weberuss und seufzt wonnevoll.

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