Segregation in Bonn Ein Stadtteil kämpft um seinen Ruf

Mehlem · Das Negativimage belastet Mehlem und die Domhofschule. Dort stammen die 300 Schüler aus mehr als 30 Nationen. Schulleitung und Elternvertreter bemühen sich um eine ausgewogene Mischung bemühen

Gewaltbereite Jugendliche, die um die Häuser ziehen. Sicherheitsdienste, die Schulen bewachen müssen. Und Bürger, die sich bei Dunkelheit nicht mehr auf die Straße trauen. Die beiden südlichsten Godesberger Ortsteile Lannesdorf und Mehlem hatten 2016 besonders stark gegen ihr Negativimage zu kämpfen. Mittendrin liegt die Katholische Grundschule Am Domhof. Manche ortsansässige Familie schickt ihre Kinder in anderen Stadtteilen zur Schule.

Aus mehr als 30 Nationen stammen die rund 300 Schüler. Für ihre Integrationsarbeit hat die Schule bereits Preise gewonnen. Doch hatte die Einrichtung auch schon ihre Negativschlagzeilen.

Eltern waren im Fokus der Sicherheitsbehörden

Etwa nach den Angriffen von Salafisten auf die Polizei im Mai 2012, nach denen sich Kinder auf dem Schulhof mit Familienagehörigen gebrüstet haben sollen, die an der Straßenschlacht beteiligt gewesen seien. Vereinzelt standen Eltern wegen ihrer Nähe zur islamistischen Szene im Fokus der Sicherheitsbehörden.

Dem Anspruch einer katholischen Schule und dem hohen Anteil muslimischer Kinder zugleich gerecht zu werden – dies ist die wohl größte Herausforderung, der sich Isabel Schachtschneider jeden Tag aufs Neue stellt.

Die Hälfte der Schüler der katholischen Grundschule ist muslimischen Glaubens

Wie ihre Vorgängerin Annie Kawka-Wegmann ist die amtierende Rektorin vor allem um Überzeugungsarbeit bemüht – bei alteingesessenen Godesbergern ebenso wie unter Einwanderern. „Wir wollen weiter eine gesunde Mischung hier“, sagt Schachtschneider. Derzeit sei die Hälfte der Schüler muslimischen Glaubens, die andere Hälfte christlich geprägt oder nicht getauft.

Die aktuelle Sorge mancher Eltern, durch die Schließung der benachbarten saudi-arabischen König-Fahad-Akademie im nahen Lannesdorf, könnten womöglich noch mehr muslimische Schüler auf der Domhofschule landen, teilt sie nicht: „Die Schüler werden sich auf alle Grundschulen im Bezirk verteilen und nicht alle automatisch zu uns stoßen.“

Die Schule bietet Alphabetisierungskurse und Begabtenförderung zugleich

Auch die zunehmende Kritik, die Schule verliere generell ihr christliches Profil, weist sie zurück: „Die Integration ist bei uns keinesfalls umgekehrt worden“, sagt sie. So gebe es Förderlehrer, die sich um die wenigen Schüler kümmern, welche gar kein Deutsch sprechen; auch unterstützt eine arabisch sprechende Lehrerin aus Syrien die Alphabetisierungskurse und hilft Eltern bei Sprachbarrieren.

Zugleich biete die Schule aber auch leistungsstarke Klassen mit Begabtenförderung und Sozialpädagogen, die sich um sämtliche Schüler bemühen. Hinzu kämen das Orchester, an dem sich ebenfalls Schüler verschiedener Herkunft beteiligen, und gemeinsame Aktionen, etwa zur Adventszeit.

Das war vor einigen Jahren auch mal anders, wie Heike Mündelein berichtet: „Als an der Schule keine Weihnachtsbäume mehr aufgestellt werden sollten, haben wir uns beschwert und Recht bekommen.“

Schulpflegschaft versucht dem Verdrängungseffekt entgegenzuwirken

Jahrelang engagierte sich die Mutter zweier Söhne in der Schulpflegschaft und setzte sich in dieser Zeit auch gegen die Abschaffung von Martinsumzug und Adventskranz zur Wehr. „Das gehört doch dazu, schließlich ist es nach wie vor eine katholische Schule“, sagt sie. Respektvolles Miteinander gelte eben für beide Seiten.

Während manche alteingesessenen Mehlemer Familien ihre Sprösslinge inzwischen auf Schulen in anderen Ortsteilen schicken, versucht Heike Mündelein, dem Verdrängungseffekt entgegen zu wirken und wirbt für die Domhofschule. Dabei vertritt sie auch den Standpunkt, dass das arabisch geprägte Umfeld nicht überbewertet werden dürfe: „Oft sind deutsche Schüler viel störender oder aggressiver als muslimische Kinder“, sagt sie mit Blick auf die Erfahrungen ihrer Söhne.

