Interview mit Hans-Jürgen Döring Ehemaliger Bürgermeister spricht über Kulturangebote im Dorf

Wachtberg · Hans-Jürgen Döring ist „Gründungsmitglied“ der Gemeinde Wachtberg und hat sich im Rathaus wie privat immer für Kultur eingesetzt. Über das große Angebot in einer kleinen Kommune sprach mit dem früheren Wachtberger Bürgermeister Bettina Köhl.

Wachtberg hat keine Oper und kein Theater, aber trotzdem eine beeindruckende Kulturszene. Wie kommt es zu dieser Vielfalt?

Hans-Jürgen Döring: Die Gemeinde ist 1969 aus 13 selbstständigen Dörfern gegründet worden. Das war natürlich eine Zäsur. Um diesem neuen Gemeinwesen eine Identität zu geben und nicht lediglich eine Zusammenfassung uralter Dörfer zu sein, musste man Infrastruktur schaffen. Straßen, Kanäle, Schulen – das ist Standard. Sich darüber hinaus ein Gepräge zu geben, das kann man über Sport und Kultur machen.

Mit welchem Erfolg?

Döring: Solche weichen Faktoren sind auch entscheidend, wenn sich neue Bürger und Unternehmen ansiedeln sollen. 1969 hatten wir 12 000 Einwohner, heute sind es 20 500. Mitte der 70er Jahre haben wir angefangen, Initiativen zu gründen und aufzubauen. Wir haben Musiker, Maler, Bildhauer und Literaten motiviert, sich im kleinen Wachtberg zu präsentieren. Das war der Anfang und hat sich heute verfestigt. Kultur und Wachtberg, das ist ein Synonym.

Alte Höfe und Scheunen bieten Platz, um sich künstlerisch auszuleben. Wo gehen Sie besonders gerne hin?

Döring: Da möchte ich nichts herausgreifen. Ich bin heute Abend zum Beispiel in Oberbachem beim Laienspielkreis.

... ein Phänomen...

Döring: Ja, so etwas Tolles – die Kombination aus einem über 100 Jahre alten Dorfsaal, harten Stühlen und einem herzlichen Publikum und Ensemble. Da gehe ich wahnsinnig gerne hin, aber natürlich auch zum Jugendorchester. Ich möchte trotzdem nichts herausheben, da gibt es einfach zu viel. Ich selbst stelle bei den Kulturwochen im Rosengarten aus.

Was stellen Sie denn aus?

Döring: Ich male. Das ist ein zweites Standbein geworden, jetzt wo der Kopf etwas freier ist. Ich habe schon von Kindesbeinen an Papier bekritzelt.

Sie sind breit aufgestellt, Sie haben auch die Studiobühne in Wachtberg mit gegründet...

Döring: ... und den Partnerschaftsverein, das Jugendorchester und den Büchereiverbund. Wir hatten außerdem fast 20 Jahre ein eignes Theater mit fast 90 Prozent Platzauslastung. Wir haben in die Aula Theaterinfrastruktur eingebaut und konnten hier die Topbühnen einladen. Erika Pluhar hat hier gespielt. Es war toll, aber dann wurde das Geld knapp. Alle Initiativen, die aus dem Rathaus kamen, sollten die Kräfte aus der Gemeinde aktivieren.

Aus allen Bereichen?

Döring: Ich habe einen weiten Kulturbegriff. Für mich ist auch der Karneval Kultur. Das Gegeneinander von Kultur und Sport wie in Bonn verstehe ich nicht. Die ehrenamtlich geführte Kleiderstube ist für die Bevölkerung genauso wichtig wie die Dichterlesung im Drehwerk. Das alles ist für mich Lebenskultur.

Stichwort Städtepartnerschaft: Sich mal fremd zu fühlen, hilft doch auch, um die eigene Kultur besser zu verstehen.

Döring: Ja, unbedingt. Meine Frau und ich reisen viel. Wie fahren zum Beispiel mit dem Wohnmobil durch Australien. Ich war noch nie so fasziniert von Malerei wie bei den Aborigines, die mit ihren Naturfarben ein einzigartiges Farben- und Formengefühl zeigen. Wenn wir das Fremde kennenlernen, können wir dadurch eigene Impulse bekommen und Respekt gewinnen.

Gibt es etwas, was die Wachtberger Kultur noch braucht?

Döring: Was fehlt, ist ein weiterer Raum mit Atmosphäre für Kleinkunst. Wir brauchen ein Mittelding für 150 Leute, das haben wir bei der Verleihung der „Wachtberger Kugel“ gemerkt, wofür das Drehwerk leider etwas zu klein ist. Der Köllenhof ist auch wunderbar – der ist mein zweites Wohnzimmer – , aber er ist bei Veranstaltungen, wo man eine Blickverbindungen braucht, wegen der alten Balken ein Problem.

Können Sie sich die leerstehende katholische Kirche St. Gereon in Berkum als Kulturkirche vorstellen, was ja schon im Gespräch war?

Döring: Es ist eine Option. Die Kirche müsste umgewidmet werden für öffentliche Veranstaltungen, und damit geht es los. Wir haben keine Toiletten und eine ganze Reihe von Probleme, die gelöst werden müssten, und die liegen im Baurecht. Der Raum selbst wäre natürlich wunderbar als Refugium.

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