Artistin Melanie Hagedorn Ein Tag auf dem Schlappseil

BAD GODESBERG · Zirkus fand Melanie Hagedorn bereits als kleines Mädchen "großartig". "Vor allem das Einradfahren und Jonglieren" hatten es der Bad Godesbergerin angetan, als sie mit sieben Jahren zum ersten Mal in die "Circusschule Don Mehloni" von Jörg Nitsch kam. Der Zirkus, das Jonglieren und erst recht das Balancieren packten die junge Frau derart, dass die inzwischen 23-Jährige aus ihrer Leidenschaft einen Beruf gemacht hat.

 Melanie Hagedorn hat bei Don Mehloni mit sieben angefangen und ist jetzt fast Profi. Auf dem Schlappseil zeigt sie, was sie kann.

Melanie Hagedorn hat bei Don Mehloni mit sieben angefangen und ist jetzt fast Profi. Auf dem Schlappseil zeigt sie, was sie kann.

Foto: Axel Vogel

Am Samstag kam Melanie Hagedorn zurück in die Zirkusschule und zeigte bei einer kleinen Galavorstellung ihr Können: auf einem dünnen Seil, das etwa einen Meter über dem Boden schwebte.

Um im übertragenen Sinne einen Tag auf dem Schlappseil absolvieren zu können, "muss man Ungeheures leisten", sagte Zirkusfachmann Jörg Nitsch. Wie anschließend zu sehen, war es eine schwierige Angelegenheit für die Artistin, auf dem durchhängenden Seil die Balance zu halten.

Egal, ob sie "schlief", Kaffee trank, sich anzog oder anschließend "zur Arbeit ging." Melanie Hagedorn schaffte den Balanceakt meisterlich. Das honorierten zahlreiche Zuschauer mit viel Beifall. Vor allem die Gruppe der Fortgeschrittenen der Circusschule, die zuvor ihre neue Show bei Schwarzlicht gezeigt hatten, verfolgten Hagedorns Kür auf dem Seil mit großen Augen.

Ähnlich wie sie hatte die 23-Jährige in der Circusschule angefangen. Leiter Nitsch war das Mädchen "mit den vielen Talenten" sofort aufgefallen: "Sie konnte auch die Bibel auf Latein lesen, malte und sang hervorragend", erinnerte sich Nitsch, der seit 21 Jahren die Schule leitet.

Für den ersten "Profi" aus den Reihen seiner Circusschüler war früh klar: Die Artistik sollte zum Beruf werden. Dabei betont Nitsch aber, dass es in Schulen wie der seinen weniger um die Sichtung späterer Artisten geht. Vielmehr stünden freizeitpädagogische Aspekte wie die Stärkung des Selbstbewusstseins und der Konzentrationsfähigkeit von Kindern im Fokus.

Kurze Zeit nach dem Abitur besuchte Melanie Hagedorn eine Kunsthochschule im niederländischen Tilburg. Dort absolvierte sie einen vierjährigen Studiengang "Zirkus" mit Bachelorabschluss, Spezialgebiet "Schlappseil". Noch ein halbes Jahr Studium, zu dem eben auch ihr Abschlusspraktikum bei Nitsch gehört, und dann ist Hagedorn eine "professionelle Artistin". Bereit, für Engagements etwa am Varieté.

Um dort erfolgreich zu sein, muss man neue Wege gehen, glaubt Hagedorn. Aus ihrer Sicht gehört die "traditionelle Zirkus-Glitzerwelt", in der allein technisch anspruchsvolle Artistennummern den Ton angaben, der Vergangenheit an. "Stattdessen will der moderne Zirkus dem Zuschauer eine Geschichte erzählen." Dazu gehöre, "dass Artistik mit Tanz und Theater kombiniert wird, wie es vorbildlich in Frankreich gemacht wird".

Dagegen hat Nitsch in Deutschland Defizite ausgemacht: "Zirkus wird hier immer noch nicht als Kunst angesehen. Anders als im Ausland gibt es keine Förderung." Zwar ist Zirkus weiter ihr "Traumberuf", sagt Melanie Hagedorn: Aber auch einer, "den ich sicher nicht mein ganzes Leben lang machen werde". Die Kunst ist es, die sie reizen würde, nach der Karriere als Schlappseil-Artistin.

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