Zudem gehörten Schüler mit ausländischen Wurzeln, die in Deutschland aufgewachsen oder geboren wurden, oft auch zu den Leistungsträgern in den Klassen. Das kann auch Schachtschneider bestätigen. „Wir haben gute sowie faule Schüler auf beiden Seiten“, sagt sie.

Viel mehr Sorgen als ihre multikulturellen Klassen macht ihr die Sicherheit der Schule. Mehr als 20 Mal musste die Polizei allein im Frühjahr 2016 wegen Vandalismus, Ruhestörung und Einbrüchen auf dem Schulgelände und dem benachbarten Vorgängerbau ausrücken.

Sicherheitsdienst auf dem Gelände

Seit dem Sommer bewacht ein spendenfinanzierter Sicherheitsdienst das Gelände. Die Bilanz ist bislang positiv: „Die haben auch einen Einbruch verhindert“, sagt Schachtschneider. Rund um das Schulgebäude sei es seitdem ruhiger geworden. Zwölf Aufenthaltsverbote gegen junge Männer erteilte die Polizei .

Wie prekär die Situation zwischenzeitlich gewesen sein muss, zeigt der Umstand, dass die beliebten Lesenächte an der Schule vorübergehend ausgesetzt wurden, weil Kinder angesichts der Vorfälle auf dem Schulhof Angst hatten.

„Auch Elternabende sind jetzt wieder möglich“, sagt die Rektorin und wirbt für eine Verlängerung des Vertrags mit dem Sicherheitsdienst und um weitere finanzielle Unterstützung, gern auch seitens der Stadtverwaltung. Insgesamt hält die Lehrerin einen Wachdienst für unumgänglich an. „Ältere Leute, die hier wohnen, haben mittlerweile Angst, etwas zu sagen“, deutet sie an.

Mit ihren Mofas und Hunden würden die Jugendlichen die Anwohner einschüchtern und belästigen. „Viele lassen früh ihre Rollläden runter und gehen nicht mehr aus dem Haus. Das registriert auch Heike Mündelein, die in der Nähe der Schule wohnt: „Manchmal hat man schon ein mulmiges Gefühl. Wenn ich abends in Mehlem unterwegs bin, dann nur noch mit dem Auto.“

„Meinen 14-jährigen Sohn lasse ich abends nicht mehr raus“

Persönlich sei sie bisher zwar nicht bedroht worden und die Leute im Ort würden zum Teil auch übertrieben Panik machen. Doch für die Mutter ist der ganze Ortsteil gefährlicher geworden. „Meinen 14-jährigen Sohn lasse ich abends nicht mehr raus“, sagt sie.

In ein paar Straßenzügen in Mehlem sei einiges aus dem Ruder gelaufen, hört man von anderen Bewohnern. Gerade im Bereich ab der Meckenheimer Straße aufwärts, entlang des Baches und bei den Unterführungen, etwa an der Ackerstraße, sei das Sicherheitsgefühl im Vergleich zu früher extrem gesunken, findet nicht nur Heike Mündelein.

Dass Walid S., der Hauptverdächtige im Fall des getöteten Niklas P., ebenso wie andere durch Gewaltbereitschaft auffallende Jugendliche in Mehlem wohnen, würde die Sensibilität im Ortsteil noch weiter erhöhen.

Der Runde Tisch ist bis heute nicht zustande gekommen

Es gebe mittlerweile zu viele Jugendliche, die ohne Abschluss da stünden oder von Eltern im Stich gelassen würden. Eine ganze Reihe von ihnen sei gefährdet, heißt es unisono. Gemeinsam mit ihrem Kollegium und Eltern hat Isabel Schachtschneider einen Runden Tisch vorgeschlagen, um den Stadtteil attraktiver zu machen. Der aber ist bis heute nicht zustande gekommen.

Neben Streitschlichtern an der Domhofschule kann sich das bestehende Betreuungsangebot für Jugendliche in Mehlem durchaus sehen lassen. So kümmern sich beispielsweise der Jugendtreff in der Heilandkirche und die Offene Jugendtreff „Rheingold“ der Katholischen Jugendagentur an der Meckenheimer Straße um Kinder und Jugendliche. Arbeit, so legen die Erfahrungsberichte vieler Menschen vor Ort nahe, gibt es für sie genug.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort