VHS-Exkursion nach Verdun Eine Mahnung an den Frieden

Verdun · Die Schrecken des Ersten Weltkriegs werden nirgends so offenbar wie auf diesem französischen Boden. Die Teilnehmer der VHS-Exkursion nach Verdun erfahren auch einiges über persönliche Schicksale.

 Exkusion der VHS Rheinbach auf das Schlachtfeld von Verdun. Hier Barbara Hausmann auf dem Fort Douaumont, dort wohin Sie ihr Vater mitgenommen hatte.

Exkusion der VHS Rheinbach auf das Schlachtfeld von Verdun. Hier Barbara Hausmann auf dem Fort Douaumont, dort wohin Sie ihr Vater mitgenommen hatte.

Foto: Axel Vogel

Eine Wachtbergerin und ein Rheinbacher haben ein besonderes Verhältnis zu dem blutgetränkten Schlachtfeld in Frankreich.Andächtig stehen Barbara Hausmanns, stellvertretende Leiterin der Volkshochschule Meckenheim, Rheinbach, Swisttal mit Wachtberg (VHS), und 21 Exkursionsteilnehmer in dem schwach beleuchteten unterirdischen Gefechtsgang in Verdun. Ihr Blick fällt auf eine Mauer, vor der der Gang abrupt endet. Sie befinden sich an einem deutschen Soldatenfriedhof, und zwar im Fort Douaumont. Eine Gedenktafel, ein Kreuz und die Skulptur „Les Adieux“ (Abschied), die symbolisch die Abschiedsszene von zwei Brüdern mit ihren Eltern einfängt, legen Zeugnis ab von einer Tragödie: der Schlacht von Verdun, der in diesem Jahr mit vielen Veranstaltungen gedacht wurde. Wohl an kaum einem Ort des Schlachtfeldes wird der Schrecken der Schlacht so greifbar wie an dieser Gedenkstätte.

Dort wird daran erinnert, dass nicht nur in den Schützengräben an jedem Tag der rund 300-tägigen Schlacht Männer starben, sondern überall auf dem Schlachtfeld und unter den oft meterdicken Deckschichten des Forts, das von deutschen Truppen gehalten wurde.

So auch am 8. Mai 1916. Am frühen Morgen jenes Maitages waren bei einer versehentlich ausgelösten Explosion mehrere Hundert Soldaten, die sich in dem Fort aufhielten, getötet worden. „Es müssen sich nach Augenzeugenberichten grauenhafte Szenen abgespielt haben“, erklärt Peter Baus, pensionierter Bundeswehroffizier aus Rheinbach, der viele militärhistorische Exkursionen zu den Schlachtfeldern der Weltkriege leitet. Da um das Fort herum die Schlacht tobte, wurden 679 Getötete an Ort und Stelle in einem Hohlgang eingemauert. Mit einem Gebet neben der Skulptur erinnerte Hausmanns an die Toten.

VHS-Exkursion nach Verdun
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Der Großvater war in Verdun

Die Wachtbergerin hat eine zutiefst persönliche Beziehung zu dem Schlachtfeld. Bereits ihr Großvater hatte ihren Vater mehrfach auf das Schlachtfeld und zum Fort mitgenommen, quasi zur Friedenserziehung. Ein altes Bild, das ihren Großvater väterlicherseits, Hermann Friedrich (1886 bis 1967), beim Gang über die von Geschossen zernarbte Deckenplatte des Forts zeigt, gehört zum festen Erinnerungsschatz der Familie. Entstanden ist das Schwarz-Weiß-Foto im Juli 1956, erklärt Hausmanns. Mit dabei war auch ihr Vater Karl Hermann Friedrich, der zuvor aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war.

Hausmanns kennt die Gründe, warum ihrem Großvater diese Friedenserziehung so am Herzen lag: „Er war mit einer bekennenden Pazifistin verheiratet und später als SPD-Mitglied im Dritten Reich Repressionen ausgesetzt.“ Zudem hatte er selbst im Sommer 1914 an der Schlacht von Tannenberg teilgenommen. „Die Stunden auf dem Schlachtfeld von Verdun, dessen Todeslotterie jegliche statistische Betrachtung über Opferzahlen und Materialeinsatz übersteigt, haben ihn zutiefst erschüttert und aufgewühlt“, sagt Hausmanns.

Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Kriegserfahrungen hatten ihr Vater und ihr Großvater immer wieder die Besonderheit des Schlachtfelds betont. „Darum hat mein Vater mir und meinen Geschwistern schon in den 60er Jahren Verdun gezeigt“, sagt Hausmanns. So habe er ihnen die Schrecken des Ersten Weltkrieges vermittelt. Sie habe „sehr bald den Aspekt der Mahnung und den Gedanken der Versöhnung begriffen“.

Von Millionen Granateinschläger verformt

Um den Wert von Friedenserziehung weiß auch Peter Baus, der bei der Andacht im Fort Douaumont neben Hausmanns steht. Er hat rund 40 Exkursionen über das blutgetränkte Schlachtfeld von Verdun geführt. Warum ausgerechnet Verdun? Baus sagt: „Weil es die längste und die sinnloseste Schlacht des Krieges war.“ Deutsche und französische Soldaten mussten dort in Schützengräben, Festungswerken, Unterständen und in von Millionen Granateinschlägen verformtem Gelände fast ein Jahr lang Unvorstellbares ertragen. Mehr als 4000 Geschütze, so Baus, wurden in dem vergleichsweise kleinen Kampfgebiet eingesetzt und ließen durchschnittlich 10 000 Granaten und Minen in der Stunde auf die Stellungen niedergehen. Der Tod war allgegenwärtig und hatte viele Gesichter. Er kam plötzlich, etwa als Granate oder Giftgas, als glühender Strahl eines Flammenwerfers. Oder langsam, etwa für Verwundete im Niemandsland, die nicht abtransportiert werden konnten.

Zwar waren die Kasematten und Hohlgänge der Forts von Verdun bei den Soldaten ein ersehnter Zufluchtsort, der ein paar Stunden Sicherheit und Verschnaufen in drangvoller Enge versprach. Allein das von den deutschen Truppen lange Zeit besetzte Fort Douaumont, ausgelegt für rund 850 Soldaten, war vollgestopft mit Material und mehr als 3000 Soldaten. Doch auch dort gab es keine Auszeit vom Sterben, wie Baus schilderte. Nicht nur die Explosion forderte Leben. So durchschlugen immer wieder schwerste Geschützkaliber die Decken der Forts. Oder aber der Tod kam viel profaner: Einige Soldaten kamen bei der Entleerung der in Eimern gesammelten Notdurft vor dem Eingang durch Granateinschläge um.

Andachtsstelle des deutschen Soldatenfriedhofs

Warum Baus die VHS-Gruppe an der Andachtsstelle des deutschen Soldatenfriedhofs im Fort Douaumont längere Zeit innehalten lässt, hat einen weiteren Grund: Für Baus verkörpert die Skulptur „Abschied“ etwas Besonderes mit einem höchst menschlichen Bezug zu seiner Heimatstadt Rheinbach. Die Figur, die der Rheinbacher Pallottiner Pater Ludwig im Auftrag des ehemaligen Ratsherren Erich Scharrenbroich geschaffen hat, steht symbolisch für eine Familientragödie, die der Krieg in Scharrenbroichs Familie angerichtet hatte (siehe Text unten).

Doch letztendlich ist jeder Quadratmeter des Schlachtfeldes ein Friedhof, auf dem immer noch unentdeckte Gefallene ruhen. „Noch in diesem Jahr wurden bei Erdarbeiten am Fort Douaumont die sterblichen Überreste von vier deutschen Soldaten freigelegt“, so Baus. Darum sei Verdun „eine einzige Mahnung und geradezu ein Vermächtnis zum Frieden“. Und zwar eine, die sich von einer rein französischen Gedenkstätte „in einen gemeinsamen Erinnerungsort von Franzosen und Deutschen gewandelt hat“.

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