Geschichte der Krautbereitung im Rheinland Einst Zentrum des Krautkochens

NIEDERBACHEM · Es ist eine Situation, die jeder Wachtberger kennt: Man befindet sich im Auto auf der Landstraße und fährt statt der erlaubten, flotten 70 Stundenkilometer nur Schritttempo.

 Kübel, Fässer, Flaschenzüge: Die Ausstattung einer typischen Krautkocherei. In Niederbachem gab es ab Mitte des 17. Jahrhunderts davon fünf.

Kübel, Fässer, Flaschenzüge: Die Ausstattung einer typischen Krautkocherei. In Niederbachem gab es ab Mitte des 17. Jahrhunderts davon fünf.

Foto: Rheinisches Volkskundearchiv

Ausgebremst von einem Traktor, dessen Anhänger randvoll mit Zuckerrüben beladen ist - sein Ziel eine bekannte Krautfabrik in Meckenheim. Als es noch keine maschinenbetriebenen Traktoren gab, sondern nur Pferdefuhrwerke, war deren Ziel mit den frisch-geernteten Zuckerrüben Niederbachem. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden dort die letzten Krautfabriken geschlossen, bis dahin war der Wachtberger Ort eines der Hauptzentren der Obstkrautherstellung im Rheinland.

Die Volkshochschule Meckenheim Rheinbach-Swisttal mit Wachtberg veranstaltete am Mittwochabend unter dem Titel "Krutt" einen Vortrag über die Geschichte der Krautbereitung im Rheinland. Volkskundler Alois Döring, ausgewiesener Experte für die süße Köstlichkeit, referierte im Evangelischen Gemeindezentrum.

"Das Aufkommen des Krautkochens in Niederbachem ist nicht genau datierbar, schätzungsweise aber ab Mitte des 17. Jahrhunderts", erzählte Döring. So habe es damals in Niederbachem fünf Krautfabriken gegeben sowie zwei in Lannesdorf, jeweils eine in Oberbachem, Berkum und Mehlem. Die Schornsteine der Krautfabriken hätten damals das Dorfbild maßgeblich geprägt. "Schwarze Rauchschwaden wabern über das Land - aus den Schornsteinen dringt weißlicher Rauch", zitiert Döring einen Artikel aus dem damaligen "Drachenfelser Echo".

Gekocht wurde nicht nur Kraut, sondern wie heute auch noch üblich Zwetschgen, Äpfel, Birnen oder auch Rote Beete. Letztere vor allem im Aachener Raum. "Das Krautkochen war ein Saisonbetrieb von Mitte September bis Anfang Januar", erklärte Döring. Nach dem zweiten Weltkrieg erfuhr vor allem die häusliche Krautherstellung wieder einen Aufschwung, nachdem die industrielle Herstellung während des Kriegs einbrach. Döring blickte bei seinem Vortrag allerdings nicht nur auf die Geschichte des Krautkochens, sondern auch auf die Herstellungsweise.

So wird zuerst das Obst gepresst, dann eingekocht und eine Gelierprobe genommen. Anschließend wird das gekochte Kraut abgefüllt und in sogenannten Baaren aufbewahrt. Noch heute ist im Niederbachemer Ortskern ein Gebäude der ehemaligen Krautfabrik "Rheinische Obstkraut Fabrik J. Vouhsem" zu sehen - auf dem Gebäude liest man auch heute noch den Schriftzug "Konserven".

"In vielen Dörfern ist die Entwicklung zu einer Konservenfabrik zu erkennen. Erst war dort eine Krautpresserei, dann eine Krautfabrik und später eine Konservenfabrik", berichtet Volkskundler Döring. Der Rheinische Zuckerrübensirup und auch das Rheinische Apfelkraut besitzen übrigens das Echtheits- und Qualitätssiegel "geschützte geografische Angabe".

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