Russisch-orthodoxe Gemeinde in Bad Godesberg Ein spirituelles Zuhause für 3000 Christen

Bad Godesberg · Das Osterfest wird in der russisch-orthodoxen Gemeinde in Bad Godesberg auf ganz besondere Weise gefeiert. Es ist das letzte Fest im alten Gebäude, im Juni zieht die Gemeinde in die Kirche am Draitschbusch um.

Ostern steht vor der Tür. Rund 90 russisch-orthodoxe Christen drängen sich in der Krypta unter der katholischen Kirche St. Augustinus um Pfarrer Eugen Theodor und seine Helfer. Vor der Ikonostase, also der Bilderwand der Orthodoxie, erhalten Groß und Klein das Abendmahl. Überall flackern Kerzen. Frauenstimmen singen die russische Liturgie. Immer wieder bekreuzigen sich die Gläubigen. Frauen wischen sich in der Enge den Schweiß von den Gesichtern. Durch die Kellerfenster sieht man draußen die Füße von Dutzenden, die warten, per Schichtwechsel endlich auch in den Gottesdienst gelassen zu werden.

Viele haben blühende Zweige mitgebracht, die jetzt in Vasen vor der Ikone der Mutter Gottes gesteckt werden. Vom Eingang blickt auf einem Foto der Moskauer Patriarch Kyrill auf die Gemeinde herab. Pfarrer Theodor predigt russisch. Für den nicht Slawisch-kundigen sind nur die Worte „Marienforster Kirche“ verständlich: Die Gemeinde Mariä Schutz wird am 1. Juni in die evangelische Kirche am Draitschbusch umziehen.

„Wir sind so froh, dass wir diese schöne Kirche kaufen können“, erklärt draußen in perfektem Deutsch Rodion Orlinski aus Usbekistan. Mit seiner aus Kasachstan stammenden Frau und den Kindern bedeute die Gemeinde jeden Sonntag wieder ein Zuhause und einen wichtigen Ort, den Glauben zu leben. „Oh ja, auch meine 83-jährige Mutter wäre sonst vor Heimweh ganz krank. Wir brauchen unsere Gottesdienste“, bekräftigt neben ihm Olga Pilifosova, die bei den Vereinten Nationen in Bonn arbeitet.

Mutter Gazina wischt sich die Tränen aus den Augen. Neben ihr betont Natalia Johag, die aus der Ukraine stammt, wie wichtig für sie die Ökumene sei. Sie habe einen katholischen Ehemann, und der Sohn singe im evangelischen Jugendchor. „Wir sind international.“ Und da passe es doch sehr gut, dass sie als Orthodoxe bald in einer evangelischen Kirche feiern könnten.

Auch Pfarrer Eugen Theodor, selbst ein Wolgadeutscher, ist inzwischen aus der Krypta hochgestiegen. Rund 3000 Mitglieder auch aus dem Rhein-Sieg-Kreis zähle seine Gemeinde: Spätaussiedler, deutsch-russische Paare, Studenten, Mitarbeiter der russischen und ukrainischen Konsulate, Orthodoxe anderer slawischer Sprachen sowie interessierte Deutsche. Man finanziere sich nur aus Spenden und sei nun überglücklich, die Marienforster Kirche mithilfe der orthodoxen Diözese und Sponsoren erst mieten und zum 1. Januar 2018 kaufen zu können. Die Gemeinde hätte ansonsten zum 1. Juni 2017 auf der Straße gestanden, fügt Pfarrer Theodor hinzu.

Eigentlich habe er in Verhandlungen mit dem Godesberger katholische Seelsorgebereich gehofft, aus der Krypta in St. Augustinus hochziehen, die Kirche kaufen oder mieten zu können, die für Gottesdienste nur am Samstag genutzt werde, sagt er. Dafür habe er dem Seelsorgebereich auch zugesagt, dessen Samstagsmesse weiterhin dort feiern zu lassen.

Er habe nach guten Gesprächen mit der Stadt in den benachbarten Kindergarten investieren wollen. Dann habe der Seelsorgebereich den Erbpachtpreis plötzlich auf 130.000 Euro jährlich hochgesetzt, was mit hohen Zinsen ab 2027 eine Jahresnutzung zu 300.000 Euro bedeutet hätte. „Das konnten wir nicht zahlen. Daraufhin wurde uns gekündigt“, sagt Pfarrer Theodor. Wie berichtet, erhält die evangelische Johannes-Kirchengemeinde von den Orthodoxen eine sie „sehr zufriedenstellende sechsstellige Eurosumme“ als Kaufpreis.

Die Kirche selbst will er bis auf die Anbringung der Ikonen und der Ikonostase unverändert lassen. Im Nebenbau soll ein lebendiges Gemeindeleben stattfinden. „Und jeder, dem die Kirche am Herzen liegt, kann in Absprache mit uns dort weiterhin seine Hochzeit, Taufen und Beerdigungen planen.“

Die evangelische Johannes-Kirchengemeinde verabschiedet sich am Sonntag, 21. Mai, mit einem Gottesdienst ab 15 Uhr mit anschließendem Empfang von der Marienforster Kirche, Am Draitschbusch. Die russisch-orthodoxe Gemeinde Mariä Schutz begrüßt ebenda am Sonntag, 3. Juni, ab 9 Uhr zu ihrem ersten Gottesdienst.

Die dem Patriarchat Moskau zugeordnete russisch-orthodoxe Gemeinde Bonn, die Gemeinde Mariä Schutz, richtete sich 1976 als Gast der katholischen Gemeinde St. Marien und St. Servatius in der Krypta unterhalb der Kirche St. Augustinus ein. Vorher hatte sie ab 1967 in der evangelischen Rigal'schen Kapelle und danach in der Kapelle des Erzbischöflichen Clara-Fey-Gymnasiums Gottesdienste gefeiert. Die nächste Gemeinde ist in Köln. Kontakt: www.rok-bonn.de

